Die Diskussion brach hier leider ab: Weihnachtsfest, Umstellung des Forums und eine allgemeine Ermüdung...
Ich möchte sie noch einmal kurz aufnehmen und am Beispiel von Lenes "Türspalt" deutlich machen, was mit meiner Auffassung vom Wesen der Realität gemeint war.
Wenn ich einem alten Freund den Türspalt anbiete, kann dies gleichsam ein Versprechen sein. Dieses wiederum kann Verheißung (ich laß ihn rein) oder Abwehr (ich laß ihn nicht rein) bedeuten. Ein Nochnicht. Zugleich aber auch ein Wareinmal resp. Nichtmehr. Der Türspalt kann bedeuten: "Mehr gebe ich nicht zu. Du kömmst hier nicht rein!" Er könnte also auch bedeuten: "Gib mir einen Grund, die Tür so zu öffnen, daß du hindurchschlüpfen könntest!" (Beschränken wir uns auf diese zwei Interpretationen.) Dann bleibt die Zukunft von diesem Augenblick, dieser augenblicklich zu fixierenden Realität, offen. Das Wesen dieser Momentaufnahme, die manche dann als einmal zu fixierende Realität begreifen wollen, ist NICHT der Türspalt, sondern das, was damit verbunden ist. Für einen Nichtmenschen (objektiverweise?) wäre der Türspalt eben eine Öffnung der Tür von soundsoviel Millimetern zwischen Tür und Türrahmen. Das ist dann wohl die von Schnobs angezeigte objektive (empirisch meßbare) Realität.
Meiner Meinung nach ist das aber nur die halbe Wahrheit und schon gar nicht das Wesen der Realität. Denn dieser Spalt existiert ja nur kontextuell; es gäbe ihn nicht ohne den, der davor steht und den der dahinter steht. Der Türspalt ist sozusagen im Unterschied zu einem Berg nicht naturgewachsen, sondern Akt des Willens. Hier nicht unbedingt freien Willens. Aber das ist jetzt nicht das Thema.
Ob der Türspalt jetzt dem Wesen seiner Realität nach eine Verheißung oder eine Abstrafung sein soll, liegt in der Macht der Autorin, die uns mehr oder weniger deutlich machen möge, wie wir (Leser) diese Realität verstehen sollen, was also im Wesen ihres formulierten Nochnicht liegen soll.
Mit Solipsismus hat mein Nochnicht nichts zu tun. Ich erkenne ja die Existenz des Türspalts als von mir unabhängige an, weiß aber nicht, welches Wesen in der Realität dieses Spalts liegen soll.
P.S. Ist es nicht herrlich, daß Lene uns mit diesem Türspalt solche Möglichkeiten schuf, ihn für uns als jeweils verschiedene Realität zu konzipieren?
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