Ich hätte gerne Statements zu diesem Text. Die Protagonistin Inka hält sich für die Reinkarnation von Virginia Woolf und will eigentlich schreiben, schreibt aber nicht... mehr verrate ich im Moment nicht... Der Text wird mehrere Metaebenen bekommen...
Das Hotel
Während Inka den roten Weg zum Strandrestaurant hinunterlief, streckten blutgetränkte Kakteen ihre Köpfe gleich Stalaktiten aus der Vulkanasche und sie konnte nicht umhin zu bemerken, dass die Sandale an ihrem linken oberen Fuß so scheuerte, dass sich unweigerlich eine schmerzhafte Blase bilden würde, die, so dachte sie, später im Meerwasserpool ein Brennen verursachen würde, das gleiche Brennen, das sie jetzt auch in der Magengegend verspürte. Deshalb zog sie im Gehen die Schuhe aus darauf hoffend, dass auch das Brennen im Magen verschwinden würde, was aber nicht geschah, denn stattdessen breitete sich nun das Brennen wie die Rattenpest auch im Brustkorb und im Genitalbereich aus, was sie noch schneller werden ließ, um endlich in das Restaurant zu gelangen, wo sie ihre wirre Gedankenwelt würde niederschreiben können, diese zwei langen Sätze, die so ähnlich konstruiert waren wie die Sätze, die Virginia Woolf geschrieben hatte. Als das Restaurant in Reichweite war, hatte sie Brandblasen an den Füßen. Der Asphalt hatte wie Lava gekocht.
Sie ließ sich mit einem Plumps auf den weißen Plastikstuhl fallen und kramte in ihrer Tasche, auf der ein Strass-Totenkopf appliziert war, nach dem Stift und dem Notizbuch, um endlich die zwei Sätze niederzuschreiben. „Während sie den roten Weg...“ Aber plötzlich stand der Ober in einem weißen Leinenanzug vor ihr. Inka hatte gar nicht gehört, dass er etwas gesagt hatte, denn sie war so verloren in ihrem Gespinst aus Grammatik, Wortfindung, Metaphern und Vermeidung von überflüssigen Adjektiven, so dass sie nun seltsam empört darüber war, dass er sie aus ihren sprudelnden Sätzen herausgerissen hatte und ihr die Worte geklaut hatte. Denn die Sätze waren weg. Einfach weg! Aus der Erinnerung getilgt und so stand da nur auf dem weißen Blatt: „Während sie den roten Weg...“
Tränen schossen ihr in die Augen, Zornestränen, die Rattenpest „Brennen“ breitete sich nun auch in ihrem Kopf aus und so war sie nun endgültig sicher, geisteskrank wie Virginia Woolf zu sein. Sie zerknüllte das Blatt, leerte drei Gläser Weißwein in sich hinein, um dann schwankend schmerzgekrümmt wegen der Brandblasen gehend auf die Liege zum Pool zurückzukehren, wo sie dann zu dem Zwitschern der Spatzen, ohne einen einzigen Satz vollendet zu haben, wie ein Baby einschlief.
Später gegen Abend verließ sie trotz der Brandblasen das Hotel, da sie die blöden Amüsements dort nervten. War dieses Verdummungsprogramm nicht diametral zu den Totenköpfen auf ihrer Tasche und auf ihrem T-Shirt? Gott sei Dank gab es in der Reichweite des Hotels einige nette Restaurants. Sie setzte sich an einen beliebigen Tisch und bestellte Muscheln in Weißweinsauce dazu einen Rotwein. Muscheln waren ihr Lieblingsessen, da sie danach sofort scheißen konnte. Scheißen war dünn bleiben, Scheiße bedeutete Reinigung, scheißen hieß gesund bleiben. Der Ober brachte den Rotwein, die Servietten, das Besteck und das Brot. Sie legte die Serviette auf ihren Schoß und während der Ober das Essen servierte, kam ein Windstoß auf und wehte die Serviette fast vom Schoß, so dass sie beinahe davon geflogen wäre und nun legte sie die Serviette auf den Tisch, da sie ja das Ding noch brauchen würde, um ihren Mund abzuwischen. Aber nichts war gut. Während sie die Muscheln aß, versuchte sie die Serviette mit dem rechten Handballen das Messer in der Hand einzuklemmen, um sie am Fortfliegen zu hindern, denn dieses komische Dinge hatte ja ein Eigenleben und würde in jedem Moment wie eine Möwe in der Luft verschwinden. Und als sie einmal den Handballen hob, flog das Ding doch tatsächlich davon und die Muschelschale landete auf ihrem Schoß. Wie ärgerlich. Großvater hätte sie gerügt, da er doch der einzige in ihrem Leben war, der sie ständig zurecht gewiesen hatte. Wie um der Qual zu entgehen, sah sie von ihrem Teller auf. Links leuchteten die weißen Häuser gegen den schwarzen Himmel. Auf der anderen Seite war der Horizont weiß und die Palmen davor waren schwarz. Welch ein Schauspiel. Sie hoffte auf ein Gewitter. Aber sie musste jetzt scheißen. Eilig zahlte sie und wankte unter Schmerzen in die Hotelhalle. Und dort in der riesigen Eingangshalle des Hotels, in der es nach billigem Parfüm stank, Kaufhausmusik aus den Lautsprechern dudelte und silberne Sofas nicht zum Setzen einluden, bog sie ab zum Klo und schiss in die heiligen Hallen des Hotels, wie um den Gestank nach dem Parfüm loszubekommen.
Sie war jetzt müde und konnte nicht mehr schreiben. Kein einziger Satz kam ihr. Die Worte hingen herum wie zerrissenes Papier. Da war nichts und das Gewitter war auch nicht gekommen.
Nachts wurde sie durch Regen geweckt, setzte sich auf und versuchte ihre Füße auf den Boden zu bekommen. Der Boden rannte weg, da die Brandblasen unter ihren Füßen ein Feuer entfachten. Unter Schmerzen tapste sie im Dunkeln zum Fenster, aber es regnete nicht. Das Geräusch kam von diesem unersättlichen Brunnen draußen, der die ganze Nacht regnen würde, nur für sie allein.
Am nächsten Mittag saß Inka in einem Restaurant am Meer, während der Glutball auf sie Feuerpfeile absandte und wie sie da so saß in die Brandung schauend, die in einem ewigen Hin und Her ihre weißen Zungen auf den Lavasand klatschte, war ihr nicht bewusst, dass sich Jemand hinter sie gesetzt hatte, genau in ihren Rücken, so dass sich plötzlich unbewusst ihre Nackenhaare aufstellten. Sie wollte noch einen Weißwein bestellen und drehte ihren Kopf nach dem Ober, aber da fiel ihr Blick auf das Pärchen, das jetzt genau hinter ihr saß. In ihrem Rücken! Zwei Lesben, die sich wie eineiige Zwillinge kleideten und auch ähnlich sahen, denn beide hatten eine Kappe in das Gesicht gezogen unter der weißblonde kurz Haare hervor blinzelten, beide trugen ärmellose Tops, so dass die breiten braunen Schultern zu sehen waren und Inkas Blick wanderte weiter zu den vier kleinen Brüsten bis zu den kurzen Shorts aus denen muskulöse ebenfalls braune Beine nach unten in neonfarbigen Turnschuhen endeten. Ihr wurde wieder bewusst wie alleine verlassen sie sich fühlte seit Maman verstorben war, dass sie nach mütterlichem Halt suchte und sich deshalb ständig auch in Frauen verliebte. Und schließlich wie um die Lesben auf sich aufmerksam machen zu wollen, strich sie mehrmals mit der linken Hand durch ihr knallrotes gefärbtes Haar, während sie mit der rechten Hand eine Zigarette aus dem Zigarettenetui fingerte auf dem ein Dias de los Muertos-Totenkopf aufgedruckt war mit der Unterschrift „Good Vibes only“ um dann, sich ins Profil zu den beiden drehend, demonstrativ die Zigarette anzuzünden, die beiden aus dem Augenwinkel beobachtend, aber jene schienen nicht zu rauchen oder Alkoholisches zu trinken und sportbegeisterte Vegetarierinnen zu sein, mit denen sie niemals würde etwas anfangen können und somit drehte sie sich zu ihrem eigenen Schmach wieder um zurück zum Weißwein, Zigaretten und ihrem Tisch und wie, um die Gedanken an die Beiden zu verscheuchen, sah sie auf ihre Füße, aber das war nun der Horror, denn eine riesige gelb-grünlich glänzende Schmeißfliege labte sich an dem Blut der Wunde, die sie von dem Scheuern der Sandalen davongetragen hatte. Erschrocken stieß sie den Fuß von sich weg, um das widerliche Insekt abzuschütteln, aber es ritt wie der Teufel festgeklebt bei ihrer Bewegung auf der blutenden Wunde. Erst als sie das Insekt mit der Hand verscheuchte, konnte sie es abschütteln.
Inkas Gesicht war nun kreidebleich. Sie wollte das Geschehen aufschreiben, war aber so blockiert von dem Ekel über diesen Blutsauger, so dass sie seufzend den Stift sinken ließ und nur dachte: Unterbrecher sind Verbrecher. Hinter ihr standen jetzt die zwei Lesben auf und liefen schnellen Schrittes auf den Strand zu.
Während sie ihre grünen Augen in deren Rücken bohrte, begannen ihre Gedanken um Maman zu kreisen.
Lesezeichen