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Nachtstücke
"O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
- Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh sprich: Vergeh!
Doch alles Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit! -
["Also sprach Zarathustra", von F. Nietzsche]
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Mitgestalter
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- 24
Der Teufel und der liebe Gott
"Ich komme zu Dir, Herr, ich wandere in deiner Nacht: Gib mir die Hand. Sag: Die nacht bist Du, nicht? Die Nacht, die quälende Abwesenheit von allem! Denn Du bist der, der in der universellen Abwesenheit anwesend ist, der, den man hört, wenn alles Stille ist, der, den man sieht, wenn man nichts mehr sieht. Alte Nacht, große Nacht vor den Wesen. Nacht des Nichtwissens, Nacht des Unheils und des Unglücks, verbirg mich, verschlinge meinen unreinen Leib, schlüpfe zwischen meine Seele und mich selbst und verzehre mich. Ich will die Entblößung, die Schmach und die Einsamkeit der Verachtung, denn der Mensch ist dazu da, den Menschen in sich selbst zu zerstören und sich wie ein weiblicher Schoß dem großen schwarzen Leib der Nacht zu öffnen. Willst du dahin gelangen, alles zu besitzen, verlange in in nichts etwas zu besitzen. Willst du dahin gelangen alles zu sein, verlange in nichts etwas zu sein. Ich werde mich tiefer als alle anderen erniedrigen, und Du, Herr, wirst mich in den Netzen Deiner Nacht fangen und mich über sie erheben."
[Götz in "Der Teufel und der liebe Gott", von J.-P. Sartre]
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rodbertus
Status: ungeklärt
Der Teufel und der liebe Gott
Alle Lust will Ewigkeit, allerdings fehlt es am anderen Ende auch nicht: Ewigkeit braucht keine Lust, was sie nicht hindert, selbst Lust zu sein, für manchen. Nein, sie benötigt keine Lust, denn was macht Ewigkeit aus: Fülle - N. meinte nicht umsonst hier einen epikureischen Satz annehmen zu dürfen: Nehmt alles nur in allem: Ich bin ein Epikureer (kein Epiker). Da hast Du Deine Verbindung, die zwischen Lust und Ewigkeit: Das Zauberwort heißt ALLES. Wir nehmen alles nur in allem.
Sartre war und bleibt ein Oberflächler, der solche Gründe gerne bereiste, allerdings nur als Tourist. Das war sein Problem, und er wußte das.
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- 24
Der Teufel und der liebe Gott
"Abwärts wend ich mich
Zu der heiligen, unaussprechlichen
Geheimnißvollen Nacht -
Fernab liegt die Welt,
Wie versenkt in eine tiefe Gruft
In süßer Trunkenheit
Entfaltest du die schweren Flügel
des Gemüths.
Und schenkst uns Freuden
Dunkel und unaussprechlich
Heimlich, wie du selbst, bist
Freuden, die uns
Einen Himmel ahnden lassen.
Wie arm und kindisch
Dünkt mir das Licht,
Mit seinen bunten Dingen
Wie erfreulich und gesegnet
Des Tages Abschied.
Also nur darum
Weil die Nacht dir
Abwendig macht die Dienenden
Säetest du
In des Raums Weiten
Die leuchtenden Kugeln
Zu verkünden deine Allmacht
Deine Wiederkehr
In den Zeiten deiner Entfernung.
Himmlischer als jene blitzenden Sterne
Dünken uns die unendlichen Augen
Die die Nacht
In uns geöffnet."
["Hymnen an die Nacht", von Novalis]
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Der Teufel und der liebe Gott
"Nicht nur die Morgen alle des Sommers -, nicht nur wie sie sich wandeln in Tag und strahlen vor Anfang. Nicht nur die Tage, die zart sind um Blumen, und oben, um die gestalteten Bäume, stark und und gewaltig. Nicht nur die Andacht, nicht nur die Wiesen am Abend, nicht nur, nach spätem Gewitter, das atmende Klarsein, nicht nur der nahende Schlaf und ein Ahnen, abends... sondern die Nächte! Sondern die hohen des Sommers, Nächte, sondern die Sterne der Erde. O einst tot sein und sie wissen unendlich, alle die Sterne: denn wie, wie, wie sie vergessen!"
[aus der 7. Elegie, von R.M. Rilke]
und weiter steht da, lb. Robert:
"Denn eine Stunde war jeder, vielleicht nicht ganz eine Stunde, ein mit den Maßen der Zeit kaum Meßliches zwischen zwei Weilen -, da sie ein Dasein hatte. Alles. Die Adern voll Dasein." ...
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- 24
Der Teufel und der liebe Gott
" Nachts
Am Himmel steht ein kaum lebendiger Mond
In dünnen Wolken, die im Licht zerfließen;
Vor dem Palasttor starrt der Posten düster
Zum Turmuhrzeiger, der nicht weiterkommt.
Nach Hause geht die ungetreu Frau
Auf kleinen Schritten, nachdenklich und streng,
Die treu, fest vom Schlaf umarmt, vergeht
In unlöschbarer Angst, die sie verbrennt.
Was gehen sie mich an? Ich hab der Welt
Seufzend Lebwohl gesagt vor sieben Tagen.
Es ist dort drückend, und ich schlich ins Feld,
Am sternbespannten Himmel die Leier schlagen."
["Gedichte", von Anna Achmatowa]
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- 24
Der Teufel und der liebe Gott
"Nachtlied
Über nächtlich dunklen Fluten
Sing' ich meine traurigen Lieder,
Lieder, die wie Wunden bluten.
Doch kein Herz trägt sie mir wieder
Durch das Dunkel her.
Nur die nächtlich Fluten
Rauschen, schluchzen meine Lieder,
Lieder, die von Wunden bluten,
Tragen an mein Herz sie wieder
Durch das Dunkel her."
["das dichterische Werk", von Georg Trakl]
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- 24
AW: Nachtstücke
carpe noctum
diese Nächte waren einzigartig,
durchdrungen
von gregorianischen Gesängen, Weihrauch und
Kerzenschein
waren sie
ein einsames, doch segensreiches
Fest -
Schönheit umgarnte die Lieder
aus der Dunkelheit und
Worte wurden Wahrheit -
um Mitternacht stieß
der Pfeil ins
Herz,
Blut war der Quell
der Morgenröte -
diese Nächte waren vollkommen,
waren Tränen im Feuer und
unendlicher Schmerz -
sie stiegen aus dem
Ur der Zeiten und
wurden Fluß,
wurden Meer
in das wir schwammen -
in diesen Nächten
wurde das Gestalt,
was wir als Sterne
nur erahnten -
die ewige Liebe...
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- 24
AW: Nachtstücke
"Sieh die Sterne, die Fänge
Sieh die Sterne, die Fänge
Lichts und Himmel und Meer,
welche Hirtengesänge,
dämmernde, treiben sie her,
du auch, die Stimmen gerufen
und deinen Kreis durchdacht,
folge den schweigenden Stufen
abwärts dem Boten der nacht.
Wenn du die Mythen und Worte
Entleert hast, sollst du gehn,
eine neue Götterkohorte
wirst du nicht mehr sehn,
nicht ihre Euphratthrone,
nicht ihre Schrift und Wand -
gieße, Myrmidone,
den dunklen Wein ins Land.
Wie dann die Stunden hießen,
Qual und Tränen des Seine,
alles blüht im Verfließen
diese nächtigen Weins,
schweigend strömt die Äone,
kaum noch von Ufern ein Stück -
gibt nun dem Boten die Krone,
Traum und Götter zurück."
["ausgewählte Gedichte", von Gottfried Benn]
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Mitgestalter
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- 24
AW: Nachtstücke
"Ihn ritt die Nacht, er war zu sich gekommen,
der Waisenkittel wahr die Fahn,
kein Irrlauf mehr,
es ritt ihn grad -
Es ist, es ist, als stünden im Liguster die Orangen,
als hätt der so Gerittene nichts an
als seine
erste
muttermalige, ge-
heimnisgesprenkelte
Haut."
["Lichtzwang", von Paul Celan]
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Mitgestalter
- Renommee-Modifikator
- 24
Nachtblick
Nachtblick
wie eine abgezogene Granate,
der Augenblick vor der Explosion,
die
das Platzen des Herzens,
den Wahnsinn,
die Erleuchtung oder
den Tod
bedeuten könnte -
bleib stehen, Fremder,
verharre, obwohl
der Sand der Zeit
mühsam doch stetig
durch die schmale Öffnung der
Eier-Turm-Uhr -
DONGDONGDONGDONGDONGDONG
DONGDONGDONGDONGDONGDONG -
Mitternacht schlägt mitten
ins Gesicht und
Tinte wie Nasenbluten aufs
frische Papier -
ein Sturm kommt auf,
gib acht
und hülle die Worte
bevor sie entfachen,
was glüht -
ein Mäntelchen für jeden Buchstaben... -
da kehrt Stille ein,
verweilt wie ein
müder Engel -
Lächeln durchflutet den
durchsetzten Raum und
friedvoll plätschert
draußen
der Bach!
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Resurrector
- Renommee-Modifikator
- 28
AW: Nachtblick
- erinnert mich an Hölderlin; merkwürdig sind diese Analogie zum einst plätschernden Bache, der in der schwäbischen Heimat das DAHEIM markierte
- man muß noch sehr viel Unrat in sich spüren, will man Dir dahin folgen, von wo aus Du das schreibst
- ist gut und gefällt mir
Heute ist ein Tag, an dem ich mir's im Allgemeinen behaglich mache. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, die Raben wissen nicht, was sie hier noch wollen, auf den Wipfeln liegt kein Schnee, es malt die Sonne Fratzen ins Gesicht. So kann ich Deinem Plätschern lauschen, zumal der Bach, da draußen, schwillt und schwillt.
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Tochter aus gutem Hause
- Renommee-Modifikator
- 21
AW: Nachtstücke
Gezählte Tage (Peter Huchel)
Aubade
I work all day, and get half-drunk at night.
Waking at four to soundless dark, I stare.
In time the curtain-edges will grow light.
Till then I see what's really always there:
Unresting death, a whole day nearer now
[...]
(Philip Larkin)
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Tochter aus gutem Hause
- Renommee-Modifikator
- 21
AW: Nachtstücke
Und die minderjährige Witwe
Deren Namen jeder weiß
Wachte auf und war geschändet
Mackie, welches war dein Preis
Und die Fische, sie verschwinden
Doch zum Kummer des Gerichts
Man zitiert am End den Haifisch
Doch der Haifisch weiß von nichts
Und er kann sich nicht erinnern
Und man kann nicht an ihn ran
Denn ein Haifisch ist kein Haifisch
Wenn man's nicht beweisen kann
Brecht
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Tochter aus gutem Hause
- Renommee-Modifikator
- 21
AW: Nachtstücke
Tuesday September 11 8:56 AM ET
Plane Crashes Into World Trade Center
NEW YORK (Reuters) - A plane crashed into one of the twin towers of the World Trade Center Tuesday, witnesses said.
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Tochter aus gutem Hause
- Renommee-Modifikator
- 21
AW: Nachtstücke
Atta unsar thu in himinam,
weihnai namo thein.
qimai thiudinassus theins.
wairthai wilja theins,
swe in himina jah ana airthai.
hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga.
jah aflet uns thatei skulans sijaima,
swaswe jah weis afletam thaim skulam unsaraim.
jah ni briggais uns in fraistubnjai,
ak lausei uns af thamma ubilin;
unte theina ist thiudangardi
jah mahts jah wulthus in aiwins.
amen.
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resurrector
Status: ungeklärt
AW: Nachtstücke
auf fortsetzung wartet...
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Kurzvormabschussiger
- Renommee-Modifikator
- 0
AW: Nachtstücke
Untertänig ziehn die Sterne
um des Mondes Hof im Osten
und der Wald scheint einzurosten
auf den Hügeln, doch der ferne
blaue Berg steigt steil.
Zornig zieht ein Keil
schwarzer Vögel in die grüne
Himmelshälfte eine kühne
Bilderschrift hinein.
Unterm Brunnenstein
rauscht das Wasser jetzt viel wilder
als am Tag und die Bilder
oben rauschen auch.
Trotzdem wächst in mir die Stille,
untertänig beugt mein Wille
sich zum Dornenstrauch.
[Christine Lavant, Gedichte]
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