Deutsche Historiker sahen in der Zurückweisung der alliierten Kriegsschuldthese geradezu eine nationalpolitische Aufgabe. Dabei waren sich Angehörige fast aller politischen Richtungen in der Ablehnung des „moralisch-sittlichen Fundaments“ des Vertragswerkes einig. Aber bereits einige zeitgenössische Historiker äußerten Bedenken gegen eine zu einseitige Ausrichtung der Weltkriegsforschung auf die Frage nach der „Schuld“, da dieser Begriff nicht in den Sprachschatz der akademischen Geschichtsschreibung gehöre; statt dessen müsse sie mit den Kategorien „Ursachen“ und „Folgen“ arbeiten. Zudem dürfe das Verhalten der am Krieg beteiligten Staaten nicht nur an moralischen Maßstäben gemessen werden, da damit der Notstaatsgedanke untergraben werde, den man als wesentlichen Bestandteil des nationalen Bewußtseins betrachtete. Vielmehr müßten statt dessen als Fragen zur Vorgeschichte und Entstehung des Weltkrieges gestellt werden, ob und inwieweit die führenden Staatsmänner des Reiches ihrer Pflicht nachgekommen seien, angesichts der Bedrohung durch die europäischen Großmächte und der geopolitischen Lage die Machtstellung Deutschlands zu sichern oder sogar auszubauen. (Jäger, Historische Forschung) |
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