Mein traurig Herz hängt schwer in meiner Brust, pumpt übervoll nur noch den schuldigen Takt. Ich möchte, ich will Dir ja einen Brief schreiben... doch ich kenne Dich nicht, habe Dich noch nie gespürt. Ich weiß zwar, daß Du mich suchst, daß sich jede Faser Deines von mir so geliebten Körpers nach mir sehnt, doch warum findest Du mich eigentlich nicht? Und glaube mir, daß ich Dich mein ganzes lüsternes Leben lang gleichfalls gesucht habe... fast verzweifelnd... überall in unserer Welt... in den verschiedensten, kaum überschaubaren Ländern, in allen Ecken, doch Du Einzige bist so verdammt schwer zu entdecken!
Wo wirst Du verborgen gehalten? Oder verbirgst Du Dich mit Absicht vor mir, spannst mich noch auf eine süße Folter? Warum? Mich verlangt nach Dir und ich brauche Dich jetzt... fleischlich... brutal!
Ich schreibe Dir jetzt den Brief, und Du wirst ihn lesen! Das ist ein Befehl!
Doch vielleicht gibt es Ausreden, Du bist Dir nicht sicher, glaubst es einfach noch nicht. Gut, ich versuche das zu verstehen, obwohl ich genaue Vorstellungen von Dir habe. Ich werde sie Dir schildern, auf daß Du Dich erkennst... auf daß Du endlich weißt, zu wem Du gehörst... schon immer, und dann kannst Du nicht länger zögern!
In meinen ständig kreisenden Gedanken nenne ich Dich Bin, kleine keltische Nebengöttin von zierlicher Gestalt. Aber vielleicht bist Du auch fett? Mag sein, daß Du fett geworden bist, fett von der Sorge, mich niemals mehr ausfindig zu machen... und ich könnte Dich füttern, ich kann nämlich kochen. Nein, Du bist zierlich und keltisch... ist mir doch lieber. Obwohl keltisch muß auch nicht unbedingt sein... von mir aus auch Maori, Eskimosin mit lächelnden Augen, eine italienische Schlampe, eine thailändische Hühnerverkäuferin... bloß keine Amerikanerin und auch nicht blond... sonst jedoch völlig wurscht. DENN DU HEISST BIN! Erkennst Du Dich jetzt?
Und wenn Du, Bin, dann endlich nach dem zweihundertvierundsechzigsten multiblen Orgasmus gänzlich ermattet neben mir in die zerknüllten Laken sinkst, und Dein Kopf sich zart von Atem in meine rechte Schulter schlummert, dann werde ich Dir noch eine flüsternde Gute-Nacht-Geschichte erzählen; von dem kleinen Drachen mit den goldenen Augen, der durch Deinen süßen, halb geöffneten Mund in Deine Seele schlüpfte, um von ihr zu fressen.
Es war einmal ein kleiner Drache. Die Schuppen seines winzigen, wendigen Körpers rieselten in strahlenden Kristallen, die durch den Wind des Drachenfluges sangen. Seine zackigen Flügel schmückten sich mit changierenden Mustern aus dem Schimmern von Smaragd und Rubinen. Er konnte stolz auf sich sein, denn er war schön, und das schönste an dem kleinen Drachen waren seine Augen mit der Farbe alten Goldes, die die Weisheit des Erlebten aus uralten Ewigkeiten ahnen ließen.
Er konnte zufrieden sein mit dem Reichtum, der ihm verliehen, wenn da nicht eine winzige Kleinigkeit gewesen wäre, die alle Drachen stört: Er hatte keine Seele! Ihm wie auch allen anderen Drachen mangelte es an dem unstofflichen, unsterblichen Lebensprinzip alles Bewegten, und daher hatte er Hunger, ständig großen Hunger nach der einen reinweißen Seele. Und es war von Anbeginn aller Zeiten seine Bestimmung, sich Seelen zu finden, zu fressen und dann ein Stückchen zu wachsen.
Der kleine Drache hatte noch nicht viele Seelen gefressen - Bin, ich habe Dir erzählt, er war noch ein Winzling... aber Du kannst mich nicht hören, Du schläfst ja tief und fest - und daher nützte er schamlos die günstige Gelegenheit, um zwischen Deine durch das Feuer meiner Leidenschaft reingeküßten Lippen zu dringen und Deine weiße Seele zu finden. Er sah sich um, kostete ein wenig, fühlte sich zuhause, fraß, wuchs, fraß und wuchs letztendlich zu einem dicken, fetten, zufriedenen und gänzlich unerotischen Hausdrachen.
Scheiße, totalmüßige Scheiße... aber ich kann das ertragen, ich werde damit leben, denn ich habe Dich lieb. Schon jetzt! Aber bitte, ich flehe Dich an, bewahre mir einen Rest Deiner Seele.
Lesezeichen