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Deutsch-Südwest - deutsche Kolonien

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  • aerolith
    antwortet
    Lösungsvorschläge, um kommende Rebellionen zu unterbinden, zugleich Prüfung der benutzten Methoden:
    • die bisherige Elite in die Verwaltungsprozesse miteinbinden und irgendwann zu Kolonialbeamten machen;
    • das Einholen von Rat von den arrivierten Stammesvätern, Respekt zollen und nicht deren ethische Grundlage bemäkeln;
    • besonders bewährt hat sich die Entschlußfreiheit der Unterführer, die Struktur der Schutztruppe war auf selbständig agierende Unterführer orientiert, das Führen mit Auftrag, das im deutschen Heeres seit dem Siebenjährigen Kriege der Befehlsführung vorgezogen wurde und u.a. dazu führte, daß deutsche Heere eine höhere Schlagkraft als ihre Gegner besaßen - diese Befehlsstruktur hatte sich auch bei den negriden Abteilungen bewährt;
    • das Verbrennen feindlicher Ortschaften und die Vernichtung der Felder, "die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hab und Gut" hält Götzen für "unerläßlich" (dira necessitas), bezeichnet dies zwar als "barbarisch", zugleich aber verweist er darauf, daß "Negerhütten" in kurzer Zeit wieder erstehen und die tropische Natur binnen kürzester Zeit "neue Feldfrüchte hervorbringt" (S. 248)
    • die Offensive hat sich als geeignete Taktik erwiesen, wobei da ein Lerneffekt einsetzte: die zerschlagenen Negerverbände flüchteten ins Buschwerk, anfangs setzte man nach (meist Ruga-Ruga), was sich aber als wenig effizient erwies, wichtiger ist es, strategische Punkte (Militärposten) zu befestigen und als Ausfallbastionen zu nutzen;
    • die Schutztruppe muß mit Tragbooten ausgerüstet werden, jedem Militärposten muß ein fester Stamm von 50 verläßlichen Trägern (in Bereitschaft) zugewiesen werden, die in Friedenszeiten beschäftigt (z.B. mit Feldarbeit) und entlohnt werden müssen;
    • die Bewaffnung mit dem Mauser und MG ist ausreichend, solange feindlich gesonnene Stämme nur über Vorderlader und ihre alten Waffen (Giftpfeile, Bogen, Lanzen, Messer) verfügen;
    • Götzen schlägt eine Trennung von militärischen und polizeilichen/verwaltungstechnischen Kräften vor
    Am Ende des Buches formuliert Götzen den Anspruch der deutschen Kolonialverwaltung in bezug auf die Sicherheitsinteressen der ostafrikanischen Bevölkerung:

    Götzen, S. 257:
    Je mehr Land durch Eisenbahnen erschlossen wird, desto mehr Deutsche werden sich auf die weiterab gelegenen Flächen verteilen. Sie alle haben Anspruch auf behördlichen Schutz, ebenso wie der Neger, der in Frieden seinen Acker bestellen will. Daß wir nicht vermochten, diesen Schutz im letzten Aufstand in ausreichendem Maße zu gewähren und daß deshalb tausende von Landeseinwohnern durch die Horden der Rebellen um Leben und Eigentum gebracht worden sind, hat nicht nur unserm Ansehen, sondern auch unsern Besitz schwer egschädigt.
    Sorgen wir also dafür, daß, sollten abermals schwere Zeiten über die Kolonie hereinbrechen, wir dann besser gerüstet den Ereignissen gegenüberstehen. Die schöne Kolonie ist manches großen Opfers wert.

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  • aerolith
    antwortet
    Am Ende des Buches (ab Seite 236), das sich nach eigenen Worten "schildernd", tatsächlich jedoch in weiten Teilen chronistisch und wenig kausal oder gar analysierend mitteilt, zieht Götzen einige Schlußfolgerungen, die hier kommentierend wiedergegeben werden sollen:
    Die Weltanschauung Götzens würden wir heute rassistisch nennen. Er erklärt den Aufstand als Rassenkampf. Materielle (z.B. Beutegier) oder ideelle Gründe (Freiheitsdrang, Rache) werden dem untergeordnet. Er betrachtet die bisherige Kolonialgeschichte, nicht nur die der Deutschen, und er glaubt feststellen zu müssen, daß es bisher zwei Extreme gab, die die Kolonialgeschichte bestimmten:
    1. Extrem: das auf "rein egoistischer Ausbeutung beruhende Kolonialsystem früherer Jahrhunderte" und
    2. Extrem: "altruistische Bestrebungen zum Wohle der Eingeborenen" aus der Neuzeit, womit er die Kolonialgeschichte seit dem späten 19. Jahrhundert meint, also vornehmlich die deutsche.
    Beide Systeme lehnt Götzen ab. Er glaubt vielmehr, daß "Rassengegensätze zwischen Europäer und Neger" erklären helfen, wie es zu der Rebellion hatte kommen können und eben immer wieder kommen wird. (alle Zitate Seite 236)
    Aus dieser Ursache heraus betrachtet er historische Ereignisse und benennt Anlässe für die Rebellion.
    1. die Unzufriedenheit des alten Establishments mit ihrer Zurückstufung nach dem Eintreffen der Deutschen, weil "die unter dem neuen Regime ihren bisherigen Einfluß in irgendeiner Weise gemindert sehen" - der alte Kolonialismus beließ die archaischen Strukturen und nahm sich aus dem Land, dessen er bedurfte; der neue deutsche Kolonialismus aber will das Land "deutsch" machen, also nach eigenen Idealen umgestalten, zerschlägt also die alten Strukturen und ersetzt sie durch moderne;
    2. damit zusammenhängt die neue Ordnung, die u.a. durch Nichteuropäer (Neger, Araber oder Inder) umgesetzt wird, die die neue Ordnung als Lebenschance begreifen und sich in den Dienst der neuen Herren stellen (Lehrer, Soldaten, städtische Unternehmer, Arbeiter...) und damit ein Auskommen für sich und ihre Angehörigen finden, das unabhängig von den alten Strukturen funktioniert und diese reich macht;
    3. durch Häupütlinge und Medizinmänner einzelner Stämme leicht lenkbarer Aberglaube, beispielsweise das Aufkommen des Maji-Maji-Zaubers, der einerseits die Unverwundbarkeit gegenüber europäischen Waffen lehrte, andererseits aber den Tod als Teil des Lebens erklärte und die Toten wiederauferstehen ließ.
    Götzen setzte Beamte ein, die eine Tiefenprüfung vornehmen sollten. Diese Beamte befragten Einheimische, die sich auf die Seite der Rebellen geschlagen hatten, nach ihren Beweggründen und stellten folgende Anlässe fest:
    • der durch die deutschen Behörden eingeführte Baumwollanbau wurde abgelehnt, weil er traditioneller Landwirtschaft nicht entsprach (die auf den Plantagen der Deutschen arbeitenden Einheimischen traten als Teil des Herrschaftssystems auf und wurden von den weiter traditionelle Landwirtschaft betreibenden Einheimischen als lästige Neuerer betrachtet, die ihre Ahnen verrieten);
    • die von den Kolonialbehörden eingeführte Wegepflicht (also die Pflege der öffentlichen Wege durch Anrainer) wurde als lästige Pflicht betrachtet, die man nicht kannte und nicht wollte, weil sie Arbeit erforderte und Geld kostete (ist wie heute in Deutschland u.a.O.: außerhalb der Ortschaften übernimmt der Staat die Pflege der Straßen, innert der kleineren Ortschaften die Anwohner);
    • der eingeführte Wald- und Wildschutz war dato unbekannt und wurde als Eingriff in die Freiheit betrachtet;
    • das Viehseuchegesetz wurde als Belästigung und Eingriff des Staates empfunden (man höre: Impfschutzgesetz fürs Vieh!) und
    • die Einführung von Schulen und christlichen Missionen wurde ebenfalls als störend empfunden: man wollte keine Bildung und keine Einmischung in die Ausbildung des eigenen Nachwuchses

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  • aerolith
    antwortet
    Die Niederschlagung der Rebellion erfolgte in zwei Etappen:
    1. Schutz der deutschen Besitzungen und Missionsstationen, der Handelswege und nichtaufständischen Bevölkerung;
    2. Verfolgung der verbliebenen Aufständischen in deren Schlupfwinkeln.

    Am Anfang der Niederschlagung besetzten einige deutsche Kriegsschiffe wichtige Häfen, sicherten die Nachschublinien (Soldaten und Material) und schützten die ostafrikanischen Küstenstädte vor den vordringenden Rebellen. Anschließend zogen kleinere Trupps (meist jeweils nur ein Offizier, einige Unteroffiziere und etwa 100 Askari) durch das südliche Deutsch-Ostafrika und versuchten die Ausbreitung der Rebellion zu verhindern, wobei sie die einzelnen Horden (nach Aussage Götzens zuweilen bis zu 8000 Mann stark) aufspürten und zum Kampf stellten, was aufgrund der besseren Bewaffnung und Disziplin immer zugunsten der Schutztruppe ausfiel, etwa ein toter Askari auf zehn bis zwanzig Rebellen. Selten fiel einer der deutschen Söldner. Die deutschen Toten waren meist Zivilisten: Pflanzer, Missionare, Angehörige derselben, Nonnen, Reisende... Zugleich plünderten und ermordeten die Rebellen Missionsstationen, Plantagen, Handelsstationen; sie töteten Araber, Inder und ihnen nicht zueilende Afrikaner. Allmählich schlossen sich der Schutztruppe örtliche "Sultane" an, die zuweilen bis zu 1500 Krieger stellen konnten, aber keine Waffen von den Deutschen erhielten, wohl aber die Verfolgung zersprengter Rebellenkontingente übernahmen. Damit wendete sich das Blatt. Der Aufstand hatte sich endgültig zu einem innerafrikanischen Machtkampf zwischen den die Deutschen unterstützenden Stämmen und den Anhängern des Maji-Maji-Zaubers entwickelt.
    Am Ende der ersten Phase hatten sich die Rebellen in unwegsames Gelände zurückgezogen, von wo aus sie Plünderungszüge unternahmen und verbrannte Erde hinterließen, um ihren Rückzug zu sichern. Partisanentaktik. Kleinere Gefechte aus Hinterhalten heraus. Die Schutztruppe hatte nun die Wahl, in unbekanntes Terrain vorzurücken oder dieses Terrain zu erkunden und letztlich die Rebellen zu umzingeln und zu Ausbruchsversuchen zu nötigen, wonach im beabsichtigten Kampf die bessere Bewaffnung und Disziplin den Ausschlag geben mußte. Dabei war zu bedenken, daß die Rebellen das Hundertfache an Mannschaftsstärke besaßen.
    Die Form des Krieges nahm nun immer mehr den Charakter von Guerilla-Kämpfen an, was bedeutet, daß beide Seiten die "Felder und Lebensmittel, soweit die eigene Truppe ihrer nicht bedurfte, zu vernichten" (Götzen, S. 132). Die Deutschen machten das nicht selber, sondern nutzten die Dienste der Ruga-Ruga. Diese Hilfstruppen, die nicht zu den Kolonialtruppen gehörten und keinen Sold erhielten, haßten die Bantu-Krieger und taten alles, um diese zu töten oder auch deren Felder und Gebiete zu verwüsten. Stammesfeindschaft und Beutegier. Die Kolonialverwaltung richtete Konzentrationslager ein, in die "die sich Unterwerfenden gesammelt und angesiedelt [wurden], damit sie unter dem Schutz des Postens Lebensmittel anbauen konnten." (S. 133.) - Diese Schutzbefohlenen mußten zuvor ihre Waffen abgeben, erklären, daß sie Schutz suchten und eine Strafe von 3 Rupien zahlen, nach heutiger Kaufkraft 260 €.
    Entscheidend für den Ausgang der Rebellion war das Verhalten der Wanjamwesi, die über etwa 30000 Gewehre verfügten und in ihrer Haltung schwankend waren. Götzen nennt die Gründe für den glücklichen Ausgang des gesamten Krieges fürs Reich:
    1. das glückliche Vorgehen der Militärstation von Iringa, die die Wahehe daran hinderte, weiter nach Norden vorzustoßen;
    2. die Militärstation von Tabora in Unjamwesi besaß mit Hauptmann Charisius einen wagemutigen Anführer, der die aufbegehrenden Wanjamwesi beeindruckte, so daß diese die Kräfteverhältnisse nach anfänglicher Skepsis gegenüber der Schutztruppe zugunsten dieser neu bewerteten;
    3. das Auftauchen einiger deutscher Marine-Infanteristen (3 Unteroffiziere plus 29 Soldaten) am Viktoriasee, das von den Aufständischen so gedeutet wurde, daß da bald sehr viel mehr auftauchen würden und schließlich
    4. das harrsche Auftreten des Feldwebels Glatzel, der, obgleich etliche Stammesangehörige ihren Sultan bewachten, eben diesen Sultan Makongolo verhaftete und in einem nachfolgenden Gefecht die erst verblüfften, dann Glatzel nachsetzenden Krieger mit einigen wenigen Askari zurückwerfen konnte, wobei der Sultan getötet wurde; das alles veranlaßte die Getreuen des toten Sultans, das Land zu verlassen und weiterzuziehen, sich jedenfalls nicht gegen die Kolonialverwaltung zu stellen.
    Die Wanjamwesi, um den Gedanken zu beenden, erkannten, daß der Krieg verloren war und schlugen sich auf die Seite der Kolonialverwaltung.

    In der letzten Phase des Krieges geschah das, was in solchen Guerilla-Kriegen beinahe immer geschieht, die Intensität der Zerstörung nahm zu. Auf Seiten der Kolonialverwaltung kämpften die Ruga-Ruga, die neben dem Beutemachen auch Rache trieb, denn die Maji-Maji-Krieger hatten nicht nur Europäer verfolgt und getötet, sondern auch Araber, Inder und afrikanische Stämme, die nicht mit ihnen zusammen kämpfen wollten, also beinahe alle Nichtbantustämme. Die Ruga-Ruga verbrannten Felder, zerstörten Siedlungen und auch mal Steppenland, um Rückzugsgebiete des Feindes zu verhindern. Die deutsche Kolonialverwaltung sah das gar nicht gerne und hob Kopfprämien für die Brandstifter aus, schließlich fiel oft genug auch Wald und Kulturland den Flammen zum Opfer. Andererseits waren die Ruga-Ruga eben deswegen auch mit der Schutztruppe verbündet, weil diese so rechtssicher war, denn Brandschatzung wurde durch die Kolonialverwaltung verfolgt. Im Zweifelsfall beriefen sich deutsche Pyromanen darauf, daß es die Ruga-Ruga waren, für die Brandschatzung eine normale Kriegstaktik war. Die Ruga-Ruga dagegen (siehe Bild unten) waren kein Teil der Schutztruppe, also konnten sie von dieser auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Im Streitfall verließen Ruga-Ruga die Schutztruppe. Auch die Maji-Maji-Krieger setzten ganz klar auf Verwüstung. Diese Form der Kriegsführung waren sie seit Jahrhunderten gewohnt.

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  • aerolith
    antwortet
    Eine kritische Betrachtung des Treibens einzelner Kolonialgesellschaften bei der Erwerbung von Land nimmt der SPD-Politiker Ledebour 1905 im Reichstag vor:

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  • aerolith
    antwortet
    Der Maji-Maji-Zauber
    Der kriegerisch ausgetragene Konflikt im Jahre 1905 kam für die Schutztruppe überraschend. Ebenso überraschend kam sie für die ersten Opfer dieser "Rebellion", wie man sie im Reich nannte, für die zahlreichen arabischen und gemischtrassigen Händler. Zu den Gründen später. Jedenfalls wurden diese Händler, die doch immer das Ohr am Puls des Landes hätten haben müssen, überrascht und landesweit getötet, wo immer auch Rebellen sie antrafen. Ebenfalls überrascht waren die deutschen Kolonialbehörden davon, daß sich etliche Stämme dieser Rebellion anschlossen, nicht jedoch die als renitent geltenden Wanjamwesi und die wilden Stämme in der Kilimandscharo-Gegend. Die rebellion begann im Süden Ostafrikas. Ein Rebellenführer ist nicht zu fixieren. Es steht aber fest, daß die Erhebung aus der Spitze der Stammeshierarchien der Wagindo und Wapogoro erfolgt sein muß, also ein Aufstand elitärer Einheimischer gegen die neue Ordnung gewesen sein muß.

    erstellt von tradition.de
    Die Ursachen des Aufstandes, über die nach dessen Ausbruch lange gerätselt worden war, lagen nicht, wie man heute vielfach glauben machen will, in einer „Unterdrückung“, „Ausbeutung“ und schlechten Behandlung der Bevölkerung durch deutsche Behörden, vielmehr war der Ursprung in erster Linie bei der Unzufriedenheit von Häuptlingen, zunächst der Wagindo und Wapogoro, mit der neuen Ordnung zu suchen, die sich durch arabischen und deutschen Einfluß alter Rechte und damit verbundener Einnahmen beraubt oder in diesen eingeschränkt sahen, wozu in gewissem Umfang auch die – freilich sehr milde – Besteuerung und der „ewige Ansporn zu Arbeit“ (August Fonck) gehörten. „Dazu kam wohl das Bestreben, sich von Verschuldung, von Ausbeutung durch gierige Händler und von Bedrückung durch einzelne farbige Beamte, politische Agenten und dergleichen frei zu machen“ (August Fonck).


    Ein Beleg für diese Behauptung zur Schuldzuweisung liegt eben darin, daß die ersten Opfer keineswegs deutsche Siedler waren, sondern sich die Rebellion gegen die Schutztruppe und Logistiker richtete, also Leute, die die neue Ordnung in Ostafrika durchsetzten. Daß sich nördliche kriegerische Stämme nicht an dieser Rebellion beteiligten, belegt zusätzlich: Es war kein Aufstand der Afrikaner gegen die Deutschen. Etliche Askari (schwarze Söldner in der Schutztrupe) kehrten, insofern sie ihre Dienstzeit bereits beendet hatten, ohne Aufforderung zur Schutztruppe zurück und schlossen sich keineswegs den Aufständischen an.

    Ein im Krisengebiet stationierter deutscher Offizier namens Merker berichtete kurz vor seinem Tode (er fiel während dieser Rebellion) an seinen Vorgesetzten:

    erstellt von Hauptmann Merker:
    »Nun hatte die deutfche Verwaltung für die Kulturen der Eingeborenen ein befonderes Interesse gezeigt, hatte auch bei drohender Hungersnot große Mengen von Lebensmitteln aufgefpeichert und damit den Hungernden bis zur nächsten Ernte geholfen. Ein in diefem Sinne gefärbtes Mäntelchen der vorbereitenden Beeinflussung umzuhängen, war daher ficher kein törichter Gedanke und bewies wieder einmal, daß der Naturmenfch den Charakter des Europäers inftinktiv beffer durchschaut, als dieser mit Vernunft, Logik und Gemüt das Herz des Wilden sondieren kann. Die Häuptlinge der Matumbi- und Kitfchiberge verbreiteten unter ihren Leuten, daß ein in den Pangani-Schnellen des Rufijiflusses in Gestalt einer Schlange lebender Geist dem in Ngarambi wohnenden Medizinmann, der fich jetzt den Amtstitel Bokero (Vermittler zwischen den Menfchen und jenem Geist) beigelegt hatte, eine Zaubermedizin gegeben habe, die den, welcher sie befäße, von allen Landwirtsforgen befreien würde. Sie würde ferner Wohlstand und Gefundheit verleihen, Hungersnot und Seuchen fernhalten und im besonderen die Pflanzungen vor den Verwüstungen durch Wildfchweine schützen. Sie garantierte reiche Ernte, so daß die Leute in Zukunft nicht mehr für die Fremden Lohnarbeiten zu verrichten brauchten, um sich den gewohnten Luxus (Stoffe, Glasperlen ufw.) zu verschaffen. Die Medizin sollte schließlich auch — und dabei war nur auf die früher ständigen Kriege der Eingeborenen untereinander Bezug genommen— unverwundbar machen, sollte bewirken, daß die Geschosse des Gegners von den Zielen wie Regentropfen von gefetteten Leibern abfielen; Weiber und Kinder sollte sie für die in Kriegszeiten übliche Flucht und die damit verbundenen Strapazen und Entbehrungen stärken, sowie vor einer Verschleppung durch den hegenden Angreifer schützen, der Weiber und Kinder als Beute mitzunehmen pflegte. Die Medizin bestand aus Waffer, Mais und Sorghumkörnern (eine große Hirfeart). Das Waffer wurde in Ngarambi durch Übergießen des Kopfes und Trinken appliziert, aber auch in kleinen Bambusbüchsen, die um den Hals zu hängen waren, verabfolgt. Die Getreidekörner sollten die Weiber in die von ihnen bearbeiteten Felder legen zur Erzielung reicher Ernte und Fernhaltung von Wildschweinen; die Männer sollten je eines der beiden Arten in das Pulver jeder Gewehrladung hecken, wodurch Treffsicherheit erreicht würde.

    Die Sache fah durchaus harmlos aus und wurde auch von den vielen Leuten, die zum Medizinmann pilgerten, im eben skizzierten Sinne aufgefaßt. Keineswegs heimlich, sondern offen und ungeniert wanderten unter den Augen der später in Mitleidenschaft gezogenen Araber, Inder und Küstenleute große Trupps (es wurden solche von über 300 Erwachsenen beobachtet) zum Medizinmann.
    Die eigentliche Aufreizung sollte erst im lebten Moment vor Beginn der Feindseligkeiten erfolgen, die von allen verschworenen Häuptlingen zu einem bestimmten Termin, der einige Monate nach dem ersten August lag, gleichzeitig aufgenommen werden sollten. Zum Glück für die vielen weit ab von Militärstationen liegenden und daher schutzlosen Europäeransiedlungen kam es indes nicht dazu, sondern man schlug, anscheinend infolge eines Privatstreits zwischen Matumbi-Jumben Ende Juli in Kibata los.“
    Der Aufstand wurde von Süden nach Norden vorgetragen und erfaßte alle Bantu-Stämme, nicht aber, wie gesagt, die Einheimischen von anderen Stämmen oder Araber, Inder und afrikanische Ausländer (z.B. Sudanesen), die dem Maji-Maji-Zauber nicht verfielen und sich entweder mit den Deutschen verbanden oder zurückhielten. Man muß sich das so vorstellen: ein Schutzzauber verhinderte die natürliche Furcht des Afrikaners vor seinen (mutmaßlichen) Gegnern, eine Art Droge, die den Nimbus der eigenen Unzerstörbarkeit erzeugte. Dies nutzten die durch die deutsche Kolonialpolitik, Schulden bei den Händlern und Nachrangigkeit gegenüber anderen Stämmen geratenen Stammesfürsten der südlichen Bantu-Stämme aus und initiierten einen Krieg, der sie an die Spitze der Macht in Ostafrika führen sollte. Der Krieg richtete sich gegen die Deutschen, Araber, Inder und Nichtbantus.

    Als die Rebellion ausbrach, dienten 1701 Askari in der Schutztruppe, die von 76 deutschen Unteroffizieren und Offizieren geleitet wurde. Diese "Schutztruppe" hatte ein Gebiet von etwa 1000000 km² zu beschützen. In Ostafrika lebten zu dieser Zeit etwa 3000 Deutsche und sieben Millionen Einheimische, dazu etwa 500000 Inder und Araber in der Küstenregion. Außerdem versahen 659 negride Polizisten mit Pistole ihren Ordnungsdienst. Die Schutztruppe besaß Hinterlader, später einige MGs. Die Aufständischen besaßen etwa 8000 Vorderlader, die sie ins Land geschmuggelt hatten (meist durch Inder), denn es war Einheimischen verboten (bis auf wenige Ausnahmen), Gewehre zu besitzen. Die etwa eine Million Aufständischen nutzten Speere, Giftpfeile und andere archaischen Waffen, aber das Wichtigste für ihren Kampf war das Maji-Maji, das heilige Wasser, von dem sie annahmen, daß es sie unverwundbar machen würde. Kurz gesagt, die Aufständischen waren 500fach überlegen, hatten aber die schlechtere Ausrüstung, v.a. aber besaßen sie keine militärische Disziplin. Diese kleine Streitmacht besaß den Auftrag, die deutschen Siedler, die Investitionen des Reiches (Erzberger nannte am 18. März 1905 im Reichstag die Zahl 30 Millionen RM, also etwa eine halbe Milliarde € nach heutiger Kaufkraft) und die nicht mit den Bantu verbündeten Stämme zu schützen. Eine unlösbare Aufgabe!
    Nachdem Götzen erkannt hatte, daß es sich bei den Maji-Maji-Kriegern um keine lokal begrenzbare Rebellion handelte, schrieb er nach Bärlin und ersuchte die Reichsregierung, ihm 5 (fünf!) Offiziere, 5 (fünf!) Unteroffiziere und drei "Sanitätssergeanten" zu schicken, außerdem ersuchte er um die Bewilligung von MItteln, um 200 Söldner in Eritrea anwerben zu dürfen.

    210 Soldaten, um Zentausende Maji-Maji-Kriege in Schach zu halten. Wahrlich, es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann! Und dabei waren diese Krieger keineswegs unorganisiert und ziemlich verschlagen hinsichtlich ihrer Kriegsführung, wie der folgende Bericht Hauptmann Merkers offenbart:

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Matumbi_Gefecht_1905 - 0001.jpg Ansichten: 0 Größe: 165,3 KB ID: 2758
    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Matumbi_Gefecht_1905 - 0002.jpg Ansichten: 0 Größe: 166,0 KB ID: 2759
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    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Matumbi_Gefecht_1905 - 0005.jpg Ansichten: 0 Größe: 172,8 KB ID: 2763
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  • aerolith
    antwortet
    Die Schutztruppe in Ostafrika unterstand dem Gouverneur, dem das Recht zustand, den Chef der Schutztruppe zu benennen und Aufgaben zu erteilen resp. Einzelkontingente mit besonderen Aufgaben zu betrauen. Die Schutztruppe setzte sich zum Großteil aus Ostafrikanern zusammen, die freiwillig in dieser dienten und durch Werbung gewonnen wurden. Insbesondere Söldner aus den Stämmen der Wanjamwesi, Wasuaheli und Manjema (siehe oben) dienten in dieser Truppe. Dazu stießen Sudanesen, Zulus aus Südfrika und andere afrikanische Söldner. 76 Deutsche dienten in dieser Truppe, meist als Offiziere, Unteroffiziere, als Ärzte oder Rückwärtige. Das Gros entstammte der Wißmann-Truppe, die bereits 1889 arabische Aufstände in Ostafrika unterbunden hatte. Die Freiwlligen verpflichteten sich auf fünf Jahre und erhielten 30 Rupien Monatslohn. Nach dem heutigen Silberpreis entspricht das 342 € (nach heutiger Kaufkraft sind das etwa 3500 €). Die negriden Söldner können es bis zum Feldwebel schaffen, d.s. 60 Rupien monatlich. Es kam vor, daß ein besonders begabter negrider Söldner zum Effendi befördert wurde, also 200 Rupien (etwa 16000 € monatlich). Die Bewaffnung der Schutztruppe: die Jägerbüchse, Modell 71.


    Die deutschen Söldner rekrutierten sich aus dem Armeedienst Ausgeschiedene, denen man die Rückkehr in die deutsche Armee gestattete, sofern sie nach 2,5 Jahren Schutztruppendienst dies begehren sollten. Es gab genug Freiwillige aus der Heimat. Effendis waren Deutschen gegenüber nicht weisungsberechtigt, auch wenn diese dem Rang nach niedriger waren. Umgekehrt durften deutsche Unteroffiziere auch keinen gleich- oder höhergestellten Einheimischen Befehle erteilen. Die Strukturierung der Schutztruppe war grundsätzlich, aber nicht streng nach Rassen getrennt. Deutsche kämpften zumeist an der Seite von Deutschen. Die afrikanischen Söldner blieben unter sich, es sei denn, sie wurden deutschen Unteroffizieren zugeteilt. Dann befahlen die Deutschen den Afrikanern. Nie umgekehrt. Es kam jedoch angesichts eines 90%igen Anteils von Afrikanern in der Schutztruppe oft genug vor, daß rein afrikanische Verbände zu Spezialaufträgen ausgeschickt wurden.
    Die zahlenmäßige Stärke läßt sich in einer Tabelle darstellen. Zum besseren Verständnis über die Stärke der deutschen Schutztruppe in Ostafrika wird hier das Verhältnis der Gesamtbevölkerung im jeweiligen Gebiet in bezug zu einem stationierten Soldaten genannt:
    Kongo (Belgien) 1110
    Britisch-Ostafrika 1300
    Uganda 1800
    Britisch-Indien (Briten und indische Söldner) 1275
    Deutsch-Ostafrika (Deutsche und afrikanische Söldner) 2650
    Britisch-Indien (Verhältnis der Einheimischen zu den Briten) 4120
    Deutsch-Ostafrika (nur Einheimische je einem deutschen Söldner) 25550
    Daraus läßt sich ersehen, daß wenige Deutsche in Ostafrika dienten. Den größten Teil der Schutztruppe bildeten Afrikaner, etwa 90%.

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  • aerolith
    antwortet
    Götzen übernahm 1901 als vom Kaiser eingesetzter Gouverneur mit Verordnungsrecht die Leitung der Kolonialverwaltung und war zugleich auch der militärische Befehlshaber der Kolonialtruppen, ein paar Hundert Mann samt afrikanischer Hilfskontingente. Deshalb sind seine Beobachtungen der Verhältnisse in Ostafrika und seine Anmerkungen von doppelter Bedeutung. Bevor er die administrative Leitung übernahm, war er Reisender durch Ostafrika, kannte das Land im Norden, weit über den Viktoriasee hinaus, als er Teil einer Expedition um 1880 (er wurde 1866 geboren) war, die seinerzeit eine Verbindung nach Westafrika suchte und fand. Diese Kenntnisse stellen seine Kritik an der deutschen Kolonialpolitik in ein besonderes Licht. Götzen monierte, daß es der deutschen Kolonialpolitik daran mangele, sich mit den örtlichen Häuptlingen gutzustellen. Statt dessen werde eine zentralistische Politik betrieben, die auf strikte Durchführung behördlicher Anordnungen zurückgreife und darüber das Potential einer auch inneren Erschließung Ostafrikas für das Reich außen vor lasse. Man setze zu sehr auf die Segnungen der deutschen Zivilisation und deren allmähliche Erschaffung in Ostafrika. Die Eingeborenen hätten sich dieser Segnungen zu erfreuen, weil sie nur Vorteile für sie ergäben.
    Die Kritik spricht einen Webfehler des ZDR an. Der jahrhundertelange Föderalismus des alten Reiches hatte 1871 u.a. dazu geführt, daß statt eines Zentralstaates ein Staatenbund entstanden war. Das Reich war der Kostgänger der einzelnen Staaten, die zum Teil so frei waren, daß sie eigene Botschaften im Ausland unterhielten. Man denke nur an Bayern! Die dialektische Gegenbewegung des Reiches bestand darin, ein Gegengewicht zu diesem Konföderalgebilde aufzubauen, das Reich allmählich zu einem eigenen Machtkonstrukt zu modeln, also letztlich war das eine Gegenbewegung zum Föderalismus. Kulturkampf!
    Diese Sichtweise wendete das Reich auch in Elsaß-Lothringen und in den Kolonien an. Es gab hier keine politischen Gegenspieler, keine Fürsten oder flächendeckenden Herrschaftsstrukturen. Zwar beherrschten manche Häuptlinge Gebiete in Ostafrika, die größer als manche Fürstentümer im Reich waren, allerdings gab es in Ostafrika keine Staatlichkeit. Die Deutschen stießen sozusagen in ein administratives Nichts. Aber es war kein Nichts, wie sie glaubten. Afrikanische Herrschaftsausübung funktioniert anders als die deutsche. Das nicht erkannt zu haben, monierte Götzen.

    Götzen, S. 33.
    Diese Verhältnisse [ungenaue territoriale Abgrenzungen zu den Nachbarn] nahmen der deutschen regierung von vornherein die Möglichkeit, die eigene staatliche Autorität ohne weiteres an die Stelle einer im ganzen Land anerkannten einheimischen Gewalt zu setzen, wie es im Interesse einer sparsamen Politik und eines ruhigen Einwirkens auf die Bevölkerung bei Okkupationen fremder Gebiete im allgemeinen ratsam ist. Es blieb nur übrig, entweder das Land allmählich ganz in direkte Verwaltung zu nehmen [also zentralistisch vorzugehen] oder die staatlichen Formen wenigstens der größeren Volksstämme und Sultanate bestehen zu lassen und in den Organismus des Gouvernements einzugliedern [also die föderative Methode].
    Daß die [koloniale Verwaltung, die ihre Weisung allerdings aus Bärlin erhielt] Regierung lange Zeit [vor Götzens Regierungsantritt 1901] fast ausschließlich den ersteren Weg eingeschlagen hat, betrachte ich als einen Fehler ihrer Politik.
    Anders gesagt, Götzen versuchte ab 1901 die Sultanate (muslimisch geprägte Landstriche in Küstennähe und im Norden der Kolonie) und Stammesfürsten (heidnisch oder schon christlich geprägte Gegenden im Süden der Kolonie) als selbständige politische Einheiten zu behandeln und schlug vor, diese allmählich mit kleineren Leitungsfunktionen zu versehen, was dann im Laufe der Jahrzehnte (!) dazu führen müsse, diese Stammesfürsten als Beamte zu bezahlen, also zu vollwertigen Gliedern der Kolonialverwaltung zu modeln. Götzen betonte, daß er in seiner fünfjährigen Amtszeit Akidas eingesetzt habe, Mischlinge oder Araber, die deutsche Schulen besucht haben und in die Prinzipien deutscher Verwaltung eingeweiht worden seien und als Verwalter einiger Dörfer oder Landschaften fungierten.
    Leider mußte Götzen wegen Krankheit (wahrscheinlich Malaria) Ostafrika schon bald wieder verlassen (kurz nach Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands, zu dem ich bald kommen werde) und starb 1910 in Deutschland einen ziemlich jungen Tod mit 44.

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  • aerolith
    antwortet
    Die deutsche Kolonialpolitik zog Schlüsse aus der verfehlten Kolonialpolitik ihrer Konkurrenten USA, Britannien oder Frankreich. So stellte sie ein Verkaufs- und Herstellungsverbot europäischer Spirituosen für die EIngeborenen auf. Diese stellten in Ostafrika ihr eigenes Bier her, Pombe, auch andere alkoholische Getränke. Das durften sie weiterhin trinken, aber die Kolonialbehörden meinten, es sei besser, Afrikanern den Genuß von Whisky, Branntwein oder Likören zu verbieten. Schlechte Erfahrungen mit Indianern in Amerika oder Arabern in Nordafrika verböten es Afrikanern, europäische Alkoholika zu erwerben.
    Die deutsche Kolonialverwaltung nahm das Viehsterben um 1904 sehr ernst. Seuchen (Küstenfieber, Texasfieber und die Surrahkrankheit) hatten sehr viele Rinder in Ostafrika sterben lassen. Schlimme Folgen, vielleicht sogar einer der Gründe für die Erhebung 1905, denn das Rind war für viele Ostafrikaner eine wichtige Einkommensquelle, sowohl als Milchproduzent als auch als Transportmittel. Allerdings war die einheimische Bevölkerung mit dem Vorgehen der deutschen Kolonialbehörden meist aus Unwissenheit (fehlende Kommunikation, fehlende Bildung) nicht immer einverstanden (Seuchenschutz, Vorbeugung von Krankheiten, Impfung etc.) und übte Widerstand. Auch gab es erhebliche Vorbehalte gegen den Eisenbahnbau, da viele Kleintransportunternehmen ihre Existenz bedroht sahen. (Der Eisenbahnbau wurde von Deutschen vorgenommen. Afrikaner eigneten sich nicht für diese Art Arbeit.) Die Einheimischen nahmen die Eisenbahnen nach ihrer Fertigstellung schnell an, denn sie erkannten die Vorteile auch für sich. Lerneffekt!
    Dieser Effekt schließt auf die Frage, wie lernfähig die Ostafrikaner sind, welche geistig-spirituellen Fähigkeiten sie besitzen, wie sie sich zeigen und wo die Grenzen liegen. Götzen stellt fest, daß die Ostafrikaner große Zurückhaltung bei metaphysischen Fragen zeigen, ihre Sprachen nicht abstrahieren (so haben sie kein Wort für bringen) und eine riesige Vielfalt an religiösen Vorstellungen vorherrscht - jeder Stamm besitzt seine eigenen Vorstellungen.
    • Bantu: Glaube an ein höheres Wesen, das die Natur beeinflußt, sich aber nicht um den Menschen kümmert (!?), der offenbar nicht als Teil der Natur begriffen wird, zugleich aber kann durch Opfer die Stimmung des höchsten Wesens wachsen, damit Heuschrecken und andere Plagen unterbleiben; Gestorbene leben als Geister weiter, die auf die Lebenden einwirken und immer deren Tod verschulden (es gibt keinen natürlichen Tod), was Ahnenkult bedeutet, der sehr gepflegt wird, was oft über Zauberer geschieht, die dafür gut bezahlt werden; die christliche Missionstätigkeit wird von diesen Zauberern zurecht als Bedrohung empfunden und bekämpft
    Sprache: Jeder Stamm pflegt seine eigene Sprache, die für deutsche Ohren sehr schwer zu verstehen ist; auch verstehen sich die einzelnen Stämme kaum untereinander. Als eine Art lingua franca setzt sich mehr und mehr das Suaheli der Küstenregion durch, das für Deutsche nicht schwer zu erlernen ist. Neben dieser Sprache wird zunehmend auch ein abgewandeltes Englisch benutzt, Pidginenglisch, das für Ostafrikaner, Inder und handelnde Chinesen als der Inbegriff europäischer Sprachen verstanden wird. Das Deutsche wird nur von wenigen Ostafrikanern angenommen.
    Götzen schlägt vor, gute Erfahrungen seines Freundes Kersting aus Togo (deutsche Kolonie in Westafrika) anzuwenden, der den Afrikanern vermittelte, daß die Eingeborenenidiome fürs einfache Volk seien, das Pidginenenglisch für die mittlere Klasse geeignet sei, das Deutsche aber von der Oberklasse gesprochen werde. Damit wuchs in Togo die Bereitschaft der Stammesältesten, das Deutsche zu erlernen.

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  • aerolith
    antwortet
    Die deutsche Kolonialpolitik praktizierte im Spannungsfeld zweier grundsätzlich verschiedener Auffassungen:
    1. die Selbstentwicklung der Afrikaner vorantreiben, sie zur Kultur befähigen, damit zum effizienteren Wirtschaften und zur Zivilisation - deutsche Kolonialpolitik als eine Art Entwicklungshilfe, die letztlich deutschen Interessen diene;
    2. das Überstülpen deutscher Wertvorstellungen gegenüber den als minderwertig angesehen Afrikanern, wobei deutsche Investitionen in erster Linie dazu dienen sollten, die Weiten des Landes für deutsche Siedler und die reichsdeutsche Wirtschaft vorzubereiten, die Afrikaner dabei vorrangig als mögliche, aber nicht notwendige Geschäftspartner begreifend.
    Neben dieser Dichotomie, die eine einheitliche Kolonialpolitik verhinderte, trat in Ostafrika der Zwiespalt auf, der überall auf der Welt zu finden ist: der Kampf zwischen seßhafter und nomadischer Bevölkerung. Die Ostafrikaner zerteilten sich seinerzeit in mehrere Bevölkerungsgruppen, Stämme, die sich untereinander bekriegten:
    • Bantu: seßhaft, rückständig, wenig aufgeschlossen, verschiedene Stämme mit eigenen Rechtsbezirken (Wasaramo, Kilwa, Wadonde, Wagindo, Lindi, Wajao, Makua, Wabena, Waporogo, Wabunga u.a.);
    • Watussi: hellhäutigere Einwanderer aus nördlichen Gebieten, große Krieger, den Bantu überlegen und diese versklavend, aber selbstzerstörerisch, wobei staatenbildend;
    • Massai: ähnlich wie die Watussi, aber negrid und schlanker, nicht staatenbildend: ziehen mit ihren Rinderherden durchs Land, plündern und rauben Vieh;
    • Wanjamwesi: bewohnen den fruchtbaren Teil zwischen Küste und Viktoriasee, seßhaft, aufgeschlossen und treu;
    • Wasuaheli: die zahlreichen und relativ wohlhabenden Bewohner der Küstenregion, ein arrogantes Mischvolk aus Eingeborenen und Arabern, die seit Jahrhunderten dieses Gebiet anfahren, um dort Sklaven zu kaufen und die Küstenregion islamisierten;
    • Waschensi: naturverbundenes Bergvolk, rückständig, arm und archaisch lebend;
    • Wangoni: ein Zulustamm, der ungefähr um 1850 aus Süden kommend, in Ostafrika einfiel und dort raubend und plündernd durchs Land zog, ohne staatliche Strukturen auszuprägen (manche vermuten, daß die Wangoni eine kriegerische Spielart der Bantu seien);
    • Wahehe: ein kriegerischer Stamm aus dem Militärbezirk Iringa (mittleres Ostafrika), trinkfest, nomadisch lebend wie die Massai (12000 Krieger, 2000 Vorderlader);
    Die Bezeichnung "Schutzgebiet" erhält angesichts dieser Verhältnisse eine andere Bedeutung als gegenwärtig. Die Afrikaner waren keineswegs ein einheitlicher Block, der sich gegen die Deutschen stellte. Neben friedlichen Stämmen existierten kriegerische, die raubend und plündernd durchs Land zogen. Ab und zu kamen Araber vorbei, Elfenbein und Sklaven suchend. Das war seit etwa 950 so. 1500 kamen die Portugiesen, konnten sich gegen die Araber nicht durchsetzen. 1880 kamen die Deutschen. Die Schutztruppe für ein paar Kaufleute (Peters), die sich in ostafrikanischen Hafenstädten ansiedelten und allmählich im Hinterland nach kaufbaren Produkten suchten, agierte keineswegs nur für Deutsche, von denen es in Ostafrika 1905 nur wenige Tausend gab, sondern für all jene, die friedlich ihrem Tageswerk nachgingen. Die Deutschen unterbanden den Sklavenhandel, die plündernden Streifzüge der Massai und Wahehe, sie bauten Straßen, Schulen, sie gaben kostenlos Saatgut aus und sorgten für bessere Hygiene. Die Araber verließen in Scharen Ostafrika, zumal sie auch als Zwischenhändler gegenüber Indern unterlagen.
    Aber so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht. Bei den Deutschen gab es eben auch friedliche und kriegerische Strömungen, die sich nicht auf Parteienzugehörigkeit reduzieren lassen. Vor allem aber stellt sich die Frage nach der Berechtigung deutschen Tuns in Ostafrika.

    Das liest sich so weg: Sklavenhandel. Aber was bedeutet das? Die Araber zogen ins Land, plünderten, raubten, erschlugen, verschleppten. Sie brannten Dörfer nieder, meist starben etliche andere, Angehörige oder Freunde, um nur einen Sklaven dem Sultan von Sansibar zuzuführen. Jahr für Jahr für Jahr. Es dürfte Millionen Opfer in Ostafrika gegeben haben, bis die Deutschen kamen und das unterbanden. Von diesem Morden erzählt heute keiner etwas, es gibt keine Entschädigungsforderungen an irgendeinen arabischen Staat. Aber der gegenwärtige Bundespräsident glaubt, Verbrechen seiner Vorfahren ausfindig gemacht zu haben, schlägt sich auf die Brust und beteuert Schuld.

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  • aerolith
    antwortet
    Das Buch über Ost-Afrika stammt von dem deutschen Verwaltungschef in jenen Jahren des Aufstandes, Graf von Götzen. Im Vorwort schreibt er resümierend über seine Erfahrungen in den Jahren um 1905:
    ...die Summe aller Erscheinungen, die während der Rebellion von 1905 zutage traten, zwingt uns, heute [1909] schon an die Anfänge eines Solidaritätsgefühls der Negerrasse gegenüber den fremden, kolonisierenden Völkern zu glauben. Der Aufstand muß zweifellos als ein Symptom der großen, auf Selbständigkeit gerichteten Bewegung angesehen werden, die seit Beginn des zwangigsten Jahrhunderts sich unter den farbigen, außerhalb der christlichen Kultur stehenden Menschheit offensichtlich geltend macht.
    Ein Mann, der so reflektiert, sollte es wohl wert sein, gelesen zu werden.

    Kolonialgeschichte beginnt immer mit den Zielstellungen der Kolonisten. Auf welcher weltanschaulichen Grundlage steht ihr Kolonialvorhaben? Natürlich soll Gewinn erzielt werden. Das steht außer Frage, aber was treibt die Kolonisten an? Welche Widerstände müssen sie überwinden? Wie wird das Verhältnis zu den Eingeborenen bestimmt? Wehren die sich gegen die Kolonisation? Ist es ihnen gleichgültig?

    Prämisse der deutschen Kolonialpolitik aus einer Denkschrift von 1903 (ab dieser Zeit nahm man im Reich die Kolonialpolitik ernst):
    Die Kolonialverwaltung ist sich bewußt, daß ihr zur Befestigung der deutschen Herrschaft und gleichzeitig zur wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonien kein wirksameres Mittel zur Verfügung steht, als die Hebung des Kulturstandes der Eingeborenen.
    Das bedeutet:
    1. Ziel ist die Ausübung der Herrschaft, also Imperialismus;
    2. der Zweck der Herrschaft, dieser also untergeordnet, ist die wirtschaftliche Entwicklung, also die Erzeugung von Mehrwert, d.i. Profitstreben und
    3. das Mittel zur Erreichung dieser beiden Ziele soll die Hebung des Kulturstandes sein, also Kolonialismus.
    Konkrete Mittel:
    • Hebung der afrikanischen Vieh- und Bodenwirtschaft, Viehseuchenbelämpfung;
    • Forstschutz;
    • Verbesserung der sanitären Verhältnisse;
    • Förderung des Unterrichtswesens: Schul- und Missionstätigkeit;
    • Verteilung von Saatgut durch Beamte;
    • Bekämpfung der Heuschrecken- und Wildschweinplage,
    • Straßen- und Eisenbahnbau.
    Götzen betont, daß es zwischen dem afrikanischen und amerikanischen oder australischen Ureinwohner einen substantiellen Unterschied gebe, daß nämlich der afrikanische Eingeborene nicht vor dem weißen Mann weiche, es sei "eine Rasse, die keinesfalls vor uns vom tropisch-afrikanischen Boden verschwinden wird" (S. 17).
    Die weltanschauliche Basis für den deutschen Kolonialismus bildete die Kulturstufentheorie, wie sie Vico und Humboldt vertreten hatten. Diese Theorie besagt in etwa, daß jedes Volk eine bestimmbare Stufe der Kultur im Laufe seiner Entwicklung erklomm, die durch Leistungen in Wissenschaft, Sprache, Kunst, Hygiene und (politischer) Freiheit meßbar sei. Heutige Linksgrüne assoziieren hier oft Rassismus, zumal auch deutsche Kolonialisten sehr oft den Begriff "Rasse" benutzten, um äußere, innere und kulturelle Unterschiede schlagwortartig zu fixieren.
    Allerdings wird "Rasse" hier nicht dazu benutzt, um, wie bei den Nazis, der (mutmaßlich) überlegenen Rasse im Weltenkampf das Recht des Stärkeren zuzuschanzen, um niedere Rassen auszumerzen. Zwar werden die Afrikaner als minderwertig betrachtet, was aber kein ewiges Diktum abgab. Nein. Deutscher Kolonialismus verstand sich in jenen Jahren als Aufbauhelfer - dem heutigen Neo-Kolonialismus ganz ähnlich. Götzen warnt davor, die gleichen Fehler zu machen, die in den Südstaaten Nordamerikas begangen worden sind. Götzen formuliert das Problem als eine Frage des Tempos, in dem die Afrikaner die Segnungen der deutschen Leitkultur lernen und dann nutzen sollen:

    Götzen, S. 17.
    Was das Tempo anbelangt, in dem wir das, was wir unsere Kultur nennen, den Eingeborenen beibringen sollen, so mahnt die Geschichte gewisser älterer Kolonien [gemeint ist Südwest, aber auch Südafrika und Indien] und besonders die der Südstaaten der nordamerikanischen Union zur Vorsicht und Bedächtigkeit. Wir können dort lernen, wie wenig es einer Rasse zum Heile gereicht, wenn sie mühelos große Kulturstufen überspringen durfte, und wie die Segnungen jeder Kultur durch angestrengte Arbeit zahlreicher Generationen erworben sein müssen, wenn sie etwas anderes bedeuten sollen als ein äußerer Anstrich, der weder Glück, noch Achtung einflößen kann.
    Also Hilfe zur Selbsthilfe! Allerdings stellt sich die Frage, ob den Afrikanern gehelfen werden soll, weil sie es selber wollen oder ob eine Pflicht besteht, Schwächeren zu helfen oder ob es nicht besser wäre, wenn man jedem Volk, jeder Rasse es zubilligen sollte, daß sie zu sich selber kömmt. Diesen Gedanken nimmt Götzen kurz darauf noch einmal auf: Er fragt, ob sich der "Kulturgang" der Afrikaner nicht auf anderen Wegen ereigne, ob sie vielleicht nicht dazu bestimmt/befähigt seien, den intellektuellen und ethischen Kulturstand der Weißen zu erreichen oder ob ihnen nicht von vorneherein "engere Grenzen gezogen sind"?
    Götzen fordert daher, daß die deutsche Kolonialpolitik auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Eingeborenen Rücksicht nehmen müsse, man sie nicht überfordern dürfe, indem man Dinge von ihnen verlange, die sich die Deutschen in einer mehrtausendjährigen Kulturgeschichte mühsam hätten aneignen müssen. Rücksicht zu nehmen, sei das eine, das andere aber liege darin, die deutsche Machtstellung in Ostafrika zu erhalten. (S. 18.)

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  • aerolith
    antwortet
    Zu Ost-Afrika: Habe mir ein Buch besorgt, das ich lesen und dessen wichtigste Gedanken und Bemerkungen ich hier einstellen werde.

    Zu Süd-West: Wir hatten hier im Wolkenstein-Forum dazu schon mal eine Diskussion, ungefähr 2004. Irgendwann werde ich diese Diskussion hier einstellen. Eben las ich einen Artikel in der jf, in dem einige mir bereits bekannte Aspekte zusammengetragen wurden, die ich sortiere:
    • Die "Schlacht am Wasserberg" war keine. Es gab im Umfeld dieses Berges etliche Scharmützel zwischen den deutschen Schutztruppen (etwa 5000 Deutsche und ebensoviele Hilfstruppen von mit den Herero verfeindeten Afrikanern - insgesamt waren beim Krieg gegen die Herero zwischen 1904 und 7 zirka 20000 deutsche Soldaten im Einsatz, davon 13000 getötet oder als Kranke/Verwundete zurück nach Deutschland gebracht) und den Herero (bei der "Schlacht am Wasserberg" standen etwa 6000 von England ausgerüstete Krieger im Einsatz). Die Herero beabsichtigten, sich nach Südosten abzusetzen, in englische Hoheitsgebiete. Dazu wollten sie eine Savannelandschaft durchqueren, etwa 84000 km² groß, in der es einige Wasserlöcher gab, die sie kannten. (Das Gebiet wird heute als Heimatland der Herero bezeichnet, was aber nicht korrekt ist, denn die Herero wanderten im 18. Jahrhundert aus Angola ein und blieben nomadisch.) Die Briten hatten den Herero versprochen, daß sie nach ihrem Aufstand gegen die Deutschen im sehr dünn besiedelten Betschuanaland und in Südafrika würden heimisch werden dürfen (eine Form des geplanten Exodus), nicht seßhaft, denn die Herero waren zu dieser Zeit nicht seßhaft, sondern nomadisch, was bedeutet, daß sie mit Frauen und Kindern unterwegs waren, sich in einem Gebiet niederließen und dort so lange verblieben, bis alle Ressourcen aufgebraucht waren. Dann zogen sie weiter. Das Land war groß, es erholte sich nach ihrem Abzug wieder, imgleichen das Wild und domestizierte Tiere bei den Seßhaften: Afrikanern und deutschen Siedlern gleichermaßen. - Die "Schlacht am Wasserberg" war notwendig geworden, weil die Herero, von Briten und eigenem Machtstreben angestachelt, deutsche Siedler wahllos getötet hatten, Überlebende baten daraufhin im Reich um Schutz, den sie auch erhielten, was dann in der Dynamik des Krieges begründbar, dazu führte, daß eine endgültige Lösung her sollte, ganz ähnlich dem Vorgehen der Israelis heutzutage im Gaza-Streifen gegen die Hamas, wobei es hier drei grundlegende Unterschiede gibt: 1. die Hamas wurden von dem israelischen Geheimdienst selber gegründet, um sie gegen die PLO einzusetzen (behauptet jedenfalls Gysi); 2. die Herero waren ein nomadisches Volk, das in Südwest nur einige Jahre vor den Deutschen angekommen war und nicht, wie die Palästinenser in Palästina, lange Zeit vor Ort lebte und 3. die Herero traten einheitlich und vollständig als Stamm auf und nicht wie die Hamas, die nur einen Bruchteil der Palästinenser abbilden.
    • Es war den Deutschen unmöglich, das riesige Gebiet der Omaheke-Savanne (wird irrtümlich als Wüste bezeichnet) zu umstellen, wie immer wieder fälschlich behauptet wird. Die Herero wollten durch dieses Gebiet abziehen. Sie hatten die Wasserstellen vergiftet (mit Hilfe von verendetem Vieh), um den Deutschen das Nachrücken so schwer wie möglich zu machen und darüber offenbar vergessen, daß sie dadurch selber keine Mögklichkeit mehr besaßen, taktisch zu agieren. Die Deutschen taten den Herero nicht den Gefallen und stellten Trinkwasser bereit, zumal sie selber kaum welches besaßen. Statt dessen gab es für die abziehenden Herero nur die Möglichkeit, sich zu ergeben, was sie nicht taten. Die Deutschen konnten die Verfolgung der abziehenden Herero nach zwei Tagen Verfolgung durch die Omaheke wegen Krankheit (Ruhr, Typhus und Erschöpfung) selber nicht mehr vornehmen und kehrten um.
    • Der berühmte Befehl des deutschen Generals von Trotha (der Mann heißt tatsächlich wie ein Stadtteil von Halle/Saale) erfolgte am 2. Oktober 1904. Er ließ diesen Befehl an einer Eingangsstraße zur Omaheke anbringen und gab etwa 30 Herero (höchstwahrscheinlich Frauen) diese Order mit auf den Weg in die Omaheke. Der Befehl lautete: "Das Volk der Herero muß das Land verlassen. Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen." - Das klingt hart. Man muß hier aber folgendes bedenken: Der General und die deutschen Truppen befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Rückweg nach Windhuk. Die Schlacht war geschlagen, der Krieg aus seiner Sicht entschieden, denn die Herero hatten den Weg durch die Omaheke gewählt. Ihr Anführer Maherero war schon längst bei den Briten, ein paar Hundert Kilometer weg von dem Ort des Befehls. Es gab aber noch etliche Krieger und deren Angehörige, die irgendwo in der Omaheke auf Hilfe warteten, zugleich aber sich selber jeden Rückweg nach Südwest verbaut hatten oder deutsche Soldaten an den Zugangswegen vermuten mußten. Allerdings gab es kaum noch kampftüchtige deutsche Truppen, denn, wie bereits oben beschrieben, waren die erschöpft, krank und ohne notwendige Mittel, um den Krieg in die Omaheke zu tragen.
    Anhand dieser Tatsachen wird deutlich, daß von einem Genozid nicht gesprochen werden kann. Allerdings ließe sich darüber diskutieren, ob Deutsche in Afrika siedeln dürfen/durften.

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  • WirbelFCM
    antwortet
    Von den Goldförderungen, die die „westliche Welt“ heuer in Afrika tätigt, verbleiben ungefähr 3-5% in Afrika, der Rest der Erlöse geht in den Westen (genau: an kapitalistische Konzerne). Von solchen Leuten lass ich mir eh nix vorwerfen. Doppelmoral nennt man sowas ?‍♂️ Und Doppelmoral ist widerlicher als gar keine Moral ?

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  • aerolith
    antwortet
    Die jüngsten beschämenden Äußerungen unseres Bundespräsidenten in Hinsicht auf behauptete deutsche Verbrechen in Deutsch-Ostafrika haben mich veranlaßt, die Dinge für mich zu erschließen, also Quellenstudium zu betreiben. In den Reichstagsprotokollen finden sich aus allen politischen Lagern 935 Erwähnungen von Deutsch-Ostafrika. Ich wudele mich da gerade durch. Sehr viele Einzelheiten, aber auch grobe Schnitte der deutschen Kolonialpolitik. 1905 referierte Dr. Stübel, ein Verantwortlicher der Reichsregierung für Kolonialbelange. (Ich wünschte mir, in heutigen Parlamentssitzungen würde so offen über die Politik und die Probleme der Regierung im jeweiligen Sachbereich gesprochen.) In seinem Beitrag wird das Bemühen der Reichsregierung um gleiche Rechtsverhältnisse in den Kolonien deutlich, zugleich wird dessen Schwierigkeit zugegeben. In typisch deutscher Manier erhofft sich die Reichsregierung, daß wissenschaftliche Erforschung der Wirtschafts- und Sozialverhältnisse in den Kolonien dazu beitragen möge, die Verhältnisse systematisch zu verbessern.

    Zu Deutsch-Ostafrika: Das Gebiet (etwa drei Mal so groß wie die BRD), in dem seinerzeit etwa 7,5 Millionen Nicht-Deutsche (Inder, Portugiesen, Schwarze, Araber) und wenige Tausend Deutsche lebten, wurde mit Hilfe eines Eisenbahnbaus erschlossen, eine Nord-Süd-Linie, die die Weiten des Landes weitgehend sich selber überließ. Man glaubte an wenige Rohstoffe, wohl aber an die Möglichkeit intensiver Landwirtschaft. Der gesamte Geldverkehr soll 1905 bei etwa 18 Millionen Reichsmark gelegen haben. Bei einem Gesamtvolumen des Geldflusses von 18 MIllionen Reichsmark von einer systematischen Ausbeutung in Deutsch-Ostafrika zu sprechen, ist sehr übertrieben. Dieser Vorwurf des salonlinken Establishments an die Reichsregierung von 1905 oder an die Deutschen überhaupt wird um so absurder, wenn man den Ausführungen Helfferichs (Beauftragter der Reichsregierung für wirtschaftliche Fragen in Deutsch-Ostafrika) im Reichstag folgt, wo dieser die Schwierigkeiten bei der Einführung deutscher Zahlungsmittel beschreibt und zugleich Prinzipien der deutschen Kolonialpolitik erkennen läßt, die nicht auf Ausbeutung ausgerichtet war: Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: deutsche_rupie_1905.jpg Ansichten: 0 Größe: 148,0 KB ID: 2673
    Quelle
    Die von Erzberger kolportierten 18 Millionen für den gesamten Zahlungsverkehr in Deutsch-Ostafrika sind nicht eben viel, wenn man dagegen vergleicht, daß die Briten in diesen Jahren in Afrika weit über 100 Millionen Reichsmark (umgerechnet) allein in den Eisenbahnbau investiert haben sollen. Es gab Probleme mit der wirtschaftlichen Einbindung des Gebietes in den deutschen Wirtschaftsraum, denn das Gebiet wurde von Indien wirtschaftlich erschlossen, so daß die Rupie (!) in Deutsch-Ostafrika die bevorzugte Währung abgab. Ein geldpolitischer Hybrid aus einer Kolonialbank und der Reichsbank sollte währungspolitische Übergänge schaffen (das forderte jedenfalls der Zentrumspolitiker Erzberger), aber bei den geringen Geldumlaufmengen ergaben sich wenige Gewinnchancen. Die gesamte deutsche Politik war langfristig angelegt, nicht auf schnellen Gewinn aus.

    sehr lesenswert: Deutsch-Ostafrikanische Zeitung von 1907. Insbesondere empfehle ich die Lektüre ab Seite 9. Hier wird mit der Politik der Reichsregierung sehr kritisch umgegangen, allerdings nicht in dem moralinen Sinne, wie das heutzutage von öffentlichen Stellen gemacht wird. Ein Auszug soll deutlich machen, daß dioe deutschen Kolonien noch weit entfernt davon waren, für den deutschen Markt interessant zu werden, eine Ausbeutung derselben, wie von Salonlinken behauptet, also nicht stattfand.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: frachtkosten_ostafrika_1907.jpg Ansichten: 0 Größe: 181,4 KB ID: 2674
    Die Diskussion nahm Fahrt auf. Der SPD-Mann Paaschen machte darauf aufmerksam, daß man Aufständen vorbeugen müsse und nicht erst reagieren dürfe, wenn sie ausgebrochen seien. Er stellte in seiner Rede auch die Ursächlichkeit dar.
    Der Bau von Eisenbahnen unterband den üblichen Transport in Afrika zugunsten der effizienteren Eisenbahn. Etliche afrikanische Fuhrunternehmen (Pferde-, Kamele-, Ochsengefährte) verloren ihre Existenzgrundlage. Es wäre Aufgabe der Kolonialverwaltungen gewesen, diese Arbeitslosen für die neuen Chancen zu gewinnen, was z.T. nur sehr mühsam gelang. Die Gebiete an den Eisenbahnen florierten, aber viele Afrikaner waren nicht sehr mobil, sondern seßhaft und wollten ihre Heimat nicht verlassen, um in den prosperierenden Gebieten Arbeit zu finden. Setzten sie sich dann doch in Bewegung, dann meist als Stamm, was eine Kettenreaktion nach sich zog. Der SPD-Mann vermutet, daß dann früher oder später auch deutsche Siedler angegriffen werden würden, was dann die deutsche Regierung zwänge, diese zu beschützen.
    Und genau so fand es dann auch statt. Die Deutschen benutzten die Zerstrittenheit der Afrikaner untereinander. Ein Verbrechen? Wohl kaum,. Selbstschutz.
    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: paaschen_unruhevorbeugung_ostafrika.jpg Ansichten: 0 Größe: 185,1 KB ID: 2678
    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: paaschen_unruhevorbeugung_ostafrika2.jpg Ansichten: 0 Größe: 66,6 KB ID: 2677Quelle
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  • aerolith
    antwortet
    Nachdem ich ein bißchen recherchierte, verändert sich das Bild. Aber irgendwie hatte ich das auch erwartet.

    Britannien und der König von Benin schließen einen Freihandelsvertrag. Etwa 1892. Benin ist politisch selbständig. Benin bricht den Vertrag, als es britische Kaufleute an der Ausübung ihrer Tätigkeit hindert. Vergessen wir aber zugunsten der Beniner nicht, daß die Briten ihren Handel aus einer Position der Stärke heraus betrieben und mit ihrem Kreditwesen zahlreiche Beniner in Schulden stürzten. Das ist aber egal. Benin hätte das Abkommen kündigen können. Hat es nicht. Statt dessen wurde den Briten der Freihandel untersagt. Das paßte denen nicht. Klarerweise. Nachdem dann auch noch etliche Briten von beninischen Soldaten und Heckenschützen getötet worden waren, erklärte das Empire Benin den Krieg und schickte eine Kompanie Soldaten. 120 sollen es gewesen sein. Diese Soldaten gingen nun gegen den beninischen König und seine Soldaten vor. Erstaunlich genug, aber im Benin gab es starke Sympathien für die Briten, also boten sich zahlreiche Stammeshäuptlinge an, wollten Unterstützung geben. Der König von Benin (Oba) sah seine Macht schwinden. Er verwischte Spuren, ließ die Sklaven, die ihm dienen mußten, töten und verschwand aus seiner Hauptstadt, die von den Briten ohne großen Widerstand eingenommen werden konnte. Augenzeugen berichten von bestialischem Gestank in der Hauptstadt (Leichenberge), die seinerzeit etwa 15000 Menschen beherbergte. Benin wurde zur Kolonie erklärt. Ende.
    Die heute als Benin-Bronzen bezeichneten Beutestücke fanden einige Soldaten im Müll. Sie nahmen sie als Andenken mit und verscherbelten sie an interessierte Händler aus der ganzen Welt. Ja, Beute. Zugleich aber auch wieder nicht, denn in Benin fanden sie damals keine Beachtung. Man könnte auch sagen, die beutegierigen britischen Soldaten nahmen Andenken aus Benin mit, die sich heute als Weltkulturerbe bezeichnen lassen.

    Nachwort: Unsere Kolonialgeschichte! Ja, wir Briten sind schon wer. Unsere Außenministerin und Kulturbeauftragte machten das Unrecht wieder gut. Sie gaben dem sklavenhaltenden König von Benin seine wertvollen Büsten zurück, zugleich noch ein paar Milliönchen für den Ausbau seines Kulturgeschichtsmuseums. Äh, was? Ach ja, das gab und gibt es ja nicht in Benin. Und Deutsche gab es dort auch nicht. Das "Verbrechen" deutscher Kunstsammler bestand darin, daß sie erkannten, daß es sich bei den Fundstücken aus dem Müll um künstlerische Arbeiten handelte. Sie erwarben sie und stellten sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Ein paar wenige Forscher befaßten sich in den letzten Jahrzehnten damit. Nun, im linkswoken metoo-Zeitalter werden sie als Weltkulturerbe bezeichnet. Meinetwegen. Aber mit deutscher Schuld hat das nun gar nichts zu tun. Und die Briten? Denen ist das wurscht. Sie geben grundsätzlich nichts zurück.

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  • aerolith
    antwortet
    Könnte ich, vielleicht mache ich das auch, also eine Umbenennung. Landläufig ist aber "Kolonie" üblich, daher bleibe ich aus pragmatischen Gründen vorerst dabei.

    Stichwort "Benin-Büsten", weil die so einen guten Anlaß schaffen, über die chose mal zu radebrechen:
    1. Kauf mehrerer Bronzen/Büsten im internationalen Handel (meist von britischen Anbietern) durch deutsche Privatleute und Museen um 1900, die die Büsten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten.
    2. 2022 Übereignung der mehrere hundert Millionen € wertvollen Büsten an den Staat Nigeria mit der Auflage, es dem nigerianischen Volk zugute kommen zu lassen. Große Feier 2022.
    3. Nigeria hielt sich nicht an diese Abmachung und verschenkte die Büsten an den König von Benin. Damit kamen die Büsten in private Hand.
    4. Bekanntwerden des maroden Zustandes der "restituierten" Büsten resp. des Verschwindens zahlreicher Restitutionsobjekte. Korruptionsverdacht.
    5. Es gibt KEINE Öffentlichkeit für die restituierten Bronzen. Bis zur "Rückgabe", besser Übereignung aus schuldkultischen Gründen gab es eine Öffentlichkeit für diese Bronzen.
    6. Das Reich war kein Kolonialland, im Benin gab es auch keine Schutzgebiete.
    7. Das Geld für den Museumsbau, 5 Mill. €, in Benin ist versickert. Die Bundesregierung kümmert das nicht.
    8. Andererseits könnte behauptet werden, daß die Büsten gestohlen worden seien und somit die deutschen Käufer seinerzeit als Hehler handelten. Damit aber haben sie kein Eigentum erworben, denn gekauftes Diebesgut macht den Käufer nicht zum Eigentümer.
    9. Gegen 8. läßt sich einwenden, daß die deutschen Käufer seinerzeit in ihrem Rechtsverständnis handelten, nicht im heutigen, und die aus britischem Kolonialbesitz stammenden Kunstgegenstände rechtmäßig erwarben. Die Briten hatten die Bronzen in einem Krieg gegen Benin/Frankreich 1897 erworben. Kriegsbeute.
    10. Man könnte einmal untersuchen, wie viel Blut an den Bronzen klebt, wie oft der Besitzer derselben wechselte, lange vor dem Krieg von 1897.
    11. Grundsätzlich wird unterschieden in a) brutale und rechtswidrige Aneignung afrikanischer Güter durch Europäer und b) rechtmäßigen Sklavenhandel afrikanischer Fürsten und damit verbundenen Reichtum. Der Sklavenhandel hat zur Entstehung der Benin-Bronzen maßgeblich beigetragen, wird aber nicht gebrandmarkt. Statt dessen wird durch die Rückgabe an den Oba (beninischer Titel) dieses Handeln sanktioniert, aber wehe, ein deutscher Kaufmann kauft eine Bronze, um sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und ermöglicht Forschungen daran, die allen zugute kommen. Das ist dann Neokolonailismus oder Beutekunst oder was anderes Böses.

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