CHRISTIAN HALPAAP
Als mir die Nachricht von seinem Tod überbracht wurde, reagierte ich zynisch: "Fernseher einschalten, sich davor setzen und zu Tode langweilen... Was für ein Abgang!"
Der Ausdruck "Einer von den Lieben" war selten angemessener. Ich nahm den Bericht vom Erlöschen seines Universums mit der selben Gemütsregung zur Kenntnis wie ein Telefonbuch einen neuen Eintrag. Nur eine Information, mehr nicht. Ich spürte nichts, bestellte mir drei Bockbiere in Memoriam und schüttete sie mir auf Ex rein. Er hätte das bestimmt zu würdigen gewußt. Dann schluckte ich zwei Valium und ging ins Bett. Das wohl weniger...
Am nächsten Tag implodierte mein Kosmos. Möönsch, Christian...erinnerst du dich noch?
Wie du auf die Schnelle eine Formel entwickeltest, welche den Bildschirmaufbau beschleunigt um meinen Ruf und eine Wette zu retten...
Wie du mir 20.000,00 DM schenken wolltest, damit ich dir den Weg frei mache zu deiner großen Liebe...
Wie du dich mit mir prügeln wolltest, weil deine große Liebe zu mir zurück kehrte...
Wie du dich daraufhin ausgerechnet mit meiner eigenen Pistole umbringen wolltest...
Wie du dich mit mir wieder vertragen mußtest, da wir einander brauchten um Geld zu machen: "Der Sexus ist ewig und währt bis zuletzt, doch wird er meistens leicht überschätzt" (R.G.)
Wie du mit mir gemeinsam eine Branchenlösung (Pro-Man) für unter 10.000,00 DM realisiertest, wo Rudi schon 300.000,00 DM investiert und aufgegeben hatte...
Wie du uns damit ein jahrelanges Einkommen sichertest...
Wie du die Stereoanlage vom Nachbarn aus dem Fenster warfst...
Wie du und ich das Opium nieder machten, welches ich im Gürtel aus Asien mitbrachte...
Wie du mir ein Fachbuch über relationale Datenbanken zu lesen gabst, und ich dabei zufällig über deinen Namen als Co-Autor stolperte...
Wie du dein eigenes Paßwort vergaßt und ich für dich den Jumper abklemmen mußte, da du doch so schlechte Augen hattest...
Wie du dich dafür schämtest und ich diesen Schmach nicht breittreten durfte...
Wie du mit mir gemeinsam ganz nebenbei die Erklärung für das alles entdecktest, wir sie dann aber leider wieder vergaßen, als die Wirkung vom Kokain nachließ...
Wie du als unangefochtener Meister der Schachtelsätze den Begriff "halpaapen" unserem Wortschatz beifügtest...(Ein echter Halpaaper dauert ca. 20 Minuten; die Regeln sind einfach in der Struktur, aber schwierig im Handling, denn es dürfen keine Satzendpunkte verwendet werden, außer am Ende eines Halpaapanfalls, aber es dürfen beliebig viele Sinnbruchstücke in beliebiger Folge mit einander verknüpft, doch sämtliche Nebensätze müssen folgerichtig zu Ende gebracht werden, und es darf sich kein Fehler in Tempus oder gar in der Deklination während des Schachtelsatzauf- und -abbaus nachweisen lassen, weshalb das hier auch kein echter Halpaaper ist, denn dann wäre es von hier bis 3 Kapitel weiter ein einziger Satz geworden.)
Wie du mir behilflich warst, der ich es FAST nicht übers Herz brachte, Sarahs Affinität in meine Richtung zu zerstörten...
Und... und... und...
Am Freitag den 11.02.2000 ist dein Klappsargkonzil. Ich wollt, ich wär an deiner Stelle. Prost.
DIE TRAUERFEIER
Wie zeigt man seine Trauer in Gegenwart von Leuten, die man nicht kennt. Ich versteckte mich in der letzten Reihe und zog ein Stoneface, was mir auch leicht fiel, da ich stoned war. Christians Schwester hatte ihre Liebe und Betroffenheit menschlich überzeugend dargebracht mit Musik von Iggi Pop, Patti Smith (We shall live again) und Ben Yomen mit einem a capella Stück in jiddisch. Dazu ein Gedicht von Kurt Marti, in dem ich mich selber teilweise wiederfand. Ja, das war noch eine Gemeinsamkeit von Christian und mir. Mir stand echt Pipi in den Augen und wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich vor Wut diese ganze Scheiß-Dekoration zerlegt:
es hat nie
an leuten gefehlt
die ihn
auf den besseren weg
zu bringen versuchten
es braucht sich
niemand
einen vorwurf zu machen
er aber wich
seinen ratern und rettern
geflissentlich aus
und wählte
meisten
den schlechteren weg -
oder was wir
den schlechteren nennen
es bleibt uns die frage:
ob vielleicht
der schlechtere weg
für ihn
der bessere war?
Nein, ich möchte nicht, daß sich irgendwer anläßlich meiner Einkuhlung irgend welche Positivismen rauswringt. Von mir soll es mal heißen: "Er wollte ein guter Mensch sein und versagte. Wie wir alle..."
Und das ist jetzt auch meine Leichenrede auf Christian: Wenn jeder Mensch ein Versuch Gottes ist, sich selber zu verwirklichen (Mal so als Arbeitshypothese), dann war er bei Christian schon etwas weiter als bei mir.
Abschließend: "Lautet die Antwort wirklich 42? Und kennst du jetzt auch endlich die dazugehörige Frage?"
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