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  • #31
    Ja, er schildert das Scheitern seines Plans ziemlich ausführlich. Der Hauptgrund war, dass er einsah, dass er für das harte, körperlich ungemein anstrengende und 'wilde' Leben als Farmer (=Pionier) fernab jeder 'Civilisation und Culthur' nicht geeigent war (er war ein Stadtmensch). Schon die ersten Tage als Gehilfe auf einer Farm brachten ihn an den Rand der physischen Erschöpfung. Zudem sprangen einige der 'Pioniere' und Mitstreiter seiner Gruppe ab, wie es ja oft ist, wenn es ernst wird. Zudem konnten sie nicht die Mittel aufbringen um Land und all die Dinge zu kaufen, die für einen Start nötig gewesen wären. Auch war es die Zeit des Secessionskriegs in der es in den Staaten wirtschaftlich und auch sonst ziemlich drunter und drüber ging. Von Überfällen durch Indianer erwähnt er sehr wenig - die waren weiter im Westen -, wohl aber zogen marodierende Secessionisten (Südstaatler, Anhänger der 'Democraten' - die Unionisten waren 'Republicaner') durchs Land und brannten Farmen nieder, plünderten und vergewaltigten.

    Alles in allem gab er nach ca. 1 Jahr in den Staaten seine Pläne auf, die schon gut durchdacht, aber wohl ein bissl zu realitätsfremd und idealistisch waren ....

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    • #32
      Emil in Berlin


      12 Uhr Mittag

      kamen wir gesotten und gebraten in Berlin an, wo wir 2 Tage zu bleiben beschlossen hatten. Da ich kein Hotel kannte, ließen wir uns durch eine Droschke nach einem fahren. Es war das Hotel Köhler in der Taubenstrasse, ein schönes elegantes aber auch theueres Haus. - Wir nahmen daselbst ein warmes Bad, welches im Parerre gelegen und hübsch eingerichtet war. Dies erquickte uns sehr und nachdem wir uns in "ungarische Toilette" geworfen hatten, machten wir einen Gang durch die Stadt um in einer Restauration zu diniren. Aber oh weh, das war ein gehöriges Fiasco. Scharenweise liefen uns die Gassenjungen unter Gelächter und Spottenden nach, während die Großen gaffend stehen blieben um zuletzt in höllisches Lachen auszubrechen.- Oh Ihr sporenklirrenden Waitznergassen-Helden von Pest, ich hätte Euch gerne hierher gerufen um die blühende Lächerlichkeit dieser Tracht im 19-sten Jahrhundert kennen zu lernen. Wir wurden in der That beinahe insultirt. Und dies in Berlin, dem modegrnen Athen, der Königin deutscher Cultunr und Civilisation von der ein Dichter sagte,"daß wenn Wien das Herz, so sei Berlin der Verstand Deutschlands". -

      Um nicht Gegenstand eines Auflaufs zu werden, retteten wir uns endlich in eine Restauration, wo wir unter "tiefernsten" Betrachtungen über den Nationalitäts-Schwindel unser tägliches Brot einnahmen. - Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich dem Spott mit dem man uns gütig traktirte, dem Umstande zuschrieb, daß man uns für Mitglieder der edlen

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      polnischen Nation hielt, die bekanntlich in Berlin auch nicht am besten angeschrieben sind. -

      Wir warteten bis der Abend herankam und mit seinen Schatten mitleidsvoll unser glänzend beknopftes und verschnürtes Kostüm verhüllte und liefen dann in einer anderen ruhigeren Strasse schnurstrecks nach Hause um unsere Anzüge zu wechseln. - Marsch hinein mit dir stolzer Attilla in den dumpfen Koffer aus dem du nimmerwieder auferstehen sollst zu altem Glanz und Ehren. "Fahrt Ihr Freuden dieser Sonne" gegen schwarze Moden umgetauscht.

      Vom wirklichen Berlin hatten wir schon ein Stückchen gesehen, jetzt wollten wir seine Comödie kennen lernen. Wir gingen also ins Theater. Ich weiß nicht mehr war es das Königl. Schauspiel oder Opernhaus. Man gab ein Ballet: "Alladdins Zauberlaterne". Ich hatte mich sehr gut untervhalten. Das Stück, an und für sich gut, war großartig und glänzend aufgeführt. Man sah gleich, daß man in einem Residenztheater war wo es genug "Moos" gab. Es blieb in der That in keiner Beziehung etwas zu wünschen übrig. - Das Balettchor war durchaus tüchtig und brav und reich an Mitgliedern, die Tableaux und Scenerien großartig und effektvoll-überraschend, während das zahlreiche Orchester durch meisterhafte Musik das ihrige dazu beitrug, das Ganze dazu zu gestalten was es immer sein sollte: ein genußvoller Abend. Bei solchen Gelegenheiten beneide ich immer die Bewohner einer Residenz. Besonders lebhaft und mit Vergnügen erinnere ich mich noch eines großen "Amazonenchors" das in glänzender Gold- und Silberrüstung mit Schild und Speer bewaffnet die schwierigsten militärischen Evolutionen auf das Exacteste ausführte. Darum: Hoch die Berliner Ballerinnen ! -


      24 J u n y

      Nachdem wir uns die Genüsse einer Conditorei, die kühlen Schattengänge der "Unter den Linden" und das prachtvolle Denkmal Friedrich des Grossen u.s.w. zu Gemüthe gezogen hatten, besuchten wir die königliche Residenz - d.h. die betreffenden "Hochräume" und Schloßgarten mit seiner riesigen Steinmuschel und hochstrahlenden Fontaine, um uns dann in das weltberühmte Königl. Museum zu begeben. Auf der großen Treppe desselben spielten eine Unzahl von Kindern und wir waren Angenzeuger wie ein wackere Gendarme zugleich das Richter und Henkeramt usurpierte (an sich riß) und praktizirte indem er einen kühnen Representanten der Berliner Strassenjugend für irgend ein Vergehen unerbittlich bestrafte und mit seinen derben pommerschen Faust das "goldblonde" Haar desselben fassend, seinen Kopf zum Schrecken aller Übrigen in die genialsten Schwingungen brachte, was aber den

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      unverwüstlichen Träger desselben nicht verhinderte, seinen Peiniger per Distanz wieder zu verspotten und Grimassen schneidend zu beschimpfen. Auch ein Stück Volksleben, dachte
      ich mir !

      Ich bin nicht in der Lage und besitze nicht die Kraft um die Eindrücke hier wieder zu geben, die das Berliner Museum auf mich machte, geschweige denn in eine detaillirte Beschreibung desselben einzugehen. - Ich kann nur die äußersten Umrisse schwach skizziren. Ein großes architektonisch merkwürdiges Gebäude mit einem großartigen Säulenportikos, dessen innere riesenhafte Felder mit den weltberühmten Kaulbachschen Fresco Malereien, - die einen lebenslänglichen Eindruck auf mich machten, ausgefüllt sind, birgt es in einee Reihe von auf das Eleganteste und Glänzendste ausgestatteten Sälen eine der seltensten Sammlungwn von Meisterstücken der Malerei und Bildhauerei antiker grichischer und römischer Kunst und aller modernen Schulen.- Dies ist alles was ich sagen kann. Nur einzelne wenige Stücke sind meinem Gedächtniß treu geblieben . -

      In allen Räumen waren liverirte königl. Diener postirt, die mit großer Gefälligkeit über alles Auskunft ertheilten - und überall sah man hoffnungsvolle Jünger der Kunst auf Sammetsesseln sitzend irgend ein berühmtes Meisterstück alter Kunst in ihren Skizzenbücher abkonterfeien. - Die Resultate des menschlichen Kunstsinnes von, man darf kühn sagen Jahrtausenden, sind hier in schöner sinnreicher Ordnung vereinigt: alle Zeiten, alle Länder und Völker haben ihren Tribut geliefert.-

      Von solchen Sammlungen haben die materiellen Americaner freilich keine großen Ahnungen, - und doch besitzen solche Dinge, obwohl sie nur das Geld des Volkes kosten, große Fähigkeiten Einem mit dem Prinzip der Monarchie auszusöhnen! -

      Wir hatten Mittagmahl genommen und suchten dann mit Energie nach einem "Kaffeehause", da wir dies ohne Energie schon früher aber vergebens thaten. Auch diesmal blieben unsere Kreuzzüge ohne Erfolg. Es ist dies für uns an "morgenländische Sitten" gewohnten Österreicher ein großer Mangel Berlins. Aber auch in Allgemeinen ist es gewiß, daß es namentlich für einen Fremden keinen besseren Ort giebt, um sich theils auszuruhen, theils sich mit Hilfe der Zeitungen etc. in der fremden Stadt zu orientiren und Pläne für die Ausfüllung der Zeit zu machen, als ein großes Kaffehaus nach Wiener oder auch Pester Muster. Die bekannten Berliner Conditorien bieten in dieser Beziehung nur einen geringen Ersatz, da ihre Räumlichkeiten zu enge und Zahl der Zeitungen schon gering sind. - Nachdem wir diese also unbefriedigt

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      verlassen hatten, wendeten wir uns den Strassenplakatenzu, um da etwas Vernünftiges für den Nachmittag heraus zukalkuliren, Allein das war ein Bemühen ohne Resultat. Wußtenwir denn welchen Omnibus wir uns anvertrauen sollten, um nach diesem oder jenem Unterhaltungsort zu gelangen.Und diese Berliner fragen, das hatten wir schon längst satt, dennwenn man schon eine Antwort erhielt, so war es in jenem "Och Herr Jott, sehn se mal" Jargon, den der Satan aber keinMenschenkind verstehen konnte.- Und doch wollten wir unsamüsiren, hinaus ins Grüne u.s.w. Es blieb also zuletztdoch nichts anders übrig, als in einem Omnibus sich zu begebenund für fünf "Silbergroschen" in die Welt hinein zu kutschiren. Aber o Schrecken! Nach einer halben Stunde des jammerlichsten Räderns waren wir nach vielen Kreuz und Quergennoch immer mitten in der Stadt! - Wir waren durstig und erschöpft und wir mußten gut oder übel wieder in eine Conditorei gehen, um der leidigen Hitze loszuwerden. - Ja du meinLieber, wir waren halt nicht in Wien, wo man in den erstenbesten Omnibus steigt undsicher sein kann, beinahe immer nacheiner halben Stunde an einem lustigen Orte mit Musikklangund Tanzgejauchze ausgesetzt zu werden. -

      Ferdinand wollte aus purem Zorn augenblicklich abreisen. Daim höchsten Stadium der Noth erzeugten die kühlenden Potenzen des Gefrorenen in meinem Gehirn eine exzellente Idee. Esfiel mir ein, daß es in dem herrlichen Berlin ja auch einengewissen "Kroll" und sein berühmtes "Etablissement" gebenmüsse ! Ja das war eine Oase in der Wüste ! Also auf undschnurstracks nach "Kroll's Etablissement" (schlossartige Vergnügungsstätte mit drei großen Sälen, vierzehn Festsälen, zwei Wintergärten und prunkvollen Außenanlagen). Mittelst Omnibus, unsere pedes apostolorum (zu Fuß wie die Apostel)und einigen Glas "Sodawasser" kredenzt durch jene famosen Berliner "Sodajungfern"brachten unsdenn auch glücklich hinaus. -

      Obwohl ziemlich befriedigt, fand ich doch nicht meine Erwartungen erfüllt. Allein das ist ja gewöhnlich so; in den Büchern und auf der Bildern nehmen sich alle Dinge immer viel
      hübscher aus als in der Wirklichkeit. Das Kroll'sche Etablissment, welches zu den Vergnügungsplätzen der Berliner haute-volée (bessere Gesellschaft, Schickeria) gehört, besteht aus einem großen parkähnlichen Garten in dessen Mitte ein Palais-artiges Gebäude sich befindet, welches den berühmten großen Saal, ein nettes kleines Theater, mehrere andere Räume, Conditorei, Restauration u.s.w enthält. - Im Garten, wo vor den essenden und trinkenden Publikum eine gute Musikbande executirte, giebt es noch mehrere andere Objecte der Unterhaltung und Zerstreuung. Da kann man Bolzenschiessen, sich wiegen lassen u.s.w.

      Im Theater, wo man Entree separat bezahlen mußte, gab man ein gutes französisches Lustspiel das im Ganzen sehr gut

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      zusammenging und uns sehr unterhielt.- Der Saal selbst ist sehr geräumig, reich mit Zierathen und besonders vielen Gasflammen ausgestattet, aber lange nicht einzig in seiner Art, obwohl ich gerade nicht sehr viele Säle in meinem Leben gesehen habe. - In einen großen Seitenzimmer war für einige Silbergroschen eine schöne Ausstellung von ausgewählten Galanterei und Nürnbergerwaren (Metallwaren), Luxusmöbeln u.s.w. meist seltene kostbare Stücke, so wie eine Sammlung von Stereoskopen (eine Art frühe 3D-Brillen)zu sehen, die später für irgend einen wohlthätigen Zweck ausgespielt (verlost) wurden.- Man wollte auch uns mit aller Gewalt Loose anhängen.-

      Nachdem wir alle diese Herrlichkeiten sattsam betrachtet hatten, "beschlossen" wir den Tag würdig zu "beschließen" indem wir in Berlin auch tanzen wollten. In der "Berlinischer Zeitung" fanden wir denn auch eine Ankündung eines "Balles", dessen Local nicht fern von unserem Hotel gelegen war und dorthin ließen wir uns also kutschieren. - Hier sollten wir jedoch glänzend enttäuscht werden. Wir kamen um zu tanzen, mußten jedoch schlechterdings diese kühne Absicht aufgeben. Es war da ein großer Saal mit dem Orchester auf einem Balcon in der Höhe, es waren auch Tänzerinnen da, aber - nur keine solchen, die mit uns tanzen wollten. Die "Gretheln" hatten "sehn se mal" jede ihren eigenen "Herrn" mitgebracht und es wäre ein Verbrechen gewesen, hätten sie mit einem Andern als diesem getanzt.

      Oh über die Steifheit der Berliner Sitten! Da lob ich mir Wien! Welch gewaltiger Unterschied! -

      Nachdem wir einen feierlichen Eid gethan hatten, in unserem Leben keine Berlinerin zur Frau zu nehmen, nahmen wir unter Grollen und einigen "Hunszfutt német" (deutsche Schurken) Souper ein, das auch miserable genug war und begaben uns dann wieder auf die Straße hinaus, wo wir noch einige Zeit in Conditoreien und Zigarrenladen herumbummelten und uns dann mit großer Resignation nach Hause und ins Bett begaben. Es thut mir wahrhaftig leid, daß ich nicht mehr genau den Namen des genialen Unternehmer diese "Balles" weiß - wenn ich nicht irre Ollendorf oder Ollenmann, - damit ich ihn hier zum ewigen Warnungszeichen aufzeichnen könnte. -

      Berlin hatten wir nun vollkommen satt; besonders Ferdinand, der ohnehin in jeder Beziehung faul war und keinen Funken von Wißbegierde besaß, so daß er mir mit seiner eckligen Apathie eher hindernd und lästig, als eine angenehme Reisegesellschaft war. Und so machten wir denn aus, der nächsten Tag mit dem Frühzug ab nach Hamburg zu machen, und der schönen Stadt der Wenden (Wenden war die Bezeichnung für Slawen in Deutschland)für immer Valet zu sagen. -

      Die Stadt Berlin für sich machte einen günstigen Eindruck auf mich. Die großen breiten regelmäßigen Strassen mit vielen neuen Häusern verleihen derselben einen modernen

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      Anstrich, doch ging mir das großstädtische Gewühl von Menschenfluten und rasselnden Wagen und Omnibusreihen, das man in Wien findet, ab, woran wohl die Geräumigkeit der Strassen viel ursache sein mag. Es ergreift einem in denselben eine gewisse beengende Einsamkeit, von den man iin Woen nie und nimmer befallen wird.

      Die Bevölkerung aber vollends konnte mir durchaus nicht munden. Die arrogante preussische Steifheit von der ich oft vernommen, fand ich vollkommen bestätigt, dagegen kein Spur ven jene Herzlichkeit und ansprechenden Gemüthlichkeit des Wieners, die einen an das warme Temperament des Südländers erinnert . Freilich liegt Berlin einige Grade dochhöher als Wien, aber Hamburg liegt noch nördlicher und findet man dort eine Fülle echt französischer Lebenslust und Fröhlichkeit. - Meine Eindrücke, die ich empfing, ließenmich wenigstens diese Urtheile fällen. Ich hörte spaterhin andere Meinungen über Berlin, allein sie stammten in der Regel von Preussen oder doch Bewohnern des großen edlen deutschen Kaiserreichs! -



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      • #33
        Noch ein Schmankerl aus Onkel Emils Tagebuch. Er ist grad in NY angekommen und das erste Mal am Broadway .... America 1862 ....

        ***
        Der Broadway ist in der Regel der Corso (Festzug, Demonstrationszug)der eleganten Welt New Yorks, heute aber war es besonders. Das prachtvolle Wetter hatte die Blüthe des schönen Geschlechts auf den Schauplatz gelockt und man konnte einem förmlichen Turnier der reichsten und verschwenderischsten Toiletten beiwohnen. Das ungemein breite Trottoir meist aus riesengroßen Granitplatten bestehend, bietet für die Spaziergänger beiderlei Geschlechts hinlänglichen Raum und wenn ich daher sage, daß oft fünf Damen mit ungeheueren Crinolinen (Reifröcken)auf den selben in einer Reihe einher promenirten, so will das wohl einen Begriff von der Breite desselben geben. - Über die Schönheit der amerikanischen Damen habe ich viel Übles gelesen, hier jedoch hatte ich vollauf Gelegenheit, mich von dem Gegentheil dieser böswilligen.Verleumdungen auf das Glänzendste zu überzeugen. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß die Schönheit hier schnell verblüht und schon im mittleren Alter oft ins Bizarre übergeht, allein die Jungen, - für die muß ich in die Schranken treten. Das sind klassische, anticre Schönheiten, voll Kraft un Frische, Fleisch und Blut. Lebenslust und Vivacität ja oft Übermuth, eine gewisse "sans gene Tornure" (ungeniertes Auftreten) und in vielen Fällen das lodernde Feuer der südlichen Geburt, verleiht ihnen einen eigenthümlichen Reiz.
        Ich weise nicht umsonst auf die Ungebundenheit ihres Benehmens hin. Verbunden mit einem gewissen Hauteuer (Hochmut) und gebieterischem Wesen zeugt dies von der Herrschaft, die sie üben und der Privilegien, die sie besitzen. In der That bilden die Frauen die eigentliche Aristokratie in America, sie sind die einzige bevorzugte Klasse und genießen viele Freiheiten. Die galante Unterwürfigkeit und oft sklavemmäßige Dienstfertigkeit der Männer grenzt oft ans Lächerliche und es ist characteristisch für dieses Land, daß hier ein Weib eine ganze Abhandlung über die Rechte der Frauen schreiben konnte in welchem sie kühn das Recht der Gesetzgebung verlangte und die volle Berechtigung in das Parlament zu Washington gewählt zu werden, für die schönere Hälfte des menschlichen Geschlechts auf des Glänzendsten argumentirte.

        Um diese Kapitel besser zu illustriren will ich blos eine Beispiel aus meinem eigenen Erfahrung wiedergeben,

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        das übrigens eine tagtägliche Erscheinung bildet und nur eines der schwächeren Beweise oben erwähnter Dienstbarkeit der Männerwelt bildet.- Ich fuhr einmal in einem Strasseneisenbahn-Waggon in Chicago. Eine Frau tritt ein und placirt sich neben mir. Sie nimmt phlegmatisch 5 Cts aus ihrem Portemonnaie und indem sie mir dieselben überreicht, murmelt sie mir den Namen einer Strassenecke zu, um sich dann zurückzulehnen und in eine Art apathieschen Halbschlummer zu verfallen. Nun frage ich irgend den vernünftigsten Menschen, ob er bei der größten Weisheit, ohne einige Zeit hier im Lande gewesen zu sein, gewußt hätte, was dies zu bedeuten habe, was seine Obliegenheiten sind? Ich mußte nun vorerst dem Conducteur beim Absammeln die 5 Cts geben und dann mußte ich so lange fleißig aufpassen bis wir zur gewissen Stressenecke kamen, den Wagen halten lassen, sie aus ihrem süßen Schlummer wecken und ihr die höfliche Anzeige machen, daß sie am Ziele sei.- Ein echter Americaner springt bei solchen Gelegenheiten noch früher vom Wagen, um ihr beim Absteigen behilflich zu sein. Und für derlei gallante Dienste erhält man gewöhnlich nicht einmal einen dankenden Blick ! -

        Daß die Polizeimänner nur Damen bein Einsteigen in Omnibusse behilflich sind, finde ich natürlich, daß aber in Fällen, wo bei vollen Omnibussen noch eine Dame einzusteigen wünscht, ein Herr aussteigt, ist wohl lächerlich.-

        Übrigens hat diese Sittenseite Americas auch ihr Gutes. So z.B. kann eine einzelne Frau von einem Ende der Verein. Staaten bis zum andern reisen, ohne den geringsten Insult zu erleiden. Im Falle eines solchen würden wo immer sie auch sei hundert Hände sie beschützen und für sie in den Kampf treten. -

        Auch das Gesetz beschützt die Frauen in auffallender Weise . In manchen Staaten gibt ein weiblicher Zeuge so viel als drei männliche. Besonders hart gegen die Männer sind die Gesetze in Fällen der Verführung, unehelichen Beischlaf u.d.gl. Auf einen einfachen Eid des Mädchens hin, muß der Mann sie heirathen, oder wird mit einer großen Geldbuße bestraft.

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        • #34
          Digitalisierung der Tagebücher Emils abgeschlossen. 660 Seiten A5, 185 tausend Wörter, über eine Million Zeichen. Und unschätzbare, einmalige, unvergleichliche Eindrücke, Einsichten, Teilnahme am Entwicklungsprozeß eines jungen Mannes um 1860. Jetzt wird ein Buch daraus gemacht, ergänzt um Daten, Fakten, Fragen und Vermutungen der bisherigen Ahnenforschung.

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          • #35
            Zitat von eulenspiegel Beitrag anzeigen
            Vielleicht schaffe ich es zu Lebzeiten noch, das ganze Konvolut in den Computer zu tippen und dadurch leichter verfügbar zu machen.

            Auszüge werde ich nach und nach einstellen.
            Na bitte, am Ende hats dann nur gut 3 Monate gedauert 😎 Kurios, wie flott so manche Sisyphos-Arbeit vonstatten gehen kann, wenn man den richtigen Ansatz wählt 💪😁

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            • #36
              👍 Danke für den Hinweis, manchmal ist man wie vernagelt - und sieht den Wald vor lauter Pilzen nicht .....

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              • #37
                Ja, mit dem Verzehr unbekannter Pilze sollte man sehr vorsichtig sein 😎

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                • #38
                  Eindrücke und Gedanken meines Vorfahren Emil bei seiner Ankunft in New York 1861:


                  Ich zog die Gardiene vor die Schaufenster und warf mich der Länge nach auf die rothsammet gepolsterte Bank. Ich fuhr das erstemal auf einer "americanischer" Eisenbahn. Ja, ich war schon auf dem Boden des Columbus, viele hundert Meilen von den Gestaden der Phönizier und Karthager entfernt. Unter meinen Füssen reißt sich mit rasender Schnelligkeit jungfraulicher Boden hinweg, der Boden eiıer neuen Cultur, einer neuen Civilisation, neuer Ideen und Systemen, völlig unbekannt und fremd in den dumpfen, nach den Schimmel des Mittelalters riechenden, von einer gedrückten, unter der Last der Knechtschaft seufzenden Menge erfüllten, vom Angstschrei der nach Freiheit kreischenden Millionen durchhallten Höhlen des alten morschen Europas.

                  Hier aber sind Freiheit und Selbstgouvernement (Selbstbestimmung)die obersten Potenzen. Dies weite ungeheuere, einst nur von wüsten Wäldern bedeckte und den rothen Wilden durchzogene Land, wurde in staunend kurzer Periode umgeschaffen in ein Paradies, in einem blühenden, reichen, mächtigen überall angesehenen Staat, mit weiten gesegneten Culturstrecken voll der edelsten Produkte, mit zahllosen großen und kleinen Städten, die in riesigen Welthandel und unermüdlicher massenhafter Gewerkthätigkeit prosperiren, mit einen weiten Netz ungeheurer Eisenbahnen und schiffbarer Kanälen, bewohnt von einem glücklichen, edlen Volke, das den Schöpfer voll religiöser Pietät nicht vergißt die schuldigen Dankopfer zu bringen: - nicht durch Kaiser und Könige, Polizei und stehende Heere, kostspielige Hofhaltungen und Preßgesetze und all den unentbehrlichen Einrichtungen eines wohl conditionirten europäischen Staates, sondern durch das System der Selbstregierung, der Freiheit, der ewigen Menschenrechte ! ---

                  Ach, daß es keine Ideale auf diesem Erdenrund giebt! Daß wir doch alle nur Mensehen sind, voll irdischer Schwächen! Oder waren es nicht unerschütterliche Facten, die mir in New York auf Schritt und Tritt entgegen traten? Hörte ich nicht die Kriegstrommel auf allen Ecken erdröhnen? Was waren die Schaaren, die in dumpfer Stille den Broadway herabmaschirten? Waren es nicht Soldaten, die aufs blutige Schlachtfeld zogen? Und dann die vielen Werbebüreaux, die Fallen für so viele Tausende von Opfern; die Zeitungen voll schrechlicher Nachrichten vom Kriegsschauplatze, voll Listen von Verwundeten und Todten. Dieser unselige Brüderkrieg von denen (dem)ich in Europa nur die ersten schwachen Vibrationen vernommen, er brennt jetzt schon in himmelhohen Flammen gegen den prächtigen Dom dieses ungeheueren Staatsgebäudes empor und bald wird er krachend zusammenstürzend in seinen Trümmern alles Große und Erhabene, die schönsten Erungenscheíten dieser Hemisphäre, Freiheit, Glück und Leben von Millionen begraben.- Es wird leider nur ein kurzer Traum gewesen sein, die amerikanische Freiheit. Wehe Jenen, die sich hierher unter diesen früher so bewunderungswürdigen Dom der Freiheit und Gleichheit geflüchtet haben. Es wird kein Unterschied gemacht werden zwischen Einheimischen und Fremden: Alle werden ins Mitleid gezogen werden. In diesem Lande der Gleichheit giebt es auch in der Gefahr keinen Unterschied; in diesem Lande der jugendlichen Kraft, der ungebrochenen Energie, der stählernen Prinzipien und unbeugsamen Argumente werden auch die Maßregeln und nie geahnte Mitteln ergriffen werden. Lange, lange wird von einer Erschöpfung nicht die Rede sein. -

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                  Wie heißt die größte deutsche Insel?

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