WARUM SINGVÖGEL KEIN FETT ANSETZEN
botticelli sitzt wieder einmal auf einem der oberen äste seines pfirsichbaums und schaut hinab. unter dem baum stehen die hagere vierundachtzigjährige von nebenan und ihre üppig gebaute enkelin, die gerade zu besuch ist. botticelli sieht das ungewöhnlich volle haar, das ihr über die schultern herabfällt und die bluse mit dem darin verborgenen fleisch. schon will er hinabsteigen, ein paar fragen stellen, interesse an nebensächlichem heucheln. dann bleibt er jedoch sitzen. er räuspert sich noch nicht einmal.
er denkt an seine nacht mit berenice, und ihm fällt ein, dass er die enkelin bisher noch nicht nach ihrem namen gefragt hat. und wenn sie wie die andere berenice heißt?
botticelli haßt wiederholungen. er ist froh, dass er nicht hinabgestiegen ist, sonst müßte er jetzt womöglich zusehen, wie er von der enkelin wieder loskommt. beim letzten mal hat die schon so penetrant seinen hund angeschnalzt, dass ihr der einen argwöhnischen blick zuwarf und ins haus lief.
der hund ist schmal und beweglich, botticelli auch, denn beide sind viel unterwegs, vor allem am flußufer, und botticelli steigt auf die bäume und singt lieder, meist liebeslieder. im august aber sind die tage lang, und dann wird botticelli unruhig, ganz besonders, wenn es dunkel wird. nicht nur wegen der stechmücken, von denen er jeden abend ein paar dutzend totschlägt, auch nicht wegen des geruchs nach katzen, von denen fast immer eine überfahren an der straße liegt und in der nachlassenden hitze ihren gestank verströmt.
nein, er fällt dann ganz in sich zurück und wird selbst zur überfahrenen katze, mag seinen eigenen geruch nicht mehr und möchte das gesicht in frisch gewaschenes haar stecken, eine kühle fremde haut spüren und eingehüllt werden von einem fremden duft.
jetzt ist wieder so ein abend. die enkelin fährt ihre oma hinterm haus spazieren und bewegt ihr üppiges fleisch an der straße entlang. botticelli fragt sich, wie sie wohl riecht. ihr haar sieht frisch gewaschen aus. etwas zu demonstrativ schaut sie in die andere richtung, etwas zu schnell bringt sie die alte dame ins haus und tritt dann an die blassroten rosen schräg unter botticellis pfirsichbaum heran, um daran zu schnuppern.
plötzlich steht botticelli hinter ihr, steckt sein gesicht tief in diese woge von haar, fasst sie an den schultern. wie heißt du? sagt er.
nadia, sagt sie und schaut ihm zu, wie seine hände nach unten wandern und die knöpfe ihrer bluse öffnen.
botticelli hört ein geräusch, wendet den kopf. an seinem platz im pfirsichbaum sitzt eine krähe. sie hat einen brocken im schnabel, der wie fleisch mit einem stück katzenfell daran aussieht.
schschsch! zischt botticelli. verschwinde.
was war das? fragt nadia.
eine katze, sagt botticelli. da saß eine katze in meinem pfirsichbaum. ich hasse katzen.
sie fressen singvögel.
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