Zeichen des Abschieds.
Er glaubte sie als Göttin! Vielleicht war es mehr als achtungsvolle Scheu; es muß Demut vor der eigenen Verwurzelung gewesen sein; etwas, woran er im Tiefsten seines Herzens glaubte, etwas, was ihm verbot, mit dieser Wunderschönen ein Abenteuer auch nur zu wollen. Sie saßen einander gegenüber, über Bücher gebeugt, über dies und das und übereinander nachdenkend, überdies überfordert und überaus übellaunig, vor allem im Sommer, wenn übermäßig produzierter Schweiß die Lüfte im sowieso stickigen Lesesaal überlagerte und freies Athmen unmöglich machte. Sie hielten die vagen Blicke für Ausblicke, emporgetaucht aus stickigem Morast wohlweislicher Druckerschwärze. Der Abstand blieb, sie nicht und er auch nicht. Sie kam nicht und er ging nicht hin.
Die Kluft blieb, Tiefe des Denkens gegen Tat des Gedankens; man kann theoretisch den Afterglauben durch Vernunft überwinden; praktisch jedoch läuft's darauf hinaus, daß man unglücklich bleibt bei so viel Weisheit!
Zerbrochene Menschen schaffen sich einen Zufluchtsort, in dem sie sich über die anderen setzen: Es entsteht Dünkel. Die Nischenkönige belächeln eitel die Suchenden! Der seine Gefühle vor sich Herschiebende hört Ratschläge, die ihn vorm Ertrinken retten sollen, doch nur die Art "Seelsorge" sind, die aus dem unglücklichen Gefühl hervorwächst, daß der Ratgebende keinen Ratschlag besitzt.
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