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M. Inhoff: Prosopopeia

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  • M. Inhoff: Prosopopeia

    Manche der in diesem Lyrik-Band veröffentlichten Gedichte sind gelungen, einige sind mißlungen, etliche sind schwer verständlich. Aber der Reihe nach. Beginnen wir mit den guten Texten:
    Einen guten lyrischen Text kennzeichnet dreierlei:
    1. Bildhaftigkeit;
    2. Verbindung von Bild und Inhalt und
    3. Verbindung von Bild, Inhalt und Botschaft im Leser.
    Wer nur für sich selber schreibt, also keinen Leser erreichen will, der sollte seine Texte nicht publizieren.
    Andererseits, also aus Sicht des Lesers, muß man einem Autoren auch Zeit geben, seine Gedanken formal zu ordnen und letztlich dem zuzuführen, worum es ihm geht. Gedichte sind vor allem Form. Wie nun, wenn der Autor die Form dazu benutzt, seine Inhalte zu verschleiern? Oder, noch verquaster: Wenn der Autor kein klares Formempfinden hat und zudem noch unklar darüber ist, was er sagen möchte. Er weiß nur, wie voll sein Herz ist und daß es überquillt, wenn er kein Ventil findet, die Sprache (!), um sich ins Gleichgewicht zu bringen? Aber warum sollten wir Leser uns das antun? Sind wir ein Auffangbecken für Seelenarbeit? Psychiater her! Therapeuten braucht das Land. Nein! Weniger Therapeuten braucht das Land. Die Leute sollen miteinander streiten und ihre Probleme nicht zu Fremden bringen, die dafür bezahlt werden, um bezahlt zu werden.

    Zurück zu M.I.:

    Ich las ein Dutzend Texte. Folgende davon halte ich für gelungen: Antrag, Nichts verläßt mich und Haindorf. Für nicht gelungen halte ich:





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    Was gelang hier? Der Text enthält einige Wörter, die mir nicht bekannt waren: ausgerachelt, passeken oder auch ausgelercht. "brätzeln" kann ich mir kontextuell erschließen, wenngleich es mir schwerfällt, Putz in Brezelform von der Decke rieseln zu sehen. Aber vielleicht meint Brezel auch nichts anderes als einen Teil von einem Etwas - und das läßt sich dann auf die Textstelle schon anwenden. Das habe ich mir erschlossen. Aber ernsthaft gesucht: Das Wörterbuch kennt diese Wörter nicht. Bei google findet sich auch kaum Brauchbares. Aber es sind deutsche Wörter, Archaismen. Wenn ich sie nicht kenne, dürfte sie kaum jemand kennen. Wenn der Autor Wörter benutzt, die nur wenige kennen, dann will er den Text verschließen - oder er will Wörter retten. Das wird oft dazu führen, daß der Leser abschaltet, den Text nicht weiterliest, sich überfordert oder bemüßigt fühlt -. oder verklappst. Nun, ich wollte wissen, was die Wörter bedeuten. Nur bei "passeken" bin ich mir nicht sicher. Vielleicht bedeutet es pscht, vielleicht bedeutet es einpissen, vielleicht bedeutet es nur eine Handbewegung, die zur Vorsicht gemahnen soll. Jedenfalls sind die Wörter allesamt östlich, ich würde meinen, sie sind siebenbürgisch oder schlesisch. Sie passen in diesen Text, der Erinnerungen aus Kindertagen bemüht, und ich bin berührt. Gut. Lyrische Texte müssen berühren, geistig oder körperlich. Sonst wie.
    meist sind die Verse dreihebig, eine Stelle ist unschön, die mit dem Putz, der brätzelt. Zwei Betonungen aufeinander. Das ließe sich nur dann entschuldigen, wenn darin die Kernbotschaft des Textes liegen sollte, in diesem Formbruch. Ja, bröckelnder Putz läßt etwas verschwinden. Ein Bruch im Dasein. Aber hier ist der brätzelnde Putz doch nur wie Lackmus, er kündigt uns das an, worum es wohl eigentlich geht, um eine SIE, die kömmt. Trotz dieses Makels gefällt mir der Text.
    Weniger gefiel mir zum Beispiel der unter diesem stehende Text, dem ich eine "5" geben mußte - ich bewerte beim Durchlesen lyrischer Texte dieselben anfangs mit einer Note, treffe so eine Vorauswahl. Später befasse ich mich dann mit den sehr guten näher, manchmal auch mit den schlechten. Zuweilen werden die anfangs für schlecht gehaltenen Texte beim zweiten Lesen besser, meistens nicht. der text verwirrt mich nicht nur, ich halte ihn für verworren. Ja, eine Dreiteilung, wie ich es liebe. Ja, ein Bezug zu Canetti, der aus mir nicht erfindlichen Gründen an den Hochschulen Kultstatus zu besitzen scheint. (Ich besuchte in den 1990er Jahren in Jena ein Canetti-Seminar, nicht, weil ich ihn mochte, sondern weil meine Frau ihn mochte und ich sie so besser zu verstehen hoffte.) Ich verstehe das Besondere an diesem Schriftsteller bis heute nicht, obgleich ich nun fast alles von ihm gelesen habe. An "Die gerettte Zunge" kann ich mich noch positiv erinnern. Kindheit in Wien und Jugend in Bärlin. Ja ja. Seine historischen Betrachtungen fand ich amüsant, aber wenig bedeutsam.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: inhoff_kritik - 0002.jpg Ansichten: 6 Größe: 46,1 KB ID: 2582
    Ich will mein Urteil "verworren" begründen. Da ist zum einen die Form. Zwar begrüße ich jede formale Dreiteilung, allerdings nur dann, wenn sie mit einer inhaltlichen korreliert. Meinetwegen darf frei lyrisiert werden, aber nur dann, wenn es Rhythmen gibt. Meinetwegen darf nur ein Wort auf der Zeile den Vers bilden, aber dann doch bitte mit Sinn, nicht gespreizt, nicht aus Platzgründen, nicht zufällig geworfen. Es heißt Dichtung und nicht Werfung.
    Das sind ein paar meiner Kriterien zur Bewertung eines Gedichts. Wende ich diese Kriterien auf diesen Text an, so stelle ich fest, daß weder das eine noch das andere Kriterium hier Anwendung finden kann. nullum
    Den Verweis auf Canetti verstehe ich auch nicht. Soll das eine Anspielung auf die Vertreibung in das Land sein, in dem Milch und Honig fließen oder eine Anspielung auf sein Buch "Masse und Macht", in dem u.a. Eßgewohnheiten dem Sozialstatus subsumiert werden? Ein Hinweis auf die notwendige Deutung wäre hier angebracht gewesen.

  • #2
    edition-mantel.ch

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    • #3

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