Die Lichtung - Teil 4.
Unvorsichtig küsste Pendell die sauber ausrasierte Achselhöhle und bereute es sofort. Er hatte den aufregend salzigen Austerngeschmack von frischem Schweiß erwartet und erhielt stattdessen eine unangenehm trockene Seifenbitternis auf die Lippen.
"Ich hätte es wissen müssen, selbstverständlich benützt sie ein starkes Deodorant, das sie auch spät am Abend nicht verlässt. An einer Frau wie ihr ist alles künstlich. Die Haarfarbe, die Wimpern, die Fingernägel." dachte er. Sicher war er unfair, eine Frau in ihrem Alter musste auf sich achten, dennoch ließ seine Erregung wieder nach. Pendell wischte sich angeekelt mit dem Handrücken über die Lippen, richtete seinen Oberkörper auf und löschte das Licht der Nachttischlampe. Erst dann entledigte er sich seines Hemdes, denn er wollte seinen durch Wohlleben schwammigen Bauch verbergen.
Die Frau, sie hatte sich ihm mit dem Namen Mia vorgestellt, seufzte leise. Sie lag in ihrer Wäsche ausgestreckt auf seinem Hotelbett und harrte der Dinge. In keinem Augenblick hatte sie die Initiative übernommen, hatte sich aber auch nicht gesträubt.
Jetzt kam der Moment, die Hose auszuziehen, was Pendell, halb über ihr liegend, zu einer lächerlichen, akrobatischen Körperhaltung zwang. Glücklicherweise rutschte die Unterhose mit. Kurz spielte er mit dem Gedanken, auch die Socken loszuwerden, doch das hätte ihm den kümmerlichen Rest seiner Libido genommen.
Es war an der Zeit, vorwärts zu kommen und er konzentrierte sich auf ihren kleinen, flachen Busen. Pendell zupfte eine Warze vorsichtig mit den Zähnen. Sie richtete sich unter der Berührung auf und Mia seufzte lauter. Der Autor begann angestrengt zu nuckeln, während er eine Hand unter ihren Slip schob. Schnell bildete sich Schweiß auf seiner Stirn. Mias Finger rutschten an seinem Körper herab, über den Bauch, den er einzog, über seinen Hintern, den er spannte, wieder nach vorn. Für einen kurzen Moment hielten beide den Atem an. Er bildete sich ein, trotz der Dunkelheit einen strafenden Blick zu spüren. Resigniert drehte er sich von ihr weg, auf den Rücken, atmete schwer.
"Ich weiß nicht, was mit mir ist." stieß er zwischen den Zähnen hervor.
"Vielleicht... wenn Du ihn in den Mund..."
Mia lachte plötzlich.
"Nicht böse sein, das ist... Ich kann nichts dafür." prustete sie. Pendell hatte große Lust, sie zu schlagen.
Sein Versagen nach einem immerhin hoffnungsvollen Beginn war allerdings nicht nur auf den frustrierend mechanischen Ablauf des Beischlafversuchs zurückzuführen, sondern in der Hauptsache auf eine neuerliche Begegnung mit der lästigen älteren Frau nach seiner Lesung, als er beim Buchverkauf noch schnell ein paar Exemplare seiner Werke signierte. Seine Eroberung Mia hatte sich bereits neben ihn gestellt und himmelte ihn an. Die Aula leerte sich langsam. Nur mehr wenige Gruppen standen herum und unterhielten sich. In eine dunkle Ecke gedrückt hatte die ältere Frau auf diesen Moment gewartet. Nun kam sie unsicher näher. Sie hatte einen kleinen, untersetzten Mann im Schlepptau, der sich in ihren Rücken duckte und sich nur widerwillig von ihr an der Hand führen ließ. Pendell sah eine Konfrontation nahen, der er ausweichen wollte. Er wand sich an Parma, der gelangweilt hinter ihm stand.
"Fahren Sie mich zurück in die Stadt?" Parma nickte. "Dann aber schnell; ich habe es eilig."
"Ich muss hier noch aufräumen und zum Hausmeister. Eine halbe Stunde dauert es sicher noch." zögerte Parma.
"Wenn Sie wollen, kann ich sie doch mitnehmen, Herr Pendell." mischte sich Mia ein. Sie hatte ihr Stichwort nicht verpasst. Der unangenehme Abend würde ein gutes Ende nehmen. Pendell nahm Mia kurzentschlossen am Arm und zog sie zum Ausgang, ohne sich von Parma zu verabschieden. Der sah neidisch hinter dem Autor her. Doch Pendell war zu langsam. Das ältere Paar schnitt ihm den Weg ab; er konnte ihnen nicht ausweichen. Die Frau baute sich wie eine unüberwindliche Festung vor ihm auf.
"Herr Pendell, ich möchte Ihnen meinen Mann Holger vorstellen; er ist ein großer Bewunderer von Ihnen."
Sie zerrte Holger vor den Autor. Der lächelte dumm und Pendell witterte sofort die Gefahr.
"Er hat heute Ausgang." fuhr die Frau fort. "Sie müssen keine Angst haben, er ist ruhig, wenn ich bei ihm bin."
"Bitte?"
"Holger, das Dr. Pendell."
Holger nickte, sah sich aufgeregt um, dann beugte er sich vertraulich vor. Er sah Pendell nicht in die Augen, musterte stattdessen Mia skeptisch.
"Wir müssen reden, aber nicht hier. 'Sie' sind hier. Sie wissen ja."
"Bitte?" wiederholte Pendell. Wollten sich die beiden über ihn lustig machen? Holger kam noch einen halben Schritt näher.
"Ich habe Informationen von höchster Wichtigkeit für Sie. Ich habe eine Verbindung. Aber nicht hier, hier haben die Wände Ohren."
"Wovon reden Sie denn, guter Mann?" fragte Pendell und wünschte sich weit weg. Holger nickte.
"Sie haben recht, wir reden besser nicht darüber. Stellen wir uns dumm, das ist sehr geschickt. Ich sage nur: 'Sie sind unter uns'."
Pendell hob überrascht die Augenbrauen. 'Sie sind unter uns' war der Titel des ersten Buches, mit dem er Öffentlichkeit erreicht hatte, damals noch unter seinem alten Künstlernamen Severin McBain. Er war entsetzt, dass jemand seinen guten neuen Namen mit diesem Titel in Verbindung brachte. 'Sie sind unter uns' war ein reißerisches Machwerk über die überlebenden Nachkommen des verlorenen zehnten Planeten unseres Sonnensystems zwischen Mars und Jupiter, die, nachdem sie ihn selbst zerstört hatten, nun seit Jahrtausenden unerkannt auf der Erde lebten und die Menschheit konspirativ unterwanderten, um sie zu vernichten.
Pendell war sehr jung gewesen, als er dieses Buch geschrieben hatte. Damals war er ein völlig erfolgloser Science-Fiction-Autor gewesen, der nur mal ein paar Kurzgeschichten in verschie-denen 'Fanzines' untergebracht hatte. Mit 'Sie sind unter uns' hatte er umgesattelt, hatte einfach den Plot seines ersten Romanes in einen pseudowissenschaftlichen Reißer verwandelt und was dem Roman versagt blieb,gelang dem 'Sachbuch'. Er war in eine Marktlücke gestoßen und fand einen interessierten Verlag.
Das Buch verkaufte sich ordentlich. Pendell fand Obhut bei einem intelligenten, ausreichend skrupellosen Lektor, der sein Nestor wurde, mit ihm arbeitete und aus ihm Dr. phil. Eraban Severin Pendell machte, den bedeutenden populärwissenschaftlichen Sachbuchautor. Den Dr. hatte er übrigens vom Searscollege in Milwaukee/Wisconsin gegen eine üppige Spende verliehen bekommen.
Plötzlich mit seiner unrühmlichen Vergangenheit konfrontiert zu werden, passte dem Autor nicht. Sollte er abstreiten, dieses Buch geschrieben zu haben? Holger nickte ihm verschwörerisch zu und nahm wieder demütig seinen Platz im Rücken seiner Frau ein. Pendell öffnete den Mund, um etwas Geistreiches zu sagen, aber ihm fiel nichts ein. Mia, seine attraktive Begleiterin, lachte auf, doch ein böser Blick der älteren Frau ließ sie verstummen.
"Da sehen Sie, was Sie und ihre Kollegen aus ihm gemacht haben." Sie strich Holger zärtlich durch das schüttere, wirre Haar. "Er war zwanzig Jahre lang ein guter Mann. Dann hat er dieses Buch von Ihnen in die Hände bekommen; und dann noch viele weitere von Ihnen und von Däniken und Buttlar. Ich dachte, das ist nur eine Marotte und vielleicht nicht die Schlechteste. Ich dachte, Lesen bildet. Dann hat er sich verändert. Zuerst habe ich es nicht bemerkt. Er wurde krank, konnte nicht mehr arbeiten. Er zog sich von mir zurück. Dann hat er versucht, unsere Tochter zu töten. Er war der Meinung, ein Wesen aus einem UFO hätte ihren Geist durch seinen ersetzt; er wollte sie erwürgen."
Eine längere Pause entstand.
"Das ist ja schon furchtbar, aber..."
"Seit damals ist er in der Anstalt. Es war eine schlimme Zeit." Sie schob Holger wieder nach vorn. "Da sehen Sie, was Sie aus ihm gemacht haben. Schauen Sie ihn sich an."
Holger lächelte höflich.
"Sie sind unter uns." flüsterte er. Pendell schloss die Augen und wünschte sich erneut an einen anderen Ort. Die Teleportation gelang ihm nicht. Ein Loch der Peinlichkeit tat sich vor ihm auf. Der Zeitpunkt für einen schnellen Entschluss war gekommen.
"Das ist zwar höchst ärgerlich..." sagte er. Aber nicht für mich, zitierte er Wilhelm Busch in Gedanken weiter. Er fuhr allerdings anders fort:
"Für die psychische Labilität Ihres Mannes ist jedoch nicht meine Literatur verantwortlich zu machen." Er zog Mia mit sich zur Seite.
Diesmal wollte sich die ältere Frau nicht abschütteln lassen. Sie machte die Bewegung mit, ihren Mann stehenlassend, der ein paar unverständliche Worte murmelte.
"So kommen Sie mir nicht schon wieder davon! Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?"
Pendell atmete scharf aus und sah sich hilfesuchend um. Mia legte den Kopf schief und beobachtete ihn aufmerksam. Sie erwartete offenbar gespannt seine Entscheidung. Parma näherte sich aus einer Ecke des Saales. Er hatte endlich bemerkt, dass sein Autor in Unannehmlichkeiten geraten war. Pendell winkte ihm und der Vertreter der VHS beschleunigte seinen Schritt.
"Ich werde belästigt, würden Sie bitte...?"
Beflissen drängte sich Parma zwischen die beiden Paare, die Arme beschwichtigend ausgebreitet. Diese Geste stand dem großgewachsenen Mann gut. Er wirkte einschüchternd. Pendell nutzte Parmas Rücken zur Flucht. Er vermied es, sich noch einmal umzusehen, obwohl er hörte, wie die ältere Frau nun zu weinen begann.
Er ließ sich von Mia in ihrem Combi in ein Nachtcafe fahren. Während er flirtete, trank er zu seinem Espresso drei Cognac, um die unerfreuliche Szene zu vergessen. Es gelang ihm nicht.
Jetzt, spät in der Nacht, lag er neben Mia in seinem Hotelbett und hatte das verhärmte Gesicht der älteren Frau vor Augen, in deren Blick nicht nur der verzweifelte Wunsch nach Hilfe stand, sondern auch Zorn und Hass. Aber er konnte nicht helfen, er trug keine Verantwortung. Dennoch nagten Gewissensbisse an ihm.
Pendell ballte eine Faust. Er wusste, gleich würde es Mia leid sein und gehen. Ihm musste schnell etwas einfallen, um auf Touren zu kommen. Doch sie überraschte ihn: Er spürte plötzlich, wie die Frau ihn auf den Bauchnabel küsste, mit nasser Zunge nach unten rutschte. Scheinbar hatte sie sich doch dazu durchgerungen, auf seinen Vorschlag einzugehen und die Initiative zu ergreifen. Sie begann sich intensiv mit seinem schlaffen Geschlecht zu befassen, aber ihr Erfolg war nur gering. Pendell krallte die Hände in den Bettbezug. Wo war sie hin, seine Lust vom Abend, als er das Gemälde auspackte?
Siedend heiß fiel ihm das Bild ein, wie eine Vision leuchteten die Farben vor seinem inneren Auge. Gleichzeitig kehrte die Lust mit Macht zurück und Mia bekam plötzlich einiges zu schlucken. Mit einer hektischen Drehung entkam er der zärtlichen Umklammerung.
"Warte!" rief er erregt.
"Warte!" und stürzte aus dem Zimmer. Mia sah ihm verständnislos hinterher.
Euphorisch trug Pendell sein Ölgemälde wie im Triumph in den Raum, machte mit dem Ellenbogen Licht, stellte den Rahmen auf das Bett. Mia setzte sich blinzelnd auf und sah ihm schweigend zu. Sie mochte einiges gewohnt sein, denn Pendells Verhalten schien sie nicht aus der Fassung zu bringen.
Nichts erschien dem Autor nun an seiner nur mit Socken bekleideten Erscheinung und seinem Wohlstandsbauch lächerlich, viel zu beschäftigt war er mit seiner Idee. Stark erregt richtete er das Bild günstig gegen einen Bettpfosten, dann kniete er sich hinter Mia, betrachtete das Gemälde, während seine Hände wanderten und an ihrem Slip zerrten.
"Merkst Du es?" keuchte er ihr ins Ohr. "Fühlst Du diese Ausstrahlung!"
Er drängte sie nach vornüber in die Hocke, schob ihr energisch den Slip herab. Es war nicht gerade Mias bevorzugte Stellung beim Geschlechtsverkehr, aber sie war viel zu erstaunt, um sich zu wehren. Sie sah verblüfft auf die belanglos bunte Waldlandschaft, während Pendell gierig in sie drang und überstürzt zu Ende kam.
"Merkst Du es?" ächzte er. "Das Bild!"
Mia war versucht, mit den Schultern zu zucken, doch in ihrer Stellung war ihr das nicht möglich. So schüttelte sie nur sanft und enttäuscht den Kopf.
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hks
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