Der Schatten des Eugen Drewermann oder Von Christus zu Shiva
Eine Streitschrift
Von Erwin Josef Streit
Der Theologe und ehemalige Priester Eugen Drewermann ist bei einem großen Publikum in Deutschland sehr bekannt. Als Privatdozent der theologischen Fakultät der Universität Paderborn lehrte er jahrzehntelang ein scheinbar friedlicheres, "vernünftigeres" Christentum. Viele glaubten und glauben seinen fast magischen, beschwörenden Worten, die ihn zu einem "Guru" der gebildeten Gottsucher machten. Der Preis des menschlichen Intellekts aber ist hoch und besteht in der Aufgabe des Glaubens an Christus den barmherzigen Erlöser aller Menschen und Seelen. Mit Hilfe der Hirnforschung, der Psychologie, der Ethologie und anderer Wissenschaften will Drewermann in einer "neuen Religion" den "Energiestrom des Religiösen 'richtig herumlenken'", und das Bild des Hindugottes Shiva zum zentralen Erlebnisinhalt machen.
So wie der Prophet des Absurden Jean Paul Sartre es versuchte Philosophie, also das Streben nach Weisheit mit seiner Lehre der Sinnlosigkeit zu verknüpfen, so ist bei Drewermann die Absicht zu erkennen, Liebe und brutale Gewalt in Gott zu vereinen.
Als ein Beispiel sei ein Abschnitt aus dem "Vater unser Gebet" angeführt, das Drewermann in einer eigenen Interpretation vor dem Dalai Lama und tibetischen München gebetet hat. So sprach er bei der Bitte: "Dein Reich komme": "Du bist die Kraft mit der die Löwin ihre Beute reißt. Dein Reich ist Liebe, Ordnung, Weisheit und oft schier unbegreifbare Gleichgültigkeit und Grausamkeit." (1) Gerichtet war die Bitte an einen Vater, der am Beginn des Gebetes unter anderem so angerufen wird: "Du rätselvolle, schreckliche Wirklichkeit hinter der widersprüchlichen Fülle der Erscheinungen."(2)
Um den Leser aufzuschrecken vor dieser "schrecklichen Wirklichkeit" und den Verrat an Jesus dem Christus aufzuzeigen sind die folgenden Zeilen aufgeschrieben.
Von Christus zu Shiva
Im Jahre 1971 veröffentlichte Eugen Drewermann seine wahrscheinlich erste Publikation in der Zeitschrift "Theologie und Glaube". Sie trug den Titel: "Gott der Natur - Gott der Offenbarung – Gegensätze“. Der Untertitel lautete: "Zwischen Shiva und Christus".
Schon damals sind die Grundhaltungen Drewermanns erkennbar, die in den weiteren dreißig Jahren sein Werk prägen werden.
In diesem Artikel versucht Drewermann den hinduistischen Gott Shiva Nataraja als notwendige Ergänzung zum christlichen Gottesbild darzustellen. So schreibt er: "Die Form des Shiva Nataraja ist das Symbol echter Anbetung und Verehrung, ein Zeichen tiefer Wirklichkeitserfahrung und der Begegnung mit der Macht des Alls in Wahrheit und in Gültigkeit, ein Merkmal weitherziger Selbstvergessenheit und lauterer Hingabe, ein zustimmender Einklang mit der Macht, die schöpferisch in allem lebt, in Widersprüchen sich erhält, vernichtet, scheinbar gleichgültig zerstört und wieder neu beginnt in einem unendlichen Kreislauf, der auf die Frage nach dem Sinn durch nichts anderes antwortet als durch sein alles Fragen abweisendes Dasein. Wir scheinen unter Schmerzen und Krisen, unter dem Anschein der Glaubenslosigkeit und des Glaubensverfalles, auf dem Weg zu dem Punkt jener gleichgültig-gelassenen, tanzenden Bejahung des Lebens in all seinen Erscheinungen, die das Bild des Shiva Nataraja widerspiegelt und den Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit verkörpert, die im Christentum bislang niemals, seit Giordano Brunos Zeiten Aufnahme gefunden hat, die aber dennoch wahr ist und die schon deshalb niemals aufgehört hat, an den Toren des Christentums und in dessen Untergrund um Einlass zu bitten.“ (3)
Was diese Verkörperung des "Ausdrucks einer tiefen Frömmigkeit" bedeutet, beschreibt Drewermann gleich eine Seite später :
"Der Shiva Nataraja tanzt. Kein Grund zur Klage liegt darin, wenn unter seinen Füßen tausende von Menschen sterben und sich das Leben durch Jahrmillionen der Armut, der Verelendung, der rohesten Gewalt, der hilflosen Unwissenheit, der Angst und Unfreiheit hindurchringt, hindurchringen muss, um wieder auf ein Ende zuzusinken in dem es abermals zugrunde geht."(4)
Dass dieses Gottesbild völlig unvereinbar ist mit dem Gottesbild Jesu Christi ist auch Drewermann klar. Da er aber eine "Höhere Form von Religiosität" stiften will, in der Gewalt und Liebe eine Einheit bilden, muß er selber mit aller Gewalt eine Synthese herzustellen, was er selber nur noch absolute Absurdität nennt.
Zitat: "Der Anspruch unserer Menschlichkeit geht in der Kälte einer kosmischen Einsamkeit zugrunde. Die Gesetze der Natur sind, wie wir durch die Erziehung des Christentums im Abendland gelernt haben entgegen dem indischen Glauben, nicht die Gesetze der Moral. Aber beide sind wahr; beide sind göttlich, nicht in abgestufter Rangfolge, sondern nebeneinander. Keinerlei Theorie vermag die Kluft zu schließen. Die Humanität entdeckt das Absurde, doch es gibt keine Absurdität der menschlichen Person ohne die Vorraussetzung einer absoluten Person. Als solche vermögen wir sie aber nicht in der Gestalt eines Schöpfers zu erblicken; wir entdecken sie in dem Symbol des gekreuzigten Christus, dieser Gestalt einer Person, die in Erniedrigung zertreten und zermartert wird und von der doch gesagt wird: Wer sie sieht, sieht den Vater. Die absolute Absurdität ist ein Glaube, der sich nur durch eine absolute Absurdität rechtfertigt; diese besteht christlich gesehen darin, dass es offenbar zwei Götter gibt, den Gott der Schöpfung, und den Gott in der Gestalt des Menschen, und der Vater opfert seinen Sohn und beide sind sie eins." (5)
In seinem ersten Artikel hat Drewermann noch die Unbefangenheit auszusprechen, was seinen Bemühungen zugrund liegt: "Absolute Absurdität !" Als späterer bekannter Theologe wird ihm dieses Bekenntnis nicht mehr über die Lippen kommen. Schlagworte seines Werkes werden nach außen hin nun sein "Neue Religion", "Menschlichkeit", "Erfahrung", "Vergöttlichung des Menschen".
Wie wir gesehen haben hat sich Drewermann schon von Anfang an gegen Christus und für Shiva entschieden, da er den auferstandenen Christus und die Erlösung der Menschen nicht annimmt und Christus in die Rolle dessen drängt und dort belässt, der "in Erniedrigung zertreten und zermartert wird". Es wird eines seiner Hauptziele werden das "Christus - Dogma" zu bekämpfen, um damit den Glauben an eine geistige Welt und die gütige Hand Gottes jenseits des verschlingenden Shiva-Kosmos zu zerstören, weil sein "Einheits-Dogma" nichts mehr außerhalb des Einen, sprich Eigenen duldet.
Ein unglaublicher Spiegel
1992 veröffentlichte Eugen Drewermann ein Buch mit dem Titel: "Giordano Bruno oder der Spiegel des Unendlichen." In diesem, in Romanform gehaltenen Buch zeigt sich die eigentliche Gedankenwelt Drewermanns klar und unverschlüsselt. Da es offiziell nur die Gedanken Giordano Brunos sind, spricht Drewermann seine eigene Überzeugung aus. Er leugnet den Sündenfall, verewigt die Materie und zeigt ganz offen seine Ablehnung des Christus.
In einem späteren Kapitel werden wir dann durch Auszüge aus dem offiziellen "theologischen" Werk das Glaubensbekenntnis des "Spiegel des Unendlichen" nachweisen.
Wie wir aus Drewermanns Shiva Artikel noch wissen, behauptet er, dass das Bild des Shiva Nataraja der "Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit" sei, die seit Giordano Bruno an den Toren des Christentums um Einlass bitte. Für Drewermann stellt sich diese Haltung Brunos nun im folgenden so dar:
v "Philosophisch bewohnte ich damals schon eine Welt, in welcher es weder Gutes gab, noch Böses, weder Schönes noch Hässliches, weder Nützliches noch Schädliches, sondern in welcher alles seinen Dienst tat, an seinem Ort und auf seine Weise..."(6)
v "Alle Dinge sind ebenso wichtig wie unwichtig... Genuss oder Pein sind nichts als Zustände in uns. Ebenso die Forderungen von Gut und Böse..., von Erhaben und Gemein... der herrlichste Panther lebt nicht ohne die Grausamkeit seiner Pranken... die Schurken und Feiglinge sind in der Hausordnung der Natur offenbar ebenso nützlich und nötig wie die Heiligen und Heroen. Ein jeder muss tun was er kann." (7)
v "Was es an 'Bösem' in dieser Welt gibt, entstammt nicht weniger den Händen des Schöpfers als all das, was wir als 'Schön' und 'Gut' betrachten." (8)
v "... ein werdender Gott, ein ewiger Widerspruch, das ist der Mensch."(9)
v "Gut und Böse - das ist soviel wie heiß und kalt oder süß und sauer; alles hat sein Recht an der rechten Stelle in der richtigen Mischung. Jeder muss leben wozu er geschaffen wurde, er muss das Gesetz seines Wesens erfüllen, das als sein Dämon oder als seine Fee in seinem Inneren wohnt und all seine Lebensschritte begleitet."(10)
v "...Insgeheim liegt dort noch heute für mich eine offene, äußerst beunruhigende Frage: Vielleicht gibt es eine Ewigkeit gar nicht, vielleicht sind Gott und die Ewigkeit nur die übriggebliebenen Reste veralteter Vorstellungen aus einer Zeit, da man die Unendlichkeit des Alls und die Unermesslichkeit der Zeit noch nicht zu ahnen, geschweige denn zu denken vermochte. Es ist wahr: Ich habe formal die Existenz Gottes niemals geleugnet; wofür, wenn ich ehrlich bin, braucht es noch 'Gott' um die Welt zu verstehen - Und die Welt zu verstehen war ich weitaus bemühter, als Gott zu begreifen."(11)
v "Alle Materie ist ewig und das Material unendlicher Wandlung."(12)
v "Gott... ist nicht frei, eine Welt zu erschaffen; er braucht sie um sich selber anzuschauen und um sich anschauen zu können, benötigt er eine in Raum und Zeit unendliche Welt..."(13)
v "Zu Gott gehört die Verborgenheit und das Schweigen."(14)
v "Was mich damals bei meiner Beschäftigung mit der Magie besonders beeindruckte, war die Wiederentdeckung der Alten Ägypter, dieses bilderseligen Volkes am Nil, das mir schon deshalb gefiel, weil es nach einem Worte Herodots alles anders gemacht hat als alle anderen Völker. Die Alten Ägypter, bei denen selbst Solon und Platon in die Lehre gegangen waren, wussten wie kein anderes Volk um die poetische Magie der Bilder, um den Zauber der Unsterblichkeit und um die Unauslotbarkeit der Welt in Raum und Zeit. Anders als Moses, der es vorzog, in die Wüste zu fliehen um seinem halsstarrigen Volke unter Blitz und Donner einen eifersüchtigen Gott zu predigen, wussten die Ägypter, dass man nicht sagen kann: 'Gott hat gesagt', denn selbst die Rede vom Wort Gottes ist nichts als ein Bild... Diese heidnischen Völker, jahrtausende vor unserer Zeitrechnung waren in vielem bedeutend klüger als die lange Zeit der Verdunkelung und des Aberglaubens, die man im Namen eines gewissen Christus über die Menschen verhängt hat."(15)
v „Wenn Gott sich jemals dem Denken der Menschen einer bestimmten Zeit offenbart hat, dann liegt es nahe zu denken, dass die Offenbarungen Gottes wesentlich in den Entwicklungen des menschlichen Denkens selber bestehen."(16)
v „Würden sie meine Bücher im Zusammenhang lesen und in ihrem gemeinten Inhalt begreifen, so müssten sie wissen, wie unentbehrlich mein Beitrag in alle Zukunft sein wird, um die Botschaft der Religion mit dem Bewusstsein aller denkenden Menschen von morgen zu verbinden."(17)
Sind diese Gedanken wirklich unentbehrlich für das Bewusstsein aller denkenden Menschen?
"Gott, wenn es ihn gibt..."(18)
Wir werden in diesem Kapitel versuchen die antichristlichen Lehren Drewermanns in seinen theologischen Werken aufzuzeigen.
v "Vor allem die Begriffe 'Christus' und 'Gottessohn' gehören seit mehr als 1900 Jahren zum scheinbar unverzichtbaren Repertoire des 'christlichen' Glaubens, so sehr, dass es kirchlich betrachtet, bereits als Zeichen sicheren Unglaubens gewertet wird, wenn jemand den Vorschlag machen wollte, diese Worte durch andere, zeitgemäßere zu ersetzen. Und doch müssen wir gerade das versuchen..."(19)
v "Schon im ersten Band von Glauben und Freiheit (S. 397) sagten wir, dass bestimmte Symbole ihrer Form nach sterben können und dass der Begriff des 'Gottessohnes' ... nichts weiter mehr ist, als ein Museumsstück der Religions- und Kulturgeschichte."(20)
v "...es kann und wird nur noch eine Form von Religion geben..."(21)
v "Irrtum, Unvermögen, klägliches Versagen und Verzweiflung sind die üblichen Erfahrungstitel dieser häufigsten Form des Tragischen, an der nicht mehr menschliche Schuld, sondern die Einrichtung der Welt, wenn überhaupt jemand die Schuld trägt. Diese Form des Tragischen ist ein Teil der Schöpfung selbst, und sie ist zutiefst eine Tragik des Schöpfers... Statt Gott von dieser Form des Tragischen im Innersten der Schöpfung reinzuwaschen, sollte es (das Christentum) vielmehr seine so praktischen Einteilungen in Gut und Böse, Frei und Unfrei, Schuld und Reue gänzlich über Bord werfen und zu einer unmittelbaren Ehrfurcht vor dem menschlichen Leid zurückfinden."(22)
v " 'Höre, oh Bruder Mensch... die Wahrheit des Menschen ist die höchste Wahrheit... es gibt keine andere Wahrheit darüber hinaus."(23)
v "Das Menschliche das sich als menschlich beglaubigt - mehr verlangen wir nicht, mehr brauchen wir nicht, mehr gilt uns nicht länger als 'göttlich'!“(24)
v "In der Bucht von Bombay... findet sich in einem Felsentempel... eine Darstellung des Gottes Shiva...“ handelt es sich um ein Werk das kaum seinesgleichen haben dürfte. Was es darstellt ist eben das Mysterium der Entfaltung des Absoluten in die Dualitäten der Erscheinungswelt... das ist Mayas wahre Beschaffenheit, dieser blosse Erscheinungscharakter des Lebensvorganges... die göttliche Wesenheit, das einzig wirkliche, das Absolute in sich selbst, unser eigenes innerstes höheres Selbst... wohnt in sich, in seiner eigenen erhabenen Leere versunken, allwissend und allmächtig, alles und jedes enthaltend. Dies ist das Bildnis des Atman - Brahman. "In immer neuen Versuchen haben in Indien Religion und Philosophie das Rätsel der Welt und der Wirklichkeit, die ihr zugrunde liegt, zu deuten unternommen; doch lässt sich schwerlich eine Darstellung denken, die in so tiefsinniger Weise das Grundanliegen und die Grundüberzeugung der Mystik in allen Religionen zum Ausdruck bringt."(25)
v "Als letztes muss es der Religion darum gehen ihre eigene Symbolik und Dogmatik universell zur Grundlage des Lebens aller Menschen und nicht nur einer einzelnen Glaubensgemeinschaft zu erheben."(26)
v "Das Wesen des Religiösen besteht darin, letztlich unbeantwortbare Fragen zu beantworten, indem es der Sehnsucht und dem Wunschdenken der Menschen mit Hilfe von stark emotionsgeladenen Bildern recht zu geben versucht; und es ist diese Angst vor dem Nichts unter unseren Füßen, es ist diese Grundlosigkeit aller Gründe angesichts des Abgrunds, den wir deutlich sehen, sobald wir unserer Lage bewusst werden, welche die Religion mit Trost und Zuspruch zu überdecken trachtet... alle Vernunft, welche die Religion aufzubieten vermag, besitzt die Funktion und die Wirkung eines Medikamentes gegen den Wahnsinn, der in unserer Seele Raum gewinnen muss, sobald wir unserer wirklichen Lage inmitten der Welt inne werden... Die Religion 'fürchtet' nicht die 'archaischen' Symbolreste aus der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, ganz im Gegenteil: Sie bedient sich ihrer, um eine 'magische' Verzauberung des Vertrauens gegen die Angst vor dem Unheimlichen des Daseins, das wir selbst sind, in Szene zu setzen."(27)
v "Denn: Angesicht der offenbaren Aporie (Anm. Ausweglosigkeit) des menschlichen Daseins bedient sich die Religion eines Kunstgriffs, jenes 'Tricks' von dem wir vorher sprachen... die Religion antwortet demnach... mit den uralten Bildern, die im lymbischen System (Anm. Gehirnteil) niedergelegt sind... die symbolische Analogie stellt von daher das entscheidende Verfahren der Religion dar um die Breschen und Löcher, welche von Verstand in die Wände der irdischen Welt geschlagen werden, mit Bildern zu füllen, die an der Stelle des reinen Nichts vertraute Zonen der Ordnung und Geborgenheit finden lassen."(28)
v "Um den Menschen in die 'Welt' einzuordnen, um ihm die Wirklichkeit als erträglich erscheinen zu lassen, um ihm mithin mit den Tragödien, Ängsten und Ausweglosigkeit des Daseins zu versöhnen, kann Religion gar nicht anders, als sich eben der Denkform zu bedienen, die intensiv und komplex, mithin poetisch genug ist, um die Welt der Erfahrung in einigen wenigen, gefühlsstarken Bildern zusammenzufassen."(29)
v "Ja wir 'wissen' nicht einmal, ob die Religion uns nicht letztlich in die Irre führt, wenn wir den bildhaften Wegweisern ihrer Sehnsucht folgen..."(30)
Wie wir sehen, tritt auch im theologischen Werk ein ethischer Relativismus und eine Hochachtung für Shiva auf. Die Erfahrung des Menschen in der Welt ist von abgründiger Haltlosigkeit geprägt und die Beziehung zu Gott gerät zu einem absurden Wunschdenken. Wie dies als Ausgangsbasis für die Schaffung einer neuen, universalen Religion dienen soll, ist völlig unverständlich. Ebenso bleibt uns Drewermann die Frage schuldig, wer ihn zu seinem epochalen und "unentbehrlichen" Auftrag beauftragt hat. Jean Paul Sartre, der philosophische Prophet des Absurden, gab in seiner Autobiographie am Ende seines Lebens an, dass er sich, obwohl er radikaler Atheist war, für viele seiner antichristlichen und religionsfeindlichen Werke von einem "heiligen Geist" beauftragt glaubte, der "im Keller" seines Bewusstseins regierte. Zitat: "Aber der andere (Anm. Gott) blieb, der Unsichtbare, der Heilige Geist der meinen Auftrag garantierte und mein Leben durch große, anonyme und geheiligte Kräfte regierte." (31)
Ist vielleicht auch bei Drewermann ein unbekannter "Geist" der Auftraggeber -
Das geistige Umfeld
Für seinen zerstörerischen Kampf hat sich Drewermann die tiefenpsychologische Bibelauslegung ausgesucht, die in ihrer Reduktion alles geistigen Seins auf innerpsychische Zustände des beschränkten menschlichen Bewusstseins, die Aushöhlung des Glaubens an Christus bewerkstelligt. Besonders C.G. Jungs Lehre von den Archetypen sind ein zentraler Bestandteil von Drewermanns Theorie, auf die er sich immer wieder beruft. Welche geistige Kraft hinter C.G. Jung steht wird durch die zwei folgenden Zitate deutlich. So schreibt Tilman Evers, ein Jung-Forscher über die Gottesvorstellung Jungs: "Die Vorstellung eines Endsiegs über die Finsternis ist ihm zutiefst fremd, statt dessen ringt er zeitlebens um eine Vereinigung der Gegensätze in einem Gottesbild, das Licht und Schatten, Schöpferisches und Destruktives in sich vereint." (32)
C. G. Jung schreibt in seiner Autobiographie über sich selbst: "Alle meine Schriften sind sozusagen Aufträge von innen her, sie entstanden unter einem schicksalhaften Zwang. Was ich schrieb, hat mich von innen überfallen... den Geist der mich bewegte, ließ ich zu Wort kommen." „Es war ein Dämon in mir, und der war in letzter Linie ausschlaggebend." "Im Jahre 1916 verspürte ich einen Drang zur Gestaltung, ich wurde sozusagen von innen her gezwungen... So kamen die 'Septem Sermones ad Mortuos' (Sieben Reden an die Toten, d. Verf.) zustande. Es begann damit, dass eine Unruhe in mir war... es war eine seltsam geladene Atmosphäre um mich herum und ich hatte das Gefühl, als sei die Luft erfüllt von gespenstischen Entitäten (Wesenheiten d. Verf.). Dann fing es an, im Hause zu spuken. Die Luft war dick, sage ich ihnen ! Da wusste ich: Jetzt muss etwas geschehen. Das ganze Haus war angefüllt wie von einer Volksmenge, dicht voll von Geistern... Dann fing es an, aus mir herauszufliegen, und in drei Abenden war die Sache geschrieben... So bildeten die 'Septem Sermones' eine Art Vorspiel zu dem, was ich der Welt über das Unbewusste mitzuteilen hatte: eine Art von Ordnungsschema und Deutung der allgemeinen Inhalte des Unbewussten.'“ (33)
Kommen die "unentbehrlichen Wahrheiten" Drewermanns vielleicht auch aus diesem Bereich der Geister, ohne dass er uns ehrlicherweise diesbezüglich aufklärt?
"Wer irgend den Menschen Halt und Orientierung geben will..." (34)
Durch ein Interview, dass der Journalist Wolfgang Korruhn 1994 geführt hat, können wir näheres über die Lebensumstände Drewermanns erfahren.
Zitat: "Kennen Sie Depressionen an sich selbst?"
"Für mich ist die Welt von Hause aus ein Jammertal."
"Und wie erleben sie den Absturz ins Tal?"
"Zur Zeit meines Studiums passierte das oft. Ich zog die Gardinen zu, legte mich hin und hatte eine mittlere Weltuntergangsstimmung, Weltschmerz, ozeanische Gefühle. Ich wusste nicht weiter. Diese Phasen vermisse ich heute, denn sie haben bei mir Fragen ausgelöst, die sehr produktiv waren. An diesen ungelösten Fragen und auch an mir selbst tüftelte ich dann herum."
"Dann wussten Sie: Jetzt bin ich in einer Depression?"
"Ich erlebte diese Depressionen zunächst als Weltanschauungsprobleme. Wenn ich anfing, mir selbst zu beweisen, dass die Welt absolut sinnlos ist, dass es weder einen Gott gibt, noch ein Jenseits, jede Art von Streben umsonst ist, Kreaturen völlig sinnlos gequält werden und dies der einzige Aspekt der Welt ist, der dann für mich noch übrig bleibt, dann weiß ich, dass ich in einer Depression stecke."
"Können Sie dann schreiben?"
"Früher hörte ich Musik, las Rilke oder tat gar nichts mehr, wartete im Bett, bis es vorüber war. Dann half mir aber später das Schreiben, meine Fragen wirklich durchzustehen. Dann erschienen immer auch Wahrheiten in diesem Zustand."
Drewermann greift zur längst kalt gewordenen Teetasse, gießt den längst kalt gewordenen Tee in die Tasse und nimmt vorsichtig einen Schluck.
"Schade" seufzt er, "diese Tiefgänge in die Förderschächte unterhalb der sechsten, siebten Sohle sind selten geworden, weil mich die Alltagsarbeit fast erdrückt und die Verpflichtung irgend etwas Konstruktives zu denken."
Er stellt die Tasse wieder zurück auf die Untertasse und legt den Löffel sacht und geräuschlos dazu.
"Aber die wirklichen Probleme warten auf eine Antwort, die ich auch nicht kenne. Das ist für mich eine Sackgasse."(35)
Um es vorweg zu sagen, es geht bei der Wiedergabe dieses Interviews nicht darum, Drewermann seine Depressionen vorzuwerfen. Für uns ist in diesem Zusammenhang wichtig, wie Drewermann mit diesem Zustand tiefster Verzweiflung und dem Bewusstsein, dass Gott nicht existiert umgeht und wie er es bewertet. Möchten Sie, lieber Leser, sich wirklich einen Menschen, der eine neue, höhere Form von Religion schaffen will, als Führer wählen, der es "Schade" findet, dass er diese "Tiefgänge", nämlich die Erfahrung des Nichts und des Absurden so selten hat - Ist sein Hinderungsgrund wirklich so unaufschiebbar: "Irgend etwas Konstruktives zu denken?"
Drewermann lässt im Roman Giordano Bruno sprechen: "In all meinen Büchern ... habe ich versucht, kleine Kaninchenställe für verängstigte Seelen zu bauen; wer sie richtig liest, dem sind sie Trost und Erbauung, Ermutigung und Trotz. Mir aber entzog sich jeglicher Halt in den unermesslichen Räumen." (36)
Ist Drewermann wirklich der Mann, der den Menschen Halt und Orientierung geben kann, wenn er schreibt: "Kann es von daher nicht wirklich sein, dass der Mensch einfach an seinem eigenen Verstand 'verrückt' geworden ist? Dass er nichts weiter ist, als ein bewusstseinskrankes Tier, oder, hirnorganisch ausgedrückt: Als ein Gehirnspezialist mit einer gefährlich schlechten Verdrahtung seiner Schaltelemente im Kopfe?"
Schlussbetrachtung
Wenn wir sehen müssen, wie in den Amtskirchen Unwissenheit und Blindheit herrschen, dass sie einem Hochschullehrer, der Liebe und Gewalt vermischt, jahrzehntelang ein Forum für seine Zersetzungsarbeit gegeben haben, kann man nur mit dem Kopf schütteln.
Drewermann hat seine Wertschätzung für die Gestalt des Shiva schon 1971 erklärt. Es ist wohl anzunehmen, dass die Amtskirchen sich durch Drewermann, auch um den Preis innerer Selbstzerstörung willen, das Image des Modernen, Neuen, Vernünftigen geben wollten, um auch ohne Verwirklichung der Bergpredigt Christi als Institution zu überleben.
Dies ist letztlich aber zum Scheitern verurteilt.
Es gibt aber zu Shiva und dem zerfallenden Kirchenglauben eine befreiende Alternative, da Gott unser himmlischer Vater uns in unserer Dunkelheit nicht allein lässt und durch seine Prophetin Gabriele im Universellen Leben in einfachen, verständlichen Worten Aufklärung gibt über die Bedeutung der Erlösertat Christi für die Heimkehr aller Seelen und Menschen an das Herz unseres himmlischen Vaters, der uns auch im Irdischen mit seiner liebenden Hand führen will.
Möge der Leser selber entscheiden, wem er sich anvertrauen möchte: Den verstiegenen, intellektuellen Spekulationen eines Theologen oder Gott, unserem Vater.
Anmerkungen
(1) Krieger, David J., Hrsg. : Dalai Lama - Eugen Drewermann, der Weg des Herzens, Solothurn, Düsseldorf, 1992, S. 61
(2) a.a.O., S. 59
(3) Drewermann Eugen: Gott der Natur - Gott der Offenbarung - Gegensätze?, in : Theologie und Glaube, 1971 Heft 2, S. 327 f.
(4) a.a.O., S. 329
(5) a.a.O., S. 330
(6) Drewermann Eugen: Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen, München, 1992, S. 22
(7) a.a.O., S. 29
(8) a.a.O., S. 129
(9) a.a.O., S. 123
(10) a.a.O., S. 128
(11) a.a.O., S. 127
(12) a.a.O., S. 27
(13) a.a.O., S. 193
(14) a.a.O., S. 203
(15) a.a.O., S. 47
(16) a.a.O., S. 216
(17) a.a.O., S. 217
(18) Drewermann, Eugen: Das Matthäus - Evangelium, Bd. 1, Olten, 1992, S. 130
(19) Drewermann, Eugen: Jesus von Nazareth, Glauben in Freiheit, Bd. 2, Zürich, Düsseldorf 1996, S. 563
(20) a.a.O., S. 630
(21) Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 1, Solothurn, Düsseldorf, 1993, S. 409
(22) Drewermann, Eugen: Psychoanalyse und Moraltheologie, Bd. 1: Angst und Schuld, Mainz 1992, S. 77
(23) Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 1, Solothurn, Düsseldorf, 1993, S. 266
(24) a.a.O., S. 397
(25) Drewermann, Eugen: Der sechste Tag, Glauben in Freiheit, Bd. 3, Zürich, Düsseldorf, 1998, S. 454 ff.
(26) Drewermann, Eugen: Der Krieg und das Christentum, Regensburg, 1982, S. 334
(27) Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 1, Solothurn, Düsseldorf, 1993, S. 184 f.
(28) a.a.O., S. 403 f.
(29) a.a.O., S. 408
(30) a.a.O., S. 385
(31) Sartre, Jean Paul: Die Wörter, Autobiographische Skizzen, Hamburg, 1996, S. 141
(32) Evers, Tilman: C.G. Jung - Psychologie und Gnosis, in: Hrsg. Koslowski, Peter: Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie, Zürich, München, 1988, S. 340
(33) Gassmann, Lothar: Was nun, Herr Drewermann?, Lahr, 1993, S. 17
(34) Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 1, Solothurn, Düsseldorf, S. 47
(35) Korruhn, Wolfgang: Hautnah - Indiskrete Gespräche, Wien, New York, 1994, S. 36 f.
(36) Drewermann, Eugen: Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen, München 1992, S. 375
(37) Drewermann, Eugen: Glauben in Freiheit, Bd. 1, Solothurn, Düsseldorf, 1993, S. 306
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