GOTT & DIE PHYSIKALISCHEN KONSTANTEN
(von Oliver Maspfuhl)
Die vor kurzem gemessene 4,7-fache Lichtgeschwindigkeit einzelner Elektronen hat manchen Unbeleckten dazu veranlaßt, die Existenz Gottes als nichterwiesen zu betrachten. Denn, so die "logische" Schlußfolgerung in mancher Fernsehsendung oder manchem Talk, man könne nunmehr bald Zeitreisendenmaschinen bauen und somit unendlich weit vor den Urknall zurückreisen!!? Damit könnte man entweder Gott beim Schöpfungsprozeß zusehen (irre) oder aber wüßte nunmehr ganz genau, daß es reinweg physikalische Prozesse gewesen seien.
Diese verrückten Thesen haben uns nach Diskussionen bewogen, bei einem Fachmann (Oliver MASPFUHL lehrt an der Sorbonne Physik) nachzufragen, inwiefern sich die neueren Entdeckungen auf unsere Vorstellungen von Raum und Zeit auswirken werden.
Physikalische Konstanz
Es gibt in der Physik eine ganze Reihe von Konstanten. Man bezeichnet alles an einem Problem, das unter günstigen Umständen erhalten bleibt, obwohl sich das System ändert, als Konstante. Typische Beispiele sind Materialkonstanten wie Elastizität, spezifischer Widerstand et cetera. Diese Konstanten ergaben sich aus der komplizierten Struktur des Objekts & können deshalb immer variieren, zum Beispiel von der Temperatur abhängen, sonst aber gleichbleiben.
Zur näheren Spezifizierung:
1. Interessanter im Sinne einer Annäherung an Grundlegungen unseres Denkens sind die fundamentalen Naturkonstanten, auf denen das ganze physikalische Maßsystem fußt, als da wären beispielsweise die Lichtgeschwindigkeit, die Elementarladung, das PLANCKsche Wirkungsquantum & die BOLTZMANN-Konstante (Proportionalitätsfaktor der absoluten Temperatur in thermodynamisch-mechanischen Prozessen). Aus diesen lassen sich andere Einheiten in kanonischer Weise bilden, so daß man eine Elementarlänge, -temperatur, -masse, -zeit erhält, die man Plancklänge, -temperatur, -masse, -zeit nennt. Man vermutet, daß ihnen ein bestimmte physikalische Bedeutung zukommt, etwa als Grenze zu Bereichen, in denen alle bekannte Physik zusammenbricht bzw. in einer ganz neuen Theorie aufgeht.
2. Einen anderen Ansatz bilden die sogenannten dimemsionslosen Konstanten, das sind einfach Zahlen wie PI oder die EULERSCHE ZAHL e. In der Physik gibt es zum Beispiel die AVOGARDO-Konstante (Anzahl der Atome in einem mol eines Stoffes), die aber sicher keine tiefere Bedeutung hat, aber man kann auch aus den Fundamentalkonstanten dimensionslose Konstanten bilden. Das Eigentliche ist, daß sie von einer Eichung unabhängig sind, nicht vom Maßsystem abhängen & damit von uns. (P. DIRAC war der Überzeugung, hier liege der Schlüssel zur Erklärung des Universums, aus reiner Mathematik heraus, die ja mit Einheiten nichts anfangen kann & nur Zahlen kennt.)
3. Sehr interessant sind auch die Konstanten einer dritten Art, die zwar auch streng konstant sind, aber dennoch, wie man glaubt, aus einer hinreichend umfassenden Theorie abgeleitet werden können, müßten. Das betrifft vor allen die Massen der Elementarteilchen & die Kopplungskonstanten (diese sind allerdings energieabhängig).
Überlichtschnell?
Die fundamentalen Konstanten sind alle streng konstant, man hat noch nichts anderes beobachtet. Die Lichtgeschwindigkeit ist die Grenzgeschwindigkeit bei allen klassischen Phänomenen. Bei der Untersuchung von Quanteneffekten nun treten offenbar überlichtschnelle Korrelationen auf, die eine Informationsübertragung ermöglichen. Daß das prinzipiell passieren könnte, ist schon lange bekannt & hat Einstein immer wieder veranlaßt, die Quantentheorie dadurch zu widerlegen, daß er sie in eben dieser Weise in Widerspruch zu seiner Relativitätstheorie brachte, was ihm nie gelang. Aber es gab auch zahlreiche offene Probleme, zum Beispiel das EPR-Experiment.
Einstein und die phys. Konstanten
Um die Bedeutung EINSTEINs herauszustellen, v.a. in bezug auf die sogenannten physikalischen Konstanten & ihre Rückwirkung auf die Vorstellung von Gott, sei hier vermerkt, daß bis Einstein folgendes galt: Raum & Zeit sind physikalische Größen, d.h. etwas in der Natur, daß sich in Experimenten so verhält wie reelle Zahlen, also meßbar ist. Meßbares läßt sich auf eine Grundeinheit beziehen, ist damit vergleichbar. Für den Raum nimmt man demnach die Länge eines festgelegten Gegenstandes, für die Zeit die Dauer eines periodischen Vorgangs an. Die Existenz eines solchen Vorgangs, exakterweise, ist a priori nicht evident, also wird angenommen, daß der Sonnentag bzw. eine Quarzschwingung periodisch verlaufen. Es liegt in unserer Vergänglichkeit (der Tatsache unseres Todes!), daß wir Menschen nicht wie beim Längennormal einfach immer "denselben" Vorgang benutzen können, sondern nur seine angenommene identische Wiederholung. Seit Einstein wissen wir, daß alle diese Maßstäbe von der Konfiguration der Massen im Raum abhängen & vom Bewegungszustand des Messenden. Letzteres besagt auch, daß Raum & Zeit eine Einheit bilden, da sich die gemessenen Größen in einem Bezugssystem aus den in einem dagegen bewegten Bezugssystem gemessenen Größen berechnen lassen...
Jeder Gegenstand bewegt sich von einem Punkt zum nächsten entlang seiner "Weltlinie", sein Leben lang. Die Tatsache, daß er sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen kann & die durch Entropiezunahme ausgezeichnete Zeitrichtung bewirken, daß die Bewegung immer schon VORWÄRTS in der Zeit verläuft. In diesem Sinne sind Vorzeit und Vergangenheit physikalisch zu verstehen.
Gott & die neuesten Erkenntnisse der Medien
Gott auf diese Weise zu negieren -indem man denkt, sich in der Zeit unendlich vor ihn bewegen zu können???- ist aussichtslos. Aus dem einfachen Grunde, daß in seiner Existenz nur verneint werden kann, was vorher bezeichnet & als Individuum ausgewiesen worden ist, auf welcher Ebene auch immer. Die Physik ist als Naturwissenschaft viel zu beschränkt, um Gott in ihren Begriffsapparat aufzunehmen & die Logik ist von der Wirklichkeit denkbar weit entfernt. Gott ist in erster Linie ein Teil der Wirklichkeit. Wenn jetzt irgendwer Gott aufheben wegen irgendwelcher Entdeckungen will, dann ist das seine Sache; mit der physikalischen Erkenntnis Gottes ist es noch nicht so weit her: Man kann nur spekulieren. Die Ansätze sind noch nicht spruchreif! Außerdem sind mit der Erkenntnis Gottes noch so viele psychologische und sprachkritische Probleme verbunden, daß die Physik erst mal noch nicht dran ist. Man spricht nicht umsonst vom lebendigen Gott.
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