Es sind deren drei, alle 1520:
· An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (politisches Programm);
· Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche (kirchliches Programm);
· Von der Freiheit eines Christenmenschen (ethisch-moralisches Programm).
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Hatte Luther vor 1520 noch von Ärgernissen in der Kirche gesprochen, nicht aber sie selbst angegriffen, so ging er in diesen Schriften den Schritt über das Ärgernisbeseitigen hinaus. Die Kirche Gottes, der Leib Christi, beruhte auf der allgemeinen Vorstellung einer von Gott eingesetzten Organisationsform der Gläubigen mit dem Recht der Priesterweihe und dem zur Hierarchie. Dieser Ordnungswille repräsentierte die sittliche Ordnung jener Zeit. Der daraus resultierende Ordnungskörper hatte jedoch nach Luthers Auffassung seine geistigen Grundlagen ausgeblendet und immer mehr in weltliche Belange übergegriffen, sich wie ein Kropf über den Staat gestülpt, so daß der nur eine eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeit besäße. – So etwas muß nicht unbedingt von Nachteil sein, denn wenn wir auf die Entwicklungen der frühneuzeitlichen Staaten anderswo schauen, so muß sich die deutsche Entwicklung hier nicht, zumindest was die Bereiche Sozialfürsorge und Staatlichkeit betrifft, verstecken. Aber das war nicht der Blickwinkel Luthers.
Merkkasten: Luthers Theologie
- Biblizismus, d.i. die strenge Bindung jeder Glaubensaussage an das geoffenbarte Wort Gottes;
- Rechtfertigungslehre, d.i. die Glaubenssicherheit, die allein (sola fide) zur Erlösung des Menschen führen kann und nicht durch fromme Werke zu erreichen ist;
- Grundsatz des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen und
- die Heiligung des weltlichen Lebens, so daß alle Tätigkeiten vor Gott gleichgestellt sind und es keine besseren oder schlechteren Tätigkeiten gibt, solange sie nur mit der Kraft des Glaubens ausgeführt werden.
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Luther setzte, bibelfest argumentierend, den Hebel an, erklärte die Priesterehe für schriftwidrig, denn der Geistliche habe ausschließlich dem Wort zu dienen. Die Kirche wurde zur Sammlung der Gläubigen erklärt, eine unsichtbare, innere Gemeinschaft, deren Taten aus der Kraft des gemeinsamen inneren Bekenntnisses gespeist und so weltliche Macht würden. Fleischwerdung des Wortes. Der Kirchenkörper solle nur der Verwaltungsapparat und schon gar nicht Selbstzweck sein. Luther hob die Trennung des Laien vom Geistlichen auf: ein Christ sei kein Laie oder Geistlicher, sondern Glaubender, er stehe in zwei Welten, seiner Glaubenswelt und der Welt, dem Staat. Aber die Kirche dürfe keinen Staat im Staat bilden!
Das war eine Kriegserklärung an die Mächtigen. Revolution! Es bedeutete die Aufbürdung einer ungeheuerlichen Verantwortung an jeden einzelnen Christen, als Diener zweier Welten seine Pflicht zu tun und damit jede Handlungen seines christlichen Bruders diesbezüglich zu prüfen - gerade die seines weltlichen Herrn.
Verantwortungsbewußtsein ruht auf einer sittlichen Entscheidung. Wer entscheiden kann, ist frei. Luther schuf mit dieser Erklärung eine Freiheit, die die Christen bis dahin nicht kannten. Andererseits betonte Luther die Pflicht des Christenmenschen, beiden Welten zu dienen. Das war es, was die Fürsten gern hörten. Auch die alte Kirche hörte das gern. Was sie nicht gern hörte, das war die Selbstbestimmtheit des einzelnen Christen. Dies machte nicht nur die Ablaßbriefe überflüssig, sondern auch etliche Kirchenoberen arbeitslos.
Durch Luther wurde das Leben eines Christenmenschen zu einer Herausforderung, gemäß sittlichen und religiösen Gesichtspunkten zu handeln und dieses Handeln in freier Selbstbestimmung durchzuführen. Allerdings war Luther kein Vertreter der Willensfreiheit. Doch dazu später.
Die mittelalterliche Kirche, dieser Riesenkomplex zur Bildung eines Universalreiches, hatte in Luthers Konzept keinen Platz. Weil eben die Kirche so viel weltliche Macht angehäuft hatte, mußte sie sich auch an die Spielregeln der Politik halten. Weitgehend. Welche das waren, hatte Machiavelli 1513 beschrieben. Luther löste sich immer mehr von der Vorstellung, innerhalb der Kirche die mißlichen Verhältnisse abschaffen zu können. So wurde der Papst allmählich zum Antichristen, weil er jeder Reform der Kirche ablehnend gegenüberstand.
Kann Luther als theologische Folgerung des Humanismus gelten, so muß Ulrich von Hutten die politisch-weltliche genannt werden. Hutten wollte den deutschen Nationalstaat, einen ritterlich-humanistischen Gesamtstaat mit Autonomierechten, eine Korporation gleichberechtigter Einzelstaaten in einem Gesamtstaat. Hutten war strikter Feind der römischen, der fremdländischen Klerisei, feindete alle an, die aus den Deutschen Profit schlagen wollten oder von denen er eben das glaubte: Franzosen, Italiener, Papsttum.
Als er Luther Schrift „An den christlichen Adel...“ in den Händen hielt, fühlte er sich in seinem politischen Streben erkannt und gefördert. Fortan war er Luthers Kampfgefährte für die Erneuerung Deutschlands. Er schrieb seine Kampfschriften auf deutsch, die tausendfach in Magdeburgs Druckereien vervielfältigt im Reich verteilt und verschlungen wurden. Die Deutschen rissen sich um diese Schriften, deren Kernsätze lauteten: „Es lebe die Freiheit! Es ist eine Lust zu leben.“
Luthers Akt war der einer Befreiung, angekommen bei Volk und Adel gleichermaßen.
Aufgaben:
1. Erkläre, warum Luthers Protest eine Revolution war! (II)
2. Setze dich mit wenigstens einem Punkt von Luthers Theologie auseinander und vergegenwärtige! (III)
3. Nenne die wichtigsten Schriften! (I)
4. Formuliere den Kern von Luthers Theologie! (II)
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