Polen stand nach dem Ersten Weltkrieg vor einer Neugründung. Sein neues Staatsgebiet sollte zwar nach den vom Wilson ausgerufenen Selbstbestimmungsrecht der Völker präjudiziert [das Selbstbestimmungsrecht ist die Basis politischer Neubildungen] werden; allerdings jedoch wäre das auf ein kleines und meerunangebundenes Gebiet zwischen Rußland, dem Baltikum, Rumänien, der Tschechoslowakei und dem Reich hinausgelaufen, unbedeutend genug, um nicht als Machtfaktor im östlichen Mitteleuropa Geltung erreichen zu können. Das konnte nicht im Interesse der westlichen Siegermächte liegen, also wurde das Selbstbestimmungsrecht kurzerhand zugunsten imperialistischer Machtpolitik gekippt und ein Gebiet zum Staatsgebiet bestimmt, in dem etwa die Hälfte der Bevölkerung nichtpolnisch war, v.a. Juden, Deutsche, Ukrainer, Weißrussen und Slowaken. Die Polen, unzufrieden mit den ihnen zugewiesenen Gebieten, kompensierten eine fehlende machtpolitische Tradition, indem sie zuerst gegen ihre einstigen Peiniger, Russen und Deutsche, vorgingen und sich dann gegen alle anderen nationalen Minderheiten wandten und auch nicht davor zurückschreckten, ihre Staatsgrenzen zu überschreiten, denn die Umwohner waren militärisch weitgehend wehrlos. Neben dieser äußeren Aktivität prägte die dünne polnische Intelligenz eine nationalistische Ästhetik aus, die die polnische Nation als Gesamtkunstwerk stilisierte.[1] Faschismus. Diese Politik war gewollt und wurde von den Mächtigen im Westen gedeckt. Polen, wie auch die Tschechoslowakei bildeten sich in Verneinung zu ihrer langen Eingebundenheit in deutsche Staatsformen. Sie benötigten die politische und militärische Unterstützung der Westmächte und gerieten so in deren Abhängigkeit. Sie weigerten sich, die Millionen Deutschen, die in ihrem Staat lebten, als Gleichberechtigte anzuerkennen, gleichwohl diese Deutschen die größte Steuerbelastung trugen. Im Gegenteil: vertragliche Regelungen der Handelsbeziehungen wurden ausgesetzt, um die fest in deutscher Hand seiende Industrie zu schädigen; statt dessen suchte man auch wirtschaftlich eine Annäherung an den Westen, was aber nicht gelingen konnte, weil der die slawischen Händler und wenigen Industriellen nicht schätzte.polnisches_tiefland.jpg
Um 1935 holte Polen zum finalen Schlag aus. Der polnische Führer, Pilsudski, hatte nicht begriffen, daß er nur eine Schachfigur, ein Bauer, geopolitischer Strategen war. Roosevelt brachte Polen in seiner Quarantäne-Rede 1937[2] in Stellung, als er klarstellte, daß 90% der Weltbevölkerung sich nicht von den übrigen 10% (das Reich, Japan, Italien) würden bedrohen lassen dürfen. Zugleich sandte Roosevelt Aufforderungen an Mussolini und Hitler, von militärischen Aktionen für alle Zeiten abzusehen. Das eröffnete Polen politische und militärische Möglichkeiten, was Pilsudski dazu nutzte, sich stärker gegen das Reich zu positionieren, auch Juden und Deutsche auszuweisen, auch kleine Grenzscharmützel zu initiieren und bezahlte Banden zu räuberischen Grenzüberschreitungen anzustiften. Roosevelt verfolgte damit neben dem außenpolitischen Ziel einer Machteindämmung Hitlers auch das innenpolitische Ziel, von den 1937 immer noch spürbaren Folgen der Weltwirtschaftskrise abzulenken und der amerikanischen Wirtschaft die Aussicht eines neuen Krieges zu schaffen, der bei geringem Zerstörungspotential Amerikas gigantische Profite versprach. Polen war das Bauernopfer, das hierzu dienen sollte, denn erstens lag es an der Schnittstelle der geopolitischen Interessen seiner östlichen (russische Weltrevolutionsphantasien) und westlichen (nationalsozialistische Ostexpansion) Nachbarn, zwei aggressiven Staaten mit starker Armee; zweitens wäre Polens Verlust leicht zu verschmerzen, denn seine wirtschaftlichen und politischen Ambitionen waren vergleichsweise marginal. Drittens könnte eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Polen und dem Reich die Initialzündung für langfristige wirtschaftliche Vorteile Amerikas abgeben. Polen mußte zudem dazu dienen, das Reich an einem Bündnis mit Rußland zu hindern, denn England und Amerika mußten um 1937 nur ein Szenarium verhindern, daß nämlich deutsche Technik und russische Ressourcen zusammengingen. Vage schwirrte auch noch eine vierte Möglichkeit umher: das Reich vereinigte unter seiner Führung Europa und sicherte sich über Englands Kolonien die Rohstoffzufuhr. Diese vierte Möglichkeit wurde besonders in der britischen Elite diskutiert, die darin eine mögliche Zukunft ihres Empire und aufgrund von Hitlers Rassenwahn ihren Führungsplatz in dieser Weltordnung behaupten zu können glaubten.
Allerdings wußte man in Polen um diese Zeit bereits, daß Britannien schon längst nicht mehr mächtig genug war, um strategische Entscheidungen fällen zu können. Der polnische Botschafter in Paris kabelte nach einem Gespräch mit seinem amerikanischen Kollegen Bullitt nach Warschau: „Die Vereinigten Staaten verfügen England gegenüber über verschiedene und ungeheuer wirksame Zwangsmittel."[3]
Die polnische Politik um 1938/39 zielte auf die Konstruktion Großpolens. So nutzte die polnische Regierung die geschwächte Tschechoslowakei 1938 zur Annektion eines deutschsprachigen Gebietes um Teschen. Ohne Unterstützung des Westens wäre diese Grenzänderung kaum möglich geworden. Berlin nahm Verhandlungen mit Polen auf, als die wegen des Bahnknotenpunktes Oderberg/Oberschlesien anfragten, welche Kompensation Polen für dieses seit 1938 zum Reich gehörige Gebiet erhalten würde. Berlin lenkte ein und gab das Gebiet, obgleich mehrheitlich von Deutschen bewohnt, an Polen, bedang sich aber ein Nutzungsrecht der Bahnstrecke aus - gegen entsprechende Bezahlung in Reichsmark. Polen willigte ein. Ein Jahr später, bei der Krise um Danzig, willigte es in einen ähnlich lautenden deutschen Vorschlag nicht ein. Britannien hatte Handlungsvollmacht erteilt. Polen wollte Krieg.
[1] in zeitlicher, räumlicher und gesellschaftlicher Dimension ausgeführt bei Ulrich Schmid: Schwert, Kreuz und Adler. (Wiesbaden 2014.)
[2] als besonders perfide in Roosevelts Rede mag folgende Textstelle gelten können: „Amerika verabscheut den Krieg. Amerika hofft auf Frieden. Deshalb ist Amerika nach Kräften bemüht, an der Sache des Friedens mitzuwirken.“ („Roosevelt spricht“, 1945, Bermann-Fischer-Verlag, Stockholm, a.a.O.) Das sagt der Präsident eines Landes, das seit seiner Gründung über 200 Kriege in aller Welt anzettelte und anzettelt und Millionen Ureinwohner nach Kopfprämie und mit Präsidentenbefehl ermorden ließ.
[3] Thorsten Hinz: Visite beim stolzen Vasallen. (In: Junge Freiheit, 27/2014, S. 20.)
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