Die Deutschen haben Europa um die letzte große Kultur-Ernte gebracht, die es für Europa heimzubringen galt – die Renaissance. Cesare Borgia als Papst... Versteht man mich? Das wäre der Sieg gewesen, nach dem ich heute allein verlange –: damit war das Christentums abgeschafft. Was aber geschah? Ein deutscher Mönch, Luther, kam nach Rom. Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Priesters im Leibe, empörte sich in Rom gegen die Renaissance. Statt mit tiefster Dankbarkeit das Ungeheure zu verstehn, das geschehen war, die Überwindung des Christentums an seinem Sitz – verstand sein Haß aus diesem Schauspiel nur seine Nahrung zu ziehn. Ein religiöser Mensch denkt nur an sich. – Luther sah die Verderbnis des Papsttums, während gerade das Gegenteil mit Händen zu greifen war: die alte Verderbnis, das peccatum originale, das Christentum saß nicht mehr auf dem Stuhle des Papstes! Sondern das Leben! Sondern der Triumph des Lebens! Sondern das große Ja zu allen hohen, verwegenen, schönen Dingen. Und Luther stellte die Kirche wieder her: er griff sie an... Die Renaissance – ein Ereignis ohne Sinn, ein großes Umsonst! Ah, diese Deutschen, was sie uns schon gekostet haben! Umsonst – das war immer das Werk der Deutschen!“ (Friedrich Nietzsche: Der Antichrist. Abschnitt 61-62.) |
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