Vorrede eines bildungspolitischen Sprechers: Weil doch gerade in B. der Bär tanzt. Hier ein Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen PDS und SPD ueber Vergangenheit und Zukunft, maßvoll unterbrochen vom fleischgewordenen schlechten Gewissen beider, manifestiert in einem Es, dem man es ansehen könnte, daß die Tage der stillen Einkehr weit zurückliegen müssen.
Bei der Kritik bitte ich zu bedenken, daß dieser Beitrag aus dem Herzen und dem Hirn gleichermaßen stammt, also mit Literatur nicht viel zu tun haben kann. 1988 im Sommer war's, als er erstmals geschrieben wurde; heute nun nur ein wenig modifiziert...
(KRACHENDER GONGSCHLAG. BÜHNE DUNKEL. DIE GESICHTER STANIOLS UND FRIEDRICHS STRAHLT EIN SPOT AN. VON UNTEN ERSCHEINT EINE URALTE ZWERGENGESTALT MIT ZUM HIPPIEZOPF ZERZAUSTER KLASSISCHER PERÜCKE, JOINT UND WEIßEM GEWAND, UNTER DEM ARM EINEN LAPTOP, IN DER ANDEREN HAND EIN FUNKTELEFON. DIE GESTALT BEWEGT SICH ZUM TISCH, NIMMT IHN ABER NICHT WAHR.)
Es:
Plagen, nichts als Plagen. (umkreist den Tisch) Welches Phänomen es ist, die eigene Wahrheit zu finden, die Selbstbestimmung. Geb's Gott, daß die zum Spielball des Einzelnen in eigner Hand würde. Hab ich nicht immer dafür gekämpft? Und jetzt, so hör' ich diese Schreihälse lamentieren... Zweifel. Da wächst der Haß gegen mich selbst, gegen meine Räson. (wütend) Hinweg! Hinweg, Affekt!- Handwerker sind sie, die aus schnödem Lohn der Macht die Menschen äffend Macht sich machen! Ha! Glüht in deren Brust noch tiefe Sehnsucht, tiefergehnder Drang nach Wahrheit? Kaum. Die glauben nicht mal an die eigne Sache, darum wird ihnen nirgendwo und nirgendwann geglaubt...- Sie können nichts ergreifen, sind selber nicht ergriffen und grapschen wild nach eben etwas Festem, so wie sie's glauben, sei dies Macht.
Oft fragt man mich - Freund aus fernen Tagen - sind ewig denn die Laffen, die stummen Herzens Beifall tun, indem sie lügend Gegenworte wagen, ernst nehmen diese Flut an Lügen, erlogne Paritäten schürzen, schaffen, schöntun...- Wie wahr! Kein Heiligtum betreten sie, statt dessen schaden sie mit schleierloser Wirklichkeit! Wirklichkeit!? Wirklichkeit? Mit Spinnenweben eingeriebener Geist, verglichen morastigem Ende vergolten. Vergilbte Seelen ohne harnischt Streben, verletzt bis in die Fingerspitzen, ungetragen verkrusteter Unkunst geschuldet. Sie dümpeln im Vagen und zahlen sich's ungezählt heim, was sie nicht ins Tatsächliche zu tragen schafften.- Was sie nicht ins Tatsächliche zu schaffen wünschten!- Wahrheit, liebgewordne Gefährtin, ich frug mich längst, wie lange noch wir ungeschürzte Fingerspitzen im heißen Brei wohl würden halten können. Jetzt zieh sie schnell heraus, bevor die Klebrigkeit des Ungeratnen dir noch die feingefühlte...- Kein Wort mehr! Doch wie nun weiter? In welche Richtung können diese Menschen gehen? (nach einigem überlegen, wobei er um den Tisch mit Staniol und Friedrichs läuft) Sich mit Seinesgleichen finden, verbinden, sich ketten, beschränken und abgrenzen, ist das ein ehrbares Ziel? Und wo soll'n Rat sie holen? - Laßt Goethen, Metternichs und Webern sie bedienen! Das ewig Gestrige ist so formvollendet geeignet im zeitlos opportunen Suchen nach Weiterleben. Ja, die sind geschlagen mit natürlich blickenden Augen. Ein aufgesetztes Naturempfinden steht vorn an, eine haltlose Sehnsucht ins Blaue hinein, das alles durch romantische Ungebundenheitslügen verklärt. Grauslig. (entfernt sich vom Tisch) Ein Mirakel jagt so das andere.- Nannte man dies Zeitalter nicht das der Protektorate! Und derweil liegt die Wahrheit nur in ihnen selbst, und sie entleiben sie mit jedem politischen Gedanken, mit ihren Träumen von der Hypernation. Aber aber! - Sich selbst zu bekennen heißt wohl, sich fein zu sein. Das ist, meine ich, ein Lebenssinn. (sich besinnend) Muß zum Geheimen Rat. (im Abgehen) Und wenn man nun meine Illusion vom Glück in einem anderen Sinne interpretieren wollte! (Ab.)
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