metaphysische Glaubensgewißheit
Rationalisten, Aufgeklärte, Glaubenslose, Vernunftmenschen unserer Tage konstruieren einen mutmaßlichen Gegensatz zwischen dem Glauben und dem Wissen, zwischen dem Irrationalen und Vernünftigen, dem Gefühl und dem Verstand.
Unsinn, Genossen!
Der glaubende Mensch ist sich gewiß, WEIß also. Er schaute die Grundlage des Glaubens, ein Reich des Übersinnlichen und eben deshalb mit der ratio nur beschreibbar, nicht aber empirisch zu fixieren. Dem gläubigen Menschen geschah ein Transzendenzerlebnis, eine Form erlebter Gewißheit (von wissen) des Übersinnlichen. Ein Ganzheitserlebnis. Auf einen Schlag wird alles klar, verständlich, logisch, schön oder auch häßlich, ungeheuerlich, fascinosum est. Der ungläubige Mensch hatte dieses Erlebnis nicht, darum konstruiert er Systeme auf dem Grund dessen, was er erlebte und diffamiert das, was er nicht erlebte, als Unsinn. Als ob das, was man nicht kennte, nicht existierte!
Zu Luthers Antisemitismus
Luthers mutmaßlicher "Antisemitismus": Kurz gesagt, es gab ihn nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie er heute verstanden wird, als eine auf rassischen Überzeugungen basierende Grundeinstellung gegenüber Semiten. Luther unterscheidet Menschen nicht nach rassischen Gesichtspunkten, sondern in Hinsicht auf ihre Beziehung zum Christentum, d.i. Christentum ohne päpstliche Verzerrung.
Die mittelalterliche Kirche, dieser Riesenkomplex zur Bildung eines Universalreiches, hatte in dem neuen Konzept keinen Platz. Weil eben die Kirche so viel weltliche Macht angehäuft hatte, mußte sie sich auch an die Spielregeln der Politik halten. Weitgehend. Welche das waren, hatte Machiavelli 1513 beschrieben. Luther löste sich immer mehr von der Vorstellung, innerhalb der Kirche die mißlichen Verhältnisse abschaffen zu können. So wurde der Papst allmählich zum Antichristen, weil er jeder Reform der Kirche ablehnend gegenüberstand. Doch nicht nur der Papst, der die körperliche Ächtung Luthers zu verantworten hatte, wurde von Luther zunehmend als Ausgeburt des Teufels begriffen, auch Juden und andere Nicht-Lutheraner wurden dieser Sichtweise subsumiert. Verständlich, denn Luther begriff sie als Manifestationen der Sünde, die er zwar einzeln verzeihen mußte, nicht aber als Lehre akzeptieren durfte. Das muß man allen, die heute Luther als einen Berserker, als einen Antisemiten und Menschenfeind beschreiben, vors Auge führen. Luther mußte sich gegen seine Feinde wehren und diese Feinde konnten nur Statthalter des Antichristen sein, die ihn und seine Anhänger zu töten beabsichtigten.
Ich füge hier noch einmal Luthers theologische Grundierung ein:
- Biblizismus, d.i. die strenge Bindung jeder Glaubensaussage an das geoffenbarte Wort Gottes;
- Rechtfertigungslehre, d.i. die Glaubenssicherheit, die allein (sola fide) zur Erlösung des Menschen führen kann und nicht durch fromme Werke zu erreichen ist;
- Grundsatz des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen und
- die Heiligung des weltlichen Lebens, so daß alle Tätigkeiten vor Gott gleichgestellt sind und es keine besseren oder schlechteren Tätigkeiten gibt, solange sie nur mit der Kraft des Glaubens ausgeführt werden.