Wisst Ihr, was ein Lektor ist? Nein? Soll ich es euch sagen? Auch nicht? Also gut: Ein Lektor ist ein blutrünstiger Verbalhenker, der seine Hinrichtungen mit der professionellen Sachlichkeit eines Mannes vornimmt, der seinen Job versteht. Nach der ersten mentalen Exekution schreibt man entweder nie wieder einen Satz, oder man bringt sich gleich selber freiwillig um.
Lektor: Mehr Form, bitte! Du stößt den Leser ins Geschehen, der weiß sich nur an einem Wort zu orientieren, nein zweien: Lektor und umbringen. Und jetzt frage ich Dich, woran denkst Du?
Ja, das wäre natürlich eine Alternative. Es müsste allerdings vorher geklärt werden, ob der Lektor wirklich Pazifist ist, soll heißen, ob er sich auch nicht wehren wird.
Lektor: Zwei Worte bleiben in meinem Gedächtnis haften: Alternative und Pazifist. Daraus, mitsamt dem es, ließe sich eine Geschichte stricken. Die emotionale Landschaft ist auch kein schlechter Topos, vielleicht könntest Du noch einen unbewussten Doppelsinn eindenken.
Schon geschehen. Vielleicht könnte ich damit etlichen Dichtern eine Freude machen. Nämlich all denen, die unbekümmert darauf los schreiben, ohne sich um formale Rigiditäten zu kümmern...
Lektor: Schreib weiter für Deinen Hausgebrauch, es ist besser als Nasebohren.
...also denen, die Literatur nicht als Erwerbsmöglichkeit sehen, sondern die Schönheit des Schreibens erleben wollen
Lektor: Jetzt wird geschwatzt. Streichen. Statt dessen empfehle ich Dir einen Wechsel der Perspektive und einen weiten Ausritt ins Reich der Phantasie, dann wieder zurück zum stillen Zwiegespräch, dann abrunden und in Frage stellen.
Andererseits ist ein Lektor als Gegengewicht zu dem Schreiber, der gerne über den Inhalt die Form vernachlässigt unabdingbar.
Lektor: Bewertungen aussparen, die bleiben dem Leser überlassen.
Vielleicht ist etwas Wahres dran, an der Behauptung, dass ein guter Klavierspieler kein guter Klavierstimmer sein kann.
Lektor: klingt beinahe nach Kokolores
Somit wäre die Schlussfolgerung naheliegend, dass ein guter Autor einen schlechten Lektor abgeben würde.
Lektor: Dein Text ist nicht besonders geworden. Änderst Du was dran, sagen wir, Du streichst ihn? Textarbeit lohnt hier nicht, es ist zuviel Affenscheiße zwischengelegt.
Wie also könnte man den natürlichen Konflikt zwischen Autor und Lektor entschärfen, oder in eine konstruktive Reibung zu Gunsten des Endproduktes verwandeln.
Lektor: Puhlst Du gerne zwischen den Zehen? Zeig mir, dass ich mich irre! Literarisch ist er jedenfalls nicht. Aber das muss ja nichts heißen. Nicht jeder Text ist literarisch oder muss literarisch sein. Meiner ist‘s ja augenblicklich auch nicht.
(Leises Röcheln an der Gardinenstange)
Lektor: Wollt ich was sagen? Nein, eigentlich nicht. Vorn fehlt etwas, mittendrin und am Ende auch. Schreib mal noch ein bisschen drumrum, vielleicht find ich mich dann zurecht.
(Kein leises Röcheln an der Gardinenstange)
Lektor: Also, jetzt hab ich‘s: Die Diktion der einfachen Worte, das Umfeldige des Heimeligen könnten einen oberflächlichen Leser dazu verleiten, hier Oberflächlichkeit zu erkennen und -weil‘s ja poetical correctness incompletely horrible, was weiß ich- mosert entsprechend. Ist‘s hier aber nicht -abgesehen davon hält sich wohl nur ein durchschnittlicher und es nicht besser wissender Autor an das, was korrekt ist-, denn es stellt den Leser mitten ins Geschehen.
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