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Dirk Oschmann: Der Osten - eine westdeutsche Erfindung

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  • Dirk Oschmann: Der Osten - eine westdeutsche Erfindung

    Am Sonntag sah ich bei Phoenix ein Interview mit Dirk Oschmann. Der Titel interessierte mich. "Der Osten - eine westdeutsche Erfindung". Als ich das Gesicht Oschmanns sah, dämmerte mir: 'Den kennst du doch!' Ja, richtig, ich kannte das Gesicht aus Jena. Wir studierten gemeinsam Germanistik unter u.a. Prof. Willems. Er war allerdings höhersemestrig, obwohl er jünger war. Nun muß man als Nicht-DDR-ler wissen, daß das Germanistik-Studium zu DDR-Zeiten ein Elite-Studium war. Es gab jährlich sechs Plätze zu vergeben - wenn überhaupt. Die Universitäten Jena, Leipzig und Bärlin wechselten jährlich mit der Aufnahme eines neuen Studienganges. Daß man mich nicht mißversteht, es gab etliche Lehramtstudiengänge mit "Deutsch", aber das Diplomgermanist-Studium gab es eben nur für sechs Leute - republikweit. Er begann sofort nach dem Abitur mit dem Studium. Das kann zwei Gründe haben: Entweder war er privilegiert, also Parteibonzensohn oder Stasi-Mitarbeiter oder er war wehrdienstuntauglich. Im Interview sagte er etwas von kaputten Knien. Zugleich berichtet er in seinem Buch von einem Großvater, der als Tischler freiberuflich arbeitete und in der DDR kurzzeitig Berufsverbot erhielt, weil er zu viel Geld verdient und das offenbar nicht korrekt versteuert hatte. Dann darf der Großvater doch wieder als freiberuflicher Tischler arbeiten. Sein Vater kam auch aus der Arbeiterklasse. Beste Voraussetzungen für ein Germanistik-Studium. Mir war das leider nicht vergönnt. Als ich 1990 endlich Germanistik studieren durfte, weil im Zuge der Teilwiedervereinigung auch die Uni Jena ihre Tore für Studenten weit öffnete, sagte mir die freundliche Dame im Immatrikulationsbüro lapidar: "Jetzt dürfen Sie ja." Da hatte Oschmann offenbar aus seinem Lehramtsstudium auch ein Magister-Studium (aus Diplom- wurde Magisterstudium, aus dem Diplomlehrer- ein Lehramtstudium) generiert, wie das 1990 durchaus üblich war. Er verschwand dann auch bald nach Amerika, machte dort ein Auslandssemester, kam aber wieder zurück und wir liefen uns einige Male über den akademischen Weg.
    Warum ist das wichtig?
    Ich erzähle das, weil Oschmann in seinem Buch viele biographische Details erzählt, die in mir allerdings zu anderen Schlüssen führen, als er sie selber für sich reklamiert. Er war ein Kind der Elite in der DDR. Ich nicht. Er war ein Arbeiterkind. Ich bin es nicht. Er durfte studieren. Ich schob Kulissen. Alles halb so schlimm, möchte man meinen: Am Ende werden wir doch, was wir werden sollen. Nein, es ist wenigstens zum Teil widerlich, was Oschmann in seinem Buch macht. Aber damit auch hier kein falscher Eindruck entsteht: Das Buch ist wenigstens in Teilen sehr gut, eine parodistische Streitschrift, die pointiert und nicht kumulativ abwägt, eine beinahe verbrämte DDR-Elitenabrechnung mit dem Westestablishment, das unser Land allmählich in den Abgrund führt, weil Selbsthaß, Unklarheit über die eigene Identität und die Unfähigkeit, das Volk zu führen, diese Elite pragmatisch-ziellos (das ist kein Widerspruch!) apokalyptische Politik machen läßt, die sich vielleicht mit weichgespülten Hirnen im Westen, nicht aber mit dialektisch-geschulten MItteldeutschen machen läßt. Oschmann spricht allerdings letztlich mit zwei Zungen, mit der Zunge des im Westen angekommenen Emporkömmlings, eines/m Teilhabenden an der Macht, und zugleich, angesichts seiner Vita, fabuliert er angenehm klar aus dem Blickwinkel eines zu Stuckdeckenwohnung in der Innenstadt gekommenen Arbeitersohnes, der sein Glück wohl zu schätzen weiß, aber mit einem Fuß immer noch in den Moralvorstellungen eines hochgekommenen Proletariers wurzelt, was er nicht ablegen möchte: Er trägt auch 27 Jahre nach dem Tode seines geliebten Großvaters dessen Uhr. (Ich kann ihn nur darum beneiden, meine Großväter fielen im Kampf gegen die seinerzeitigen Feinde Deutschlands.)
    Und damit bin ich bei einer der Hauptfragen dieses Buches, der nach dem Motiv. Motivik ergibt sich aber immer aus wenigstens zweierlei:
    1. Wo steht der Autor weltanschaulich?
    2. Womit identifiziert er sich? Wonach strebt er?
    Die erste Frage beantwortet der Autor damit, daß er sich als GRÜNEn-Wähler bezeichnet, als jemand, dem Freiheit und Gerechtigkeit besonders wichtig seien. Er befaßt sich ein Leben lang mit der deutschen Literatur von 1750 bis 1933, also mit der Blütezeit unserer Literatur, und er nennt explizit Leute wie Schiller, Goethe, Kleist oder auch Brecht, Mann und Nietzsche als Gewährsleute eben jener Hochzeit unseres Denkens und Fühlens.
    Nun ja... Dazu darf ich folgendes sagen: Keiner der Genannten würde heute die GRÜNEn wählen, denn keiner von den Genannten schrieb sich so etwas Vages wie "Gerechtigkeit" auf seine to-do-Liste. Im Gegenteil: Nietzsche sprach sich sogar explizit gegen das Streben nach Gerechtigkeit aus. Ich erinnre an

    erstellt von Friedricus Rex in "Menschliches - Allzumenschliches, Band I, Kap. 32":

    Ungerechtsein notwendig. – Alle Urteile über den Wert des Lebens sind unlogisch entwickelt und deshalb ungerecht. Die Unreinheit des Urteils liegt erstens in der Art, wie das Material vorliegt, nämlich sehr unvollständig, zweitens in der Art, wie daraus die Summe gebildet wird, und drittens darin, daß jedes einzelne Stück des Materials wieder das Resultat unreinen Erkennens ist, und zwar dies mit voller Notwendigkeit. Keine Erfahrung zum Beispiel über einen Menschen, stünde er uns auch noch so nah, kann vollständig sein, so daß wir ein logisches Recht zu einer Gesamtabschätzung desselben hätten; alle Schätzungen sind voreilig und müssen es sein. Endlich ist das Maß, womit wir messen, unser Wesen, keine unabänderliche Größe, wir haben Stimmungen und Schwankungen, und doch müßten wir uns selbst als ein festes Maß kennen, um das Verhältnis irgend einer Sache zu uns gerecht abzuschätzen. Vielleicht wird aus alledem folgen, daß man gar nicht urteilen sollte; wenn man aber nur leben könnte ohne abzuschätzen, ohne Abneigung und Zuneigung zu haben! – denn alles Abgeneigtsein hängt mit einer Schätzung zusammen, ebenso alles Geneigtsein. Ein Trieb zu etwas oder von etwas weg, ohne ein Gefühl davon, daß man das Förderliche wolle, dem Schädlichen ausweiche, ein Trieb ohne eine Art von erkennender Abschätzung über den Wert des Zieles existiert beim Menschen nicht. Wir sind von vornherein unlogische und daher ungerechte Wesen und können dies erkennen: dies ist eine der größten und unauflösbarsten Disharmonien des Daseins.
    Ich möchte soweit gehen, daß keiner der Genannten mit so etwas wie der westlichen Demokratie etwas Positiv-Konnotiertes verband. Begründung? Wer Freiheit und Gerechtigkeit zusammendenkt, der will einen jakobitischen Staat, der hat das Prinzip der Freiheit nicht verstanden. Freiheit ist das eherne Gesetz des Willens, unser Daseinskampf. Gerechtigkeit? Pah! Und auch mag man sagen, es gäbe keine Willensfreiheit, so treibt uns doch der Wunsch, daß wir die Herren über unser Tun sein mögen. Gerechtigkeit aber schränkt ein. Das Streben danach führt zur Zivilisation, ist Westen, ist Demokratie, ist Interessenausgleich, letztlich Gleichheit, in der sich die an die Spitze setzen, die etwas mehr gleich sind, also letztlich führt das in einen Faschismus. - Freiheit dagegen ist Osten (Das Wort/Licht aber kam aus Osten zu uns, sagt Hölderlin), ist der Kampf ums Dasein, ist der auf individuellem Willensdiktat basierende Ausgleich, die Zuweisung von Lebenssphären zum Zwecke der bloßen Lebensraumsicherung (national, regional, familiär, sozial, individuell), was ein Leben in Selbstbestimmung erst möglich macht, wo Liebe kein Akzidenz, sondern Substanz des Zusammenlebens bildet.

    Damit bin ich bei der Kernfrage an Buch und Autor: Wie soll die Malaise gelöst werden? Wer soll die Problematik lösen? Glaubt Oschmann, daß dies seine GRÜNE Partei schafft oder auch nur will? Die SPD, die CDU, die FDP, die LINKE? Jeder polemische Text besitzt einen konkreten Adressaten, der nach der Polemik sein Verhalten ändern soll. Warum sollten die genannten Parteien ihr Verhalten, ihre Einstellung oder auch nur ihre kurzfristigen Ziele ändern? Das ist die Frage nach dem pragmatisch-kurzfristigen Ziel des Buches. Die einfache Antwort darauf habe ich in Form einer Frage gegeben. Die komplexere Antwort ist noch zu geben. Aber hole ich ein wenig aus. Als ich meiner Mutter von diesem Buch und seiner These erzählte, zuckte sie mit den Schultern und meinte nur: "Ich folge meinem eigenen Kompaß. Ich brauche niemanden, der meine Kämpfe kämpft." - Ja, das habe ich von ihr gelernt. Meinen Éinwand, daß nicht jeder Mensch dazu in der Lage sei, beantwortete sie mit einem Schulterzucken und murmelte was von "Jammer-Ossieh".

    Die historische Antwort: Ein Blick auf unsere Geschichte zeigt uns wechselnde Zentren der Macht. Das unterscheidet unsere Geschichte von der beinahe aller anderen Völker. Geschichte ist immer im Fluß, was bedeutet, daß es kein Ende der Geschichte gibt, daß Menschen, solange sie Menschen sind, immer in Bewegung sind: körperlich, geistig, hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen, hinsichtlich dessen, was ihr Naturell ausmacht: Pragmatismus und der Stand der ontogentischen Entwicklung des Menschengeschlechts. Zeiten mit klar materiellem Interesse werden von Zeiten abgelöst, bei denen Ideen im Vordergrund stehen. Glücklich sind die Zeiten zu nennen, in denen beide Eckpunkte menschlichen Strebens miteinander verbunden werden können.

    Unsere Geschichte seit der Begründung einer staatlichen Ordnung läßt sich grob in acht Epochen einteilen:
    1. die karolingische Zeit (8.-10. Jhd., Stoßrichtung Norden, Osten; Machtzentrum im Westen: Aachen)
    2. die ottonische Zeit (10.-11. Jhd., Stoßrichtung Norden, Osten, Süden; Machtzentrum im Osten: Magdeburg)
    3. die staufische Zeit (11.-13. Jhd., Stoßrichtung: Süden; Machtzentren im Südwesten)
    4. die anarchische Zeit (14.-17. Jhd., innere Wirren; kein Machtzentrum)
    5. die habsburgische Zeit (13.-20. Jhd., Stoßrichtung Süden, Osten, Westen; Machtzentren im Südosten und Südwesten: Wien, Madrid)
    6. die preußische Zeit (15.-20. Jhd., Stoßrichtung Osten, Westen, Norden; Machtzentrum Bärlin)
    7. die Nazi-Zeit (1933-45, Stoßrichtung Osten; Machtzentren München, Berlin)
    8. die Rheinbund-Zeit oder Peripherie-Zeit (1949-heute; Stoßrichtung Osten, Süden; Machtzentren Rhein-Main, München)

    9. Europa (?)

    Die Zeiten sind jeweils verbunden mit Machtzentren. Dabei fällt auf, daß unsere Machtzentren nicht hin- und herwechselten und nie im Zentrum des Reiches/Deutschlands saßen, sondern immer an den Rändern. Ich möchte nur auf die achte, gegenwärtige Epoche näher eingehen:
    Die Politik der BRD ist kleingeistig, westlich, pragmatisch und zivilisiert. Das ist die Folge der Westeinbindung, wie sie die westlichen Landesteile seit zweihundert, dreihundert Jahren betreiben. Separatisten ohne Patriotismus: auf den eigenen Vorteil bedacht, unterwürfig, einfallslos, ohne Wurf. Die itzige BRD entspricht dem Rheinbund, als sich um 1800 deutsche Fürsten verabredeten, eine Zuarbeitsvereinigung für Napoleon, die ihren Status als Gebietsherrscher statuierte. Um etwaigen Widerstand in der Bevölkerung auszuhebeln, setzte man eine mutmaßliche (zentralistische) Gesetzgebung durch, den Code Napoleon, der heute als Fortschrittsbuch bezeichnet wird. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Rheinbund-Gegenden wirtschaftlich, politisch und kulturell ein Mauerblümchendasein in Deutschland gefristet. Nur im Mittelalter gab es ein paar Dichter aus dem Fränkischen und mit Hildegard von Bingen auch eine rheinische Künstlernatur von Weltbedeutung. Ansonsten tristesse. Erblühte einmal eine bedeutsame Seele, so verließ sie die Heimat, um in Thüringen, Wien oder Preußen ihr Glück zu machen. Das betrifft Hölderlin wie Schiller, Goethe oder Beethoven gleichermaßen. Keiner dieser Leute wäre zu Weltruhm und -bedeutung gelangt, wären sie im Westen geblieben. Zu stickig die engherzige Athmosphäre, zu dogmatisch, zu katholisch, zu zivilisiert. Auf solchem Boden kann keine Kultur gedeihen; sie bringt Klopapier, eine Wasserspülung und den Reißverschluß hervor, aber keine Oper, kein Drama, keinen philosophischen Entwurf, keinen Bach, keinen Luther, keinen Nietzsche, keinen Händel, keinen Schönberg, keinen Novalis oder Kant, keinen Mozart und keinen Fichte.
    Um es an einem großen Dichter exemplarisch zu belegen: Goethes Vater wanderte aus dem Thüringischen nach Hessen ein, weil sich in Frankfurt/Main für einen Kaufmann schlichtweg schneller Geld verdienen läßt. Goethe floh zweimal aus diesem goldenen Käfig, einmal als sehr junger Mann, ein zweites Mal als junger Mann. Er zog das Kaff Weimar der pulsierenden Gelddruckwerkstatt Frankfurt vor. Er floh auch Weimar, weil das in seiner Natur lag, aber er kehrte zurück, denn er wußte, hier würde er wachsen können. In Frankfurt/Main aber würde er künstlerisch und menschlich vor die Hunde gehen. Er entschied sich gegen das Geld und für die Freiheit. Ähnlich war es für Schiller, Hegel oder Brecht. Das kulturelle Herz Deutschlands schlug in Mittel- und Ostdeutschland, nicht aber in den Rheinbund-Staaten. Marx und Heine verließen diese Gebiete. Mancheiner zog sich in die Einsamkeit zurück, der heimatverbunden war, Walser, Jünger, Heidegger. Keine Luft zum atmen in der rheinbündisch-diversifizierenden Öffentlichkeit, die strikte Treue zu den gleichmacherischen Grundsätzen verlangt und die Welt dogmatisch in Gute und Böse unterteilt - wie beim Fußball. Mann kann doch nicht für beide Mannschaften den Daumen drücken!
    Und genau das führte zu den politischen Folgen und zur Gegenwart.

    Die politische Antwort: Die BRD ist ein Separationsgebilde, erschaffen von rheinischen und bayrischen Separatisten. Sie ist im Grunde eine katholische Schöpfung. Adenauer und Strauß. Hundertfünfzig Jahre zuvor erschufen Bayern und rheinische Duodezfürsten ein ähnliches Gebilde, das von den nationalen Kräften um die preußischen und österreichischen Fürsten 1813 zerschlagen wurde. (Randbemerkung: Es ist kein Zufall, daß die sächsischen Soldaten während der entscheidenden Schlacht bei Leipzig die Bajonette umdrehten und gegen Bayern, Rheinländer und Franzosen richteten; vielleicht werfen deshalb viele Rheinbündler in diesen Tagen den Sachsen besonders exemplarisch ihr Nazisein vor.) Nach dem Sieg wurden die Bayern kleingehalten, später gekauft, das Rheinland kam weitgehend unter preußische Herrschaft und wurde industrialisiert. Am Ende des Ersten Weltkriegs witterten die Separatisten Morgenluft. Aber der größte Teil des Volkes wollte keine Separierung, das Besitzbürgertum schon. So mußte es bis nach dem nächsten Krieg warten, dann schlug die historische Chance. Unter dem Deckmantel der Westeinbindung konnte der alte Traum verwirklicht werden. Historische Kompensation für jahrhundertelange Bedeutungslosigkeit in politischer, philosophischer oder kultureller Hinsicht. Das machtvolle Wort des Geldverdienens ersetzte Kultur. Zivilisation und Frieden statt menschliche Entwicklung und Idealismus. Der Rheinbund 2.0 verwirklichte sich als BRD, die es nun in einem Kreuzzug wie anno 1812 nach Osten zieht, um den Osten dem Westen einzuverleiben. - Grüne Kreuzritter!

  • #2
    passend zum Thema hat ein Kommunikationswissenschaftler ein Buch auflegen lassen: Michael Meyen: Wie ich meine Uni verlor.


    Michael Meyen lernte zu Ost-Zeiten im „Roten Kloster“ in Leipzig, arbeitete bis vor kurzem an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Eine Karriere, die ich vielleicht auch hätte machen können, wenn ich denn gewollt hätte und dazu bestimmt worden wäre. Allein, ich stehe in einer Reihe, die ich fortsetzen muß, deshalb hier nicht von mir. Aber es gibt Parallelen.


    Meyen studierte noch zu Ost-Zeiten an einer der beiden Unis, auf die ich auch gehen wollte, hier die Uni Leipzig. In der Wendezeit erlebten die mitteldeutschen Unis einen bemerkenswerter Freiheitsschub. Plötzlich wurde all das thematisiert, was zuvor nur im Freundeskreis besprochen werden konnte. Freiheit lautete das Stichwort, über das sich Forschung und Lehre fortan definieren sollte. Doch es kam anders. Die guten Leute wurden vertrieben und durch Westdeutsche ersetzt, die es im Westen meist nur in den akademischen Mittelbau geschafft hatten, aber politisch unbedenklich schienen, meist sogar linksgrün dachten. Im Osten dachte kaum jemand so, auch in der Avantgarde waren das bestenfalls Randerscheinungen. Ich weiß, wovon ich spreche, ich gehörte selber zu dieser Avantgarde.
    Meyen nun forschte zur Pressefreiheit während der Weimarer Republik, als die Presse bekanntermaßen noch sehr frei von rechts bis links war. Diese Freiheit gedachte er, auch in die neue Praxis der gewachsenen BRD umzusetzen. Ein Fehlschluß. Die BRD duldet nichts Weißes, sie duldet nur Regung und Streben, grün muß es sich regen, dann macht man Karriere. Also nannte ihn der SPIEGEL „Professor Kokolores“ und damit war wohl der erste Sargnagel in die Karriere und in das Ansehen Meyens geschlagen.

    Gelebte Freiheit bedarf selbstbewußter und selbständiger Geister. Meyen kritisierte die bundesdeutsche Studentenschaft, auch das System, was dazu führte, daß bundesdeutsche Studenten eben das sind, was sie sind: Kinder. Sie müssen sich kaum um ihre soziale Sicherheit sorgen, ein Rundum-Paket des Staates schafft eine Mentalität, in der Leistung nur eine Option von vielen bleibt, um es positiv auszudrücken. Sie müssen während des Studiums wenig denken, sie müssen etwas aufsagen und sich bekennen.

    erstellt von Vera Lengsfeld:
    Schlimmer noch, nach Meyens Analyse wird alles dafür getan, daß Studenten Kinder bleiben. Das Ergebnis ist, daß heute Kommentare zur Lage der Nation abgegeben werden, die früher als Volontärniveau gegolten hätten. Der Lehrbetrieb wird immer mehr zum Haltungsforderer. Das erinnert fatal an die DDR. Damals mußte man sich bekennen, „Propagandist des Proletariats“ zu sein, der den „Klassenfeind“ öffentlich verabscheuen mußte. Heute sind es Bekenntnisse zu Vielfalt, Gendern, Corona oder menschengemachtem Klimawandel, die abgelegt werden müssen, um die akademische Leiter problemlos aufsteigen zu können.
    Kurzum: Wir brauchen eine Hochschulreform. 90% der Studenten sollten Berufe lernen, bestenfalls ein Fachhochschulstudium absolvieren, aber nicht die Universitäten mit ihrer Durchschnittlichkeit daran hindern, frei zu athmen. 90% der Universitätskader gehören auch dazu. Wir brauchen keinen Gender-Quatsch, keine hunderttausenden Germanisten, Sozial-, Politik oder auch Kommunikationswissenschaftler. Wir brauchen Ärzte, Ingenieure, Lehrer, Techniker und Wissenschaftler.

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    • #3
      Stimme dem soweit zu, bis auf folgendem:

      Sie müssen sich kaum um ihre soziale Sicherheit sorgen, ein Rundum-Paket des Staates schafft eine Mentalität, in der Leistung nur eine Option von vielen bleibt, um es positiv auszudrücken

      Kopiert aus dem Wolkenstein Forum:https://forum.vonwolkenstein.de/foru...ng#post3088​
      das von Dir so genannte „Rundum-Paket“ ist nur ein Mythos, eine Phantasie, eine trügerische (soziale) Sicherheit. Sie ist stattdessen vielmehr der Grundstein für eine spätere Abhängigkeit (allem voran BaFöG) vom System mit den hier schon allzu oft erörterten Nebenwirkungen für das Individuum selber und die Gesellsxhaft 😕

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