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Deutsch-Südwest - deutsche Kolonien
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Dann ändere doch im thementitel mal in deutsche kolonien in deutsche schutzgebiete ?
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Ich habe das rustag von 1913 gelesen. In Betracht kommen zwei §§: 2 und 8:
§ 2
[1] Elsaß-Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
[2] Die Schutzgebiete gelten im Sinne dieses Gesetzes als Inland.
[3] Deutschösterreich gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
§ 8
[1] Ein Ausländer, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaat, in dessen Gebiete der Niederlassung erfolgt ist, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er
1. nach den Gesetzen seiner bisherigen Heimat unbeschränkt geschäftsfähig ist oder nach den deutschen Gesetzen unbeschränkt geschäftsfähig sein würde oder der Antrag in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gestellt wird,
2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat,
3. an dem Orte seiner Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und
4. an diesem Orte sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.
Sehr interessant. Demnach sind alle in Deutsch-Österreich Lebenden Deutsche im Sine des Gesetzes. Anders gesagt: Der Krieg gegen Serbien 1914 war kein Bündnisfall, sondern eine Sache Deutschlands (unter Einschluß Östreichs) gegen Serbien. Das bringt neue Perspektiven.
Andererseits wird hier auch zwischen Bundesstaat (das Reich war eine Konföderation mehrerer souveräner Staaten und kein Nationalstaat) und Inland unterschieden. Für die im "Inland" Afrikas lebenden Nichtdeutschen bedeutet das, daß sie das Recht besaßen, nach einem Zeitraum X (acht Jahre) einen Antrag auf die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft zu stellen. Das wurde nicht erreicht, weil der Krieg dazwischenkam. Interessant ist auch, daß im Gesetzestext das Wort "Kolonie" vermieden wird. Wie ich bereits sagte: Wir hatten gar keine Kolonien, sondern nur Schutzgebiete. Anders gesagt: jede Überführung von irgendeinem Stück "Kunst" erfolgte privatrechtlich und inhämisch. Der "Schutz" des Reiches bezog sich auf die Schutzpflicht des Reiches gegenüber seinen Staatsbürgern, nicht auf irgendwas anderes. Es war rechtlich gesehen kein Unterschied, ob das Reich diesen Schutz in Magdeburg, Wien oder Windhuk ausübte. Alles war Bundesstaat oder Inland.
Ein Aufbau staatlicher Strukturen in den Schuitzgebieten war erst im Entstehen. In Deutsch-Österreich gab es wohl eigene Strukturen. ?
Andererseits besaß KEINER der Afrikaner überhaupt irgendeine Staatsbürgerschaft, weil es in Afrika zu dieser Zeit keine eigenständigen Staaten gab, geschweige überhaupt eine Vorstellung über die Bedeutung und Funktion einer Nationalstaatlichkeit gab. Diese Glücklichen! ich bin selber Anarchist genug, um jedwede Staatsbürgerschaft als einen Anfang von vielen Übeln zu betrachten. Bestenfalls akzeptiere ich Indigenat.
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1912 änderte sich vieles in der deutschen Kolonialpolitik. Ich glaube, ab diesem Zeitpunkt begann man, auch an den wirtschaftlichen (zukünftigen) Nutzen der mittenmang erworbenen Schutzgebiete zu denken. Vorher nur sehr zaghaft udn unsystematisch.
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Zitat von WirbelFCM Beitrag anzeigen
in einem muß ich Dir allerdings widersprechen: die deutschen Kolonien galten sehr wohl offiziell als Reichsgebiet.
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Ja das bestätigen auch meine Recherchen dazu, dass die deutschen Kolonialisten deutlich beliebter waren als die Konkurrenz aus Spanien, Frankreich, England, Holland & Co.
in einem muß ich Dir allerdings widersprechen: die deutschen Kolonien galten sehr wohl offiziell als Reichsgebiet. So konnten die dortigen Ureinwohner sogar die Reichsangehörigkeit beantragen. Grundsätzlich gab es drei Formen der Reichsangehörigkeit: die durch Abstammung (also Nationalität durch deutsche Vorfahren), die durch Beheimatung im Reich und die durch die Zugehörigkeit zu einer deutschen Kolonie (im Original hieß das glaub ich mittelbare und unmittelbare Reichszugehörigkeit). Mal im RuStAG von 1912 nachschlagen.
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Ich lese hier immer Raubkunst. Jeder Händler wäre demnach ein Räuber. Sagte schon Marx. Der hatte das mit dem Mehrwert nicht wirklich begriffen, aber er hatte einen Standpunkt. Raub bedeutet gewaltsamer Diebstahl, also Diebstahl unter Androhung oder Anwendung von Gewalt. Davon kann bei deutschen Kunstsammlern aus dem 19. Jahrhundert wohl kaum die Rede sein. Und wer sich heute hinstellt und behauptet, er wisse, was damals in Afrika oder sonstwo auf der Welt an brutalen Methoden durch deutsche Kolonisatoren begangen worden sei, der lügt schlichtweg. Im Unterschied zu amerikanischen, britischen, spanischen, russischen oder französischen Kolonisatoren hatten unsere Ahnen einen völlig anderen Ansatz, der nicht auf Ermordung oder Einverleibung der Einheimischen zielte, sondern auf Ansiedlung deutscher Siedler, Ausbau der Infrastruktur und Vorbereitung zur wirtschaftlichen Expansion. Aber zu dieser kam es nicht mehr, weil wir den Weltkrieg verloren und uns zurückziehen mußten - sehr zum Leidwesen der damaligen Kolonien. Die deutschen Kolonien waren keine Reichsterritorien, sondern bestenfalls Schutzgebiete, dies aber freiwillig, also auf Anfrage im Reich. Nicht immer wurde dieser Schutz gewährt. Bismarck beispielsweise war ein strikter Gegner der Erwerbung von Kolonien und bezeichnete sie als Schwindel, womit er die von Imperialisten geprisenen wirtschaftlichen Vorteile meinte. Sein Umdenken 1884 war taktischer Natur und führte keineswegs zu einer aggressiven Expansionspolitik. Die Verträge mit den Einheimischen waren privatrechtlich, egal ob sie Lüderitz oder Koch oder Schmidt hießen. Leute wie Schweitzer sind typisch für die deutsche Kolonialpolitik. Wer baut schon Krankenstationen im Urwald? Vor Schweitzer keiner. So was wäre Amerikanern im Wilden Westen oder Russen in Sibirien, Engländern in Indien oder Franzosen in Nordafrika nie eingefallen.
Das vielen im Hirn wabernde Auftreten General von Trothas in Südwest war eine Reaktion, keine Handlung aus einem Muster. Auf Nachfrage erkläre ich das gern näher.
Kurz gefaßt: Es gibt keine deutsche Raubkunst im Kontext der Kolonialpolitik.
P.S. Die zurückgegeben Benin-Büsten sind aus dem Museum in Nigeria verschwunden. Sie wurden an Privatinteressierte verkauft. Das Geld dafür hat wohl irgendwer. Toll gelaufen! Aber vorhersehbar, denn in Afrika gibt es kein Bewußtsein für Geschichte, das auch nur den Aufbau einer musealen Struktur in irgendweinem Land bewirken könnte. Klarerweise verschwinden dann zurückgegebene "Raubkunstwerke".
Danke, Baerbock und Roth.
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Deutsch-Südwest - deutsche Kolonien
Fortsetzung des Ordners aus dem alten Forum
Das Thema köchelt immer mal wieder hoch. Klar, die Hottentotten/Herero glauben, sie könnten sich hier leicht ein paar Euro verdienen. Sie wären dumm, wenn sie es nicht versuchen würden. In diesem Ordner geht es allerdings nicht so sehr um den bundesdeutschen Schuldkult, sondern vielmehr um historische Tatsachen.
Jürgen Leskien schrieb ein Buch namens "Orlog" (Krieg), in dem er sich mit der Landnahme in Südwest befaßt und einen fiktiven Gerichtsprozeß ablaufen läßt, der zugleich Lösungsmodell für Südwest sein könnte. Die jw interviewte ihn, was ich zum Anlaß nehme, hier ein paar Anmerkungen zum Thema zu machen.
In Südwest arbeitete seit den 1960er Jahren (da war Südwest durch das seinerzeit apartheidaffine Südafrika beansprucht und weitgehend verwaltet worden) eine von der DDR unterstützte Bewegung an der Unabhängigkeit, die SWAPO. An deren Programm arbeiteten zahlreiche Marxisten mit; es ging hauptsächlich um den Aufbau eines Staates nach dem Sieg, also um die Verteilung der Bodenschätze und die Struktur des Staates, auch die Besitz- und Produktionsverhältnisse, die für den Marxismus elementar sind. Die SWAPO bediente sich der schuldkompensierenden Deutschen aus der DDR, die etwas Gutes zu tun glaubten, wenn sie die SWAPO in ihrem Kampf um die Macht unterstützten.
Die Wünsche der Hottentotten (Namas) waren einfach: sie wollten ein festes Dach über dem Kopf und freien Zugang zu sauberem Wasser. Klingt nach wenig, ist in Südwest aber viel, denn das Land ist weitgehend eine Wüste und für die Landwirtschaft kaum geeignet, bestenfalls Viehzucht in einigen Gegenden..Ein dritter Wunsch soll nach Leskien "Arbeit" geheißen haben, wobei nicht klar wird, welche Arbeit gemeint ist und wie die Besitzverhältnisse aussehen sollten, die Arbeit erst zu einem sinnvollen Begriff machen. Etwas wird dann doch klarer: Die Grundstücke der Weißen sollen enteignet und neu verteilt werden.
Als Südwest seine Unabhängigkeit von Südafrika feierte und fortan Namibia hieß, gab es auch Hoffnung für die Unterprivilegierten, daß sich für sie etwas bessern würde. Das tat es aber nicht. Im Gegenteil: Zwar haben einige Namas/Hereros nun Land erhalten und lassen es bewirtschaften, aber die meisten Schwarzen leben immer noch oder sogar schlechter als vor 1990. So sollen nur 25% des Landes von Schwarzen bewirtschaftet werden. Allerdings erwirtschaften diese Farmen sehr viel weniger als vergleichbare weiße Farmen, die es immer noch gibt, die bei allem Gewinn Steuern zahlen, die an die schwarze Oberschicht verteilt werden, die so partizipieren und kein Interesse daran haben, an diesem Geschäftsmodell etwas zu ändern. Die Namas ohne Einfluß verlangen nun eine Enteignung, allerdings nur der weißen Landbesitzer. Die schwarze Oberschicht will das aber nicht, weil sie genau weiß, daß das ihre Einkünfte mindern würde. Die Weißen sitzen dennoch im Spannungsfeld zwischen den verfeindeten Namas und anderen Stämmen. Es ist wie zur Zeit des Krieges von 1905, nur daß diesmal keine deutschen Kolonialtruppen vor Ort sind, um die Sicherheit der weißen Siedler zu gewährleisten, sondern Söldner gekauft werden, die die schwarze und weiße Oberschicht schützen sollen.
Die Herero haben derweil einen Mentalitätswechsel vollziehen: Bis Anfang 1900 waren sie ein nomadisches Volk ohne festen Landbesitz, ohne Staatlichkeit und ohne all das, was man Kultur nennt. Nun sind sie seit etwa 150 Jahren in Südwest beheimatet und seßhaft geworden, ziehen nicht mehr umher, zumal diese Zeiten wohl weitgehend vorbei sind. Also müssen sie versorgt werden. Da das Land nicht fruchtbar ist, müßten sie bäuerlich hart arbeiten. Dazu sind sie eher weniger bereit. Aber so etwas kann man ja lernen. Die Juden kannten bis vor 100 Jahren auch kaum landwirtschaftliche Tätigkeiten, nun sind sie beinahe Selbstversorger bei sehr viel weniger Land und einer viel größeren Bevölkerungszahl. Und genau da sollte man ansetzen: Man muß die Leute ausbilden und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten geben, aber nicht glauben, die Probleme würden sich lösen, indem man wie in Simbabwe den Weißen schlichtweg das Land wegnimmt. Wenn Deutschland hier in Südwest etwas Gutes tun will, dann sollten wir dort eine funktionierende Infrastruktur aufbauen, eine gerechte Steuergesetzgebung einrichten und das Land beim Handel bevorzugt behandeln. Dann wird das schon.
pathetisch-einseitiger Bericht der Aufstände-Geschichte Südwests, mit sehr knapper Ursachenbeschreibung: hier
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