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Ahnen, Ahnung, Ähnlich

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  • Ahnen, Ahnung, Ähnlich

    Ja die Ahnen. Irgendwann um 1988 tauchte da plötzlich ein Mann aus Budapest auf und erklärte, er sei ein Verwandter von mir. Er legte mir eine Ahnentafel vor, einen Stammbaum, aus dem hervorging, dass ein Urgroßvater oder so um 1805 aus meinem Geburtsort weg nach Ungarn ging, damals ja Teil der Habsburgermonarchie. Ich blieb bis zu seinem Tode mit diesem lieben Onkel (Julius) in Verbindung und wir tranken manch Glas Wein miteinander. Durch seine Aufzeichnungen angespornt, begab ich mich auf das steinige Feld der Ahnenforschung mit seinem schwankenden Boden.

    Ich kam zurück bis ins Jahr 1599 oder so, jedenfalls noch vor 1600. Damals wäre ein Ahn im schwäbischen Scharnhausen mit einem Stück Land oder Lehen vom dt. Kaiser beschenkt worden. Und in den Adelsstand erhoben. Dann geht es weiter in Nördlingen/Ries, wo zwei meiner Urahnen als Bürgermeister gewirkt haben und in der Stadtkirche St. Georg porträtiert und ausgehängt sind (Kilianus und Sebastian). In den Wirren des 30-jährigen Kriegs wird Nördlingen fast entvölkert (Pest) und es entsteht eine Lücke. Dann soll ein weiterer Sproß in Friesach/Kärnten auftauchen (lt. Aufzeichnungen von Onkel Julius). Konnte ich bislang nicht bestätigen. Und nochmal ein paar Jahrzehnte später so Mitte 18. Jhdt. finden sich erste Ahnen in meinem Geburtsort in Niederösterreich. Von da an haben wir eine lückenlose Ahnenreihe der ungarischen und öst. Linie.

    Vom Onkel hab ich auch unser Wappen. Es gefällt mir.


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Name: Wappenzeichnung Emil Reichart.jpg
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ID: 2010


  • #2
    Toll. Ein Pfeil, der nach Nordwesten zeigt. Und eine Harfe. Dichtersippe. Bin begeistert.

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    • #3
      Und ein Pfeil der nach Norden zeigt. Die Harfe könnten auch Hörner darstellen - Hirten vielleicht? Oder einen Bogen - Jäger? krieger? Allerdings ist der Pfeil dafür falsch herum. Eine Negierung? Contrabewegung? Pazifisten? 🤔🤷‍♂️😏

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      • #4
        Korrektur: Die erste Erwähnung der Sippe anlässlich der Belehnung des genannten Guts in Scharnhausen bei Stuttgart durch den dt. Kaiser Friedrich Barbarossa erfolgte viel früher, bereits 11xx. (Quelle, Tagebuch Emil Reichart, Budapest). Unabhängige Bestätigung des Tagebucheintrags von Emil R. habe ich keine gefunden bislang.

        Hier noch, was ich aus dem Siepmacherschen Wappenbuch zu den Ahnen in Nördlingen und Livland gefunden hab. Leider entpuppt sich die Harfe als ein Paar Büffelhörner. Dennoch gab es unter meinen Vorfahren einige musisch Begabte, vorallem in der Zeichnerei und Malerei.


        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Siepmacher Wappenbuch Eintrag 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 151,8 KB ID: 2026 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Siepmacher Wappenbuch Eintrag 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 136,7 KB ID: 2024 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Siepmacher Wappenbuch Eintrag 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 130,1 KB ID: 2027 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Siepmacher Wappenbuch Eintrag 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 114,8 KB ID: 2025
        Zuletzt geändert von eulenspiegel; 03.06.2023, 21:23. Grund: Korrektur

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        • #5
          Emil, der Großvater meines ungarischen Onkels Julius, hat Tagebuch geschrieben. Julius hat sie auf seiner klapprigen Schreibmaschine auf deutsch abgetippt. Daraus wurden 4 Ringmappen zu je ca. 400 Seiten. Darin schildert Emil - seinerseits der Sohn des aus meinem niederösterr. Heimatort 1805 nach Ungarn ausgewanderten Simon - Besuche bei Verwandten in Wien und Laxenburg und seine abenteurliche Reise in die USA, wo er mit Gleichgesinnten Freunden und Geschwistern eine landwirtschaftliche Kommune gründen wollte. Aus Geldmangel musste er sich als u. a. Söldner im Sezessionskrieg verdingen, wie auch als Cowboy und Stallknecht. Die Pläne scheiterten, die meisten Mitstreiter sprangen ab, er kehrt schließlich nach einigen Jahren in Nordamerika nach Ungarn zurück. Insgesamt eine authentische, detailreiche - auch sehr geistreiche und amüsante - Schilderung damaliger Verhältnisse der damaligen Welt von Ungarn, Österreich, Deutschland bis ins Nordamerika der 1860-er Jahre. Für Amerikanisten wäre das eine unschätzbare Fundgrube. Vielleicht schaffe ich es zu Lebzeiten noch, das ganze Konvolut in den Computer zu tippen und dadurch leichter verfügbar zu machen.

          Auszüge werde ich nach und nach einstellen.

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          • #6
            Schreibmaschine sollte doch jede OCR einlesen können 🤷‍♂️ abtippen ist doch aus den 90ern 🙈😅

            ich erinnere mich noch, als ich damals 1996 oder die so meine erste domain registriert habe: fcmagdeburg.de 😏 und dort die spielberichte aus der OL veröffentlicht habe, die ich vorher aus dem kicker abgetippt hatte. OCR gabs damals nämlich nich nicht, selbst (hand)scanner waren nahezu unbrauchbar und der kicker hatte auch nich keine homepage, wo man die texte hätte abkopieren können 🙈😁 das war damals ne ganz schöne plackerei 😅

            PS: trotzdem dürfte der 1.FC Magdeburg damit vermutlich der erste Fußballverein Deutschlands sein, der eine „eigene“ Homepage besaß 💪😁
            Aber interessant wäre das tagebuch schon. Ich muss da spontan an klar may denken. Der hatte nicht mal ein echtes tagebuch und hat trotzdem Bestseller draus gemacht 😁
            Zuletzt geändert von WirbelFCM; 06.06.2023, 12:17.

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            • #7
              Danke für den Tip. Muß erst mal schaun, ob die OCR mit den alten, verblichenen Kopien (Ungarn lang vor der Wende ) zurecht kommt.

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              • #8
                Ggf. Bissl mit kontrast spielen oder in grautönen bzw s/w probieren.

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                • #9
                  Ein erster Test; Naja, es bleibt einige Editierarbeit. Einerseits Tippfehler des Onkels, andererseits unleserliche Buchstaben oder Zeichen, dann erkennt es Sonderzeichen wie '=' nicht etc.
                  Aber immerhin, besser als alles eintippen.... 😀

                  11-12. Nov. 1862

                  Aufenthalt in Springfield.

                  Ich war aufi Vorposten zwei Meilen vor der Stadt, als des Abends eine sonderbarer
                  Larm aus derselben zu unseren Ohren drang. Rauschende Mnsick
                  und anhaltende tausenflstimmige Cheer’s mischten sioh in ein
                  unverstandliches Gewirr von T6nen. Als eir des anderen Mor-
                  gens abgelost nach Hause kamen vernahmen wir die Ursache des
                  Lérmes. Es ging namlich eine gefahrliche Krises durch alle
                  Lager und in grofien Theil der Truppen bewirkte grofiartigpe
                  Demonstrationen fur Fremont, unter dem allein sie weiterdienen
                  wollten. General Fremont war das Loosungswort geworden. Wieder
                  waren es die Deutschen die den Kern der Aufruhrer bildeten,
                  wéhrend sich die Yankee’s ferne hielten. Es wurde sohleunigst
                  Kriegsrath gehalten und selbst in diesem soll die Wage beinahe
                  tiefer fur Fremont gesunken sein. Nur das energische Auftreten
                  General Curtis’ rettete die Situation. Dieser war ein "know
                  nothing" und daher ein Freund Huter’s. Sammtliche Regimenter
                  wurden in Reih’ und Glied gerufen und die respeotiven Ober-
                  sten mufiten eindringliche Reésn halten ums der Mannschaft
                  vorstellen daB es zwar sehr bedauerlioh ist daB Fremont ge-
                  sturzt wurde, trotzdem aber ein solches Beginnen die Union
                  zum Hohnlachen ihrer Feinde zum Untergang bringen musse. Dies
                  wirkie, die Gemfithen beruhigten sioh und die Lagerrevolution
                  war gedampft.
                  Die Abwesenheit Fremonts sollten wir fibrigens noch
                  bitter ffihlen. Von diesem Tags an lit ten wir an Nahrungs -
                  und Kleidungsmitteln fortwahrenden Mangel. Fremont war ein
                  ganzer Soldat und sorgte fur seine "Boys".

                  13. Nov. 1862

                  Schon den napohsten Tag trat die neue Kriegspolitik
                  Ger Defensive in volle Kraft und trieb ihre fur Missouri
                  verderbnilreichen Bluthen. Unser ganzes Corps erhielt Marsch-
                  befehl und wiresollten uns bis auf Rolla der Endstation der
                  lissouri—Sfidwest-Bahn 140 Meilen von Springfield zuruckziehen.
                  nashdem wie man vorgab der Winter vor der Thur, und wéhrend
                  desaelben die Verproviantirung eines solchen Truppen-Corps
                  in Springfield nicht moglioh sei. So sohmahlich endete also
                  fiieser nit so vielen Anstrengungen und Kosten unternomener

                  - 588 -



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                  • #10
                    Ja da muss noch einiges gemacht werden. Wenn du mir mal ein paar scans schicken könntest würde ich selber mal ein wenig rumprobieren. Da kommt es am ende echt drauf an, wieviel man vorarbeitet: das einscannen selber, den richtigen filter für die nachbearbeitung finden, die richtige software. Je nachdem um wieviele seiten es überhaupt geht, kann man dann beim dinalen arbeitsgang viel zeit sparen, auch mit der nachbearbeitung.

                    wobei ich fast überlegen würde, ob man das überhaupt „übersetzt“ und nicht einfach die originalseiten quasi 1:1 zusammenfaßt und das ganze im originallook als tagebuch herausgibt. Wie oft gibt es sowas überhaupt? Quasi ne tatsachenerzählung aus dem wilden westen? Das liest sich doch so schon ganz ordentlich und schaut auch so aus. Wird vermutlich nicht den spannungsbogen der karl may geschichten haben aber dafür ist es halt völlig authentisch! 🤷‍♂️ und wenn er da auch was Abenteuerliches erlebt hat und das ganze buch nicht nur aus kartoffeln schälen und flinte putzen besteht, findet das auch Fans!

                    wenn man das richtig aufzieht könnte das ein kassenschlager werden 💪👌 über die filmrechte will ich gar nicht erst nachdenken 😁

                    Wieviele Seiten sind das eigentlich?

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                    • #11
                      Danke für dein Angebot. Ich werde mich mal selber damit spielen, mehrere OCR-Apps ausprobieren und sehen, was am besten kommt. Da die Kopien sehr unterschiedlich sind, was Kontrast, Auflösung, Helligkeit, Hintergrund usw. angeht, wird man mit einer Einstellung nicht klar kommen. Überhaupt ist das ein Projekt, wo die Zeit keine große Rolle spielt, bei einem Textkörper von ca. 1500 A4-Seiten kommt es auf ein halbes Jahr mehr oder weniger nicht an. Die Kopien liegen jetzt schon 25 Jahre bei mir im Schrank. Nehme mir mal vor, dass ich das ganze Konvolut bis Jahresende in Buchform vorliegen habe.

                      Es ist klar, dass ich in den Text inhaltlich und auch bezüglich Wortwahl, Satzbau, altvaterischer Grammatik etc. nicht eingreifen werde. Ich korrigiere lediglich die 'Fehler' des Textgenerators und die gröbsten Tippfehler meines Onkels. Und nur dort, wo der Text sinnentstellt oder nicht eindeutig ist. Ansonsten bleibt das orginalgetreu erhalten. Das macht ja grad den Reiz des Textes aus. Neben der Überfülle an Details über die Lebensumstände der Menschen im 'Wilden Westen', in der Nordstaatenarmee, in den Städten. Ich denke, es gibt auf Deutsch kaum etwas Vergleichbares, selbst Erlebtes, Authentisches über die damaligen Verhältnisse in Ungarn, Österreich, Deutschland und Amerika. Allein die Reiseschilderung von Budapest nach Hamburg, wo er sich einschiffte, ist ungeheuer. Dann die Überfahrt. Unglaubliche Zustände unter Deck bei den armen Schluckern, die für die Schiffsfahrt nicht oder nur wenig bezahlen konnten.

                      Für die belletristischen Verlage dürfte das kaum interessant sein. Mehr für Amerikanisten oder Historiker, die nach Originalquellen suchen. Ein Film wär natürlich ein Traum. Gut gemacht und nicht hollywoodesk verfälscht und verkitscht. Na ja. Erstmal an die Arbeit.

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                      • #12
                        Naja wie er sich eingeschifft hat muss ich jetzt nicht im detail wissen 🤭😅

                        naja mit dem wolkensteinverlag hast du da ja im grunde genau den richtigen verlag gefunden 👌

                        meine erste idee wäre, das etappenmäßig in bände aufzuteilen (reise hierhin, reise dahin, emil im wilden westen band I,II,III) und zuerst ein buch zu veröffentlichen und den gewinn daraus dann ins marketing für „Emil im wilden westen“ verwenden, um daraus dann einen bestseller zu machen. Mit der kohle aus dem verkauf könnte man dann über eine verfilmung nachdenken. Entweder „in echt“ oder als 3D-Film (ich kenne da den richtigen mann für).

                        könnte mir aber auch vorstellen, dass eine kleinere geschichte toll als Youtube-Serie funktionieren könnte (bspw. 6 kurzgeschichten von 10-15min oder so, ich denke da an die Alien 40th anniversary shorts), um das hauptwerk zu promoten. Allerdings dürfte das schwierig werden, weil du dafür ja ein historisches setting brauchst, was deutlich mehr kostet 😕

                        vll. kannst ja mal eine kurzübersicht über die verschiedenen ereignisse reinstellen, über die er berichtet hat?

                        wie steht Robert eigentlich zu der ganzen sache?
                        btw: der aufwand wird auch mit dem scan stehen und fallen. Evtl. würde ich da mal versuchen, professionelle hilfe zu finden, als leute mit erfahrung, knowhow und der nötigen technik, sowas zu digitalisieren. Da gibts mit sicherheit experten für. Nur wo findet man die? 🤔 ich würde mich da mal in museen oä umhören, wo alte bücher bearbeitet werden.

                        und was ich noch ganz vergessen habe: das Computerspiel natürlich 😏

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                        • #13
                          Erstmal muß das Ganze digitalisiert und in eine lesbare und brauchbare Form überführt werden. Wenn ich pro Tag 10 Seiten mache, bin ich in 6 Monaten fertig. Sprich, realistisch werden es wohl 12 Monate werden. Und 12 ist ein heilige Zahl ....

                          Ob sich ein Verlag dann findet, ist eher zweitrangig. Hauptinteressenten werden wohl Bibliotheken, wissenschaftliche Institute etc. sein. Die öst. Nationalbibliothek z. B. oder amerikanistische Einrichtungen etc. Eine Aufgliederung auf mehrere Bände, evtl. nach Inhalten, Orten etc. ist überlegenswert. Ob ein Seller draus wird, liegt in den Sternen. Oft werden Bücher nach Jahren oder Jahrzehnten Selbstläufer, meist nützt oft die beste PR nix ..... Mal sehen, das ist nicht meine Motivation ... Nicht den 2. oder 3. Schritt vor dem ersten machen.

                          Wenn ich viel Glück habe, übernimmt ja irgendein Interessent die Digitalisierung, ich versuch das mal. Die ÖNB ist da ein heißer Kandidat.

                          Da die Texte weit mehr als 100 Jahre alt sind, dürfte es keine urheberrechtlichen Probleme geben. Die Familie in Ungarn werde ich allerdings in mein Vorhaben einweihen.

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                          • #14
                            Ein Anfang ist gemacht. Hier eine Textprobe. Orthografie und Satzbau habe ich belassen, wie vom Onkel auf 'deutsch' übersetzt. Original ist ungarisch. Meine Anmerkungen sind in runde Klammer kursiv gesetzt. Emil war ein Phantast, ein Träumer voller Hoffnungen und Luftschlösser. Er sollte krachend auf dem Boden der Realität aufschlagen. Seine Fabulierlust liest sich sehr amüsant und erzählerisches Talent hat er zweifellos besessen.

                            ***

                            24. July 1862



                            An diesem Tage beginnt mein Wanderleben in America. Bisher war ich stets noch auf der Reise gewesen,ich hatte noch keinen sicheren Halt gefunden. Heute jedoch glaubte ich meinen endgültigen Bestimmungs- und Aufenthaltsort - vielleicht später meine zweite Heımath - gefunden zu haben, ich sollte mich indessen geirrt haben. In diesem Lande sollte es für mich keine Ruhe und keine Rast geben, ich sollte wandern und wandern gleich dem "Juıf errant", bis ich mich aus dem Bannkreis dieses Welttheils entfernt hätte.

                            Well go on!

                            Als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über die thaubenetzte Prairie schossen, waren wir schon auf dem Wege nach H.F. Patricks Farm. Ein herrlicher Hochsommer-Morgen lag über den sanften welligen Hügeln. Aus den Swamps stieg feuchter Rauch auf, der sich am Horizonte zu dichten Dampfwolken zusammenballte. Eine mit wenigen aber lieblichen Groves besetzte Rollprairie bildete die Landschaft. Sie trug einen cultivirten, freundlichen Character an sich und wo der Boden nicht in Mais, Weizen und Thimotheus-Feldern umgeschaffen war, da schoß hohes, primitives Prairiegras in vollem Saft und Kraft empor. Wenn die Strasse eine langgestreckte, wellenförmige Erhebung des Bodens hinanstieg, so schaute das Auge weit und breit ein schönes Culturland, mit Farmen dicht besetzt, aus deren Mittelpunkten sich hübsche schneeweiße, in der Sonne hell blinkende Wohnhäuser, Scheunen usw. erhoben.

                            Ich überfloß von Freude, in diesem Lande willst du wohnen, hier willst du arbeiten, mit deinen Freunden in nächster Nachbarschaft. In diesem Paradiese willst du deine Lehrzeit der Farmerei verbringen.

                            Nachdem unser Cicerone von gestern uns noch einige Weisungen gegeben hatte, sagte er uns 'Good bye'. Wir hatten bald Patrıcks Farm gefunden. Das Wohnhaus, ein zweistockwerkhohes großes Gebäude stand in einem Garten dicht an der Strasse
                            und zeugte so wie die Einzäunung und die ganze Umgebung von der Wohlhabenheit des Besitzers. An dem Thorpfosten lehnte ein Mann mit ziemlich abgenützten Kleidern und schnitzte wie aus Langeweile mit einem Taschenmesser an einem kleinen Stückchen Holz - ein Lieblingsvergnügen der Yankees -.

                            "Wenn das einer der Farmarbeiter ist", dachte ich „so sind diese grade nicht sonderlich angestrengt." "Good morning Sir" sagte ich und fragte ihn ob dies


                            - 259 -

                            Patricks Haus sei. Aus seinem Nicken entnahm ich die Bejahung. Dies war jedoch auch alles. Weiter ging die Verständigung nicht, denn der Teufel konnte dıeses "Farmer-englisch" verstehen. Auf alle meine Fragen erhielt ich nur Antworten die ich nicht verstand. Was war zu thun? Ich verzweifelte beinahe. So viel war gewiß, dies war Patricks Farm und Cornél hielt sich hier auf. Ich ließ daher den Holzschnitzer stehen und wendete mich von Ferdinand gefolgt mit Todesverachtung nach dem Hause, mit der Hoffnung, daß uns der Zufall begünstigen werde. Um das Haus herumgehend trat ich rückwärts in die Küche ein, wo mehrere nett bekleidete Ladies geschäftig und laut singend herumhandthirten. Sie schienen durch meinen plötzlichen Eintritt sichtlich überrascht zu sein, und ich mußte meine Frage nach Cornél wiederholen, bis ich verstanden wurde. Hier hatte ich indessen mehr Glück und verstand deutlicn die Antwort: "Er ist draußen auf dem Felde", nämlich "Cornelius" wie sie ihn nannte. "What direction please, Madam?" fragte ich, worauf sıe lachend zur Thüre ging und mir freundlich die Richtung des Feldes angab, wo Cornél arbeitete. Ich dankte, rief nach Ferdinand und wir schritten nun über den Hof und kamen auf eine Wiese hinaus auf der wir einer ausgefahrenen Wagenspur folgten. Nur wenige Minuten waren wir derselben gefolgt, als ich zwei herankommende Heuwagen bemerkte. Wir waren bald in unmittelbarer Nähe und ich rief den Gouverneur des ersten Wagens mit den Worten "Please Sir, can't you tell me where is Mr. Cornelius?" an ..... doch o Himmel, die Worte waren kaum über meine Lippen gegangen, als vom zweiten Wagen ein lauter Freudenruf erschollte, und von dem hoch aufgeschichteten Heu eine große kräftige Gestalt in breitem Hut und blauem Farmeranzug in einem Satze herabsprang und mit einem freudigen "Jesus Christ" in unsere Arme stürzte. - Es war Cornél. - Man kann sich unsere Freude denken. Nach der Trennung eines ganzen Jahres, eines langen unendlichen Jahres voll Hoffnung und Erwartungen, sahen wir uns unter solchen, von unseren früheren Lebensstellungen weit verschiedenen Umständen wieder. Nun waren alle Sorgen um die Zukunft verschwunden, nun war alles wieder gut. "Arbeit so viel ihr wollt, macht euch keine Sorgen", sagte Cornél. - Unseren Brief hatte er erst vor drei Tagen erhalten, und seine Antwort, in welcher er uns alle Anweisungen gab, kam zu spät nach Chicago. In einem späteren Zeit fand ich diesen Brief auch richtig in dieser Stadt auf der Post.

                            Diese Stunde des Wiedersehens war eine der glücklichsten, die ich in America erlebte. Unsere Pläne und Träume der Jugend waren also keine Hypothesen mehr, alle Zweifel waren geschwunden: Cornél hatte sie in die praktische Wirklichkeit übersetzt.

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                            Hier stand er, eine hohe durch Arbeit gekräftigte schöne Gestalt, voll Kraft und Humor und war mit Lust und Liebe, Leib und Seele Farmer, - er der frühere Kaufmann. Und er war es nicht etwa nur halb und vielleicht unvollkommen, sondern war im Gegentheile in der ganzen Gegend als einer der tüchtigsten Arbeiter bekannt. Er leistete nicht nur mehr als Andere, die dabei aufgewachsen waren, sondern vermöge seiner größeren Intelligenz hatte er in Allem ein moralisches Übergewicht, einen schärferen Blick und schnelleres Urtheil, und wußte jedes Ding von der vortheilhaftesten Seite anzupacken. Er war mit einem Worte "smarter" als die als "smart" bekannten Yankees. War irgend in der Umgegend ein Pferd zu brechen, das Niemand zu bändigen im Stande war, so war man sicher, daß es Cornél konnte. Er war überall gesucht und geschätzt. - Es stand also fest: durch langsame Gewöhnung und Lust und ernsten Willen konnte auch aus einem europäischen Civilisations Menschen ein tüchtiger amerikanischer Farmer werden.-


                            Cornél meinte wir sollten wegen einer Unterkunft nur nicht ängstlich sein,- dies sei "grün" - und uns vorläufig darum nicht kümmern. Ich wollte jedoch nicht schmarotzen und fragte ihn, ob er keinen leeren Platz wisse. Einen solchen wüßte er zwar nicht, jedoch meinte er, wenn wir von Farm zu Farm gingen und nschfragten, würden wir gar bald einen solchen finden, "und überall", sagte er, "wo Ihr ein weißes Haus seht, da ist auch eine Farm".

                            Cornél fuhr nun wieder hinaus Heu einzuheimsen und ich und Ferdinand machten uns sogleich auf den Weg, mit dem Versprechen zur "Dinner time" wieder bei Patrick zu sein. ~ Wir schlugen aufs Gerathewohl eine westliche Richtung ein, stiegen über mehrere Fencen und kamen bald auf eine Country-Strasse hinaus. Hier erfuhren wir auf einer Farm, daß einige`"County-Süd-Strassen" weiter westlicher bei Mr. Müller, einem Dutchmen, ein leerer Platz sei. Es dauerte nicht lange, so erblickten wir auf einer kleinen Bodenerhebung das kleine aber hübsche, schneeweiße Wohnhaus desselben. Als wir näher kamen, trafen wir auf einen Mann der seine Sense schärfend hinter der Strassenfence stand. Es war Mr. Müller "himself", ein wackerer Würtemberger von cca. 45 Jahren und zwar derben aber gutmüthigen und wohlwollenden Zügen. Ich ward auf der Stelle amtirt und Ferdinand erhielt die bestimmte Zusicherung eines Platzes bei Müllers Bruder, der zwei Meilen südlich domicilirte. -

                            Er fragte mich, was für "Profession ich in Europa getrieben hätte, worauf ich fleißig log und sagte, ich sei früher Kaufmann, in letzter Zeit aber Tischler gewesen.- Er nickte freundlich, meinte "nu's wird schon werde, seid mir doch lieber wie so ein Yankeeboy" und fragte, ob ich mit 1o Dollars monatlich zufrieden sei. - Herr Jemine wie sollt ich nicht zufrieden sein. -



                            - 261 -


                            Darauf führte er uns ins Haus, "damit wir etwas lunchen sollten", indem er mich verstohlen von Zeit zu Zeit mit sichtlicheren Gefallen musterte. - Ich sah auch nicht so übel aus. die Seereise hatte mich rund und gesund gemacht und mein wohlberechneter Anzug, der in einer weiten Zwirnhose, Segeltuchjacke und großem Strohhute bestand, ließ keine Ahnung von dem früheren "Comptoiristen" aufkommen.

                            In der Stube saß Müllers "Ehegattin" in häuslicher Beschäftigung von Kindern umgeben. Sie war eine behäbige Frau mit noch pechschwarzem Haar und regelmäßigen Zügen, in ihren Blicken jedoch die aus dunkelschwarzen Augen entsendet wurden, lag etwas Mistrauisches und Unfreundliches. Beim ersten Blick sagte mir eine geheime Ahnung, daß sie hier die heimliche Regentin sei und daß wir beide nicht harmonieren würden. Ihre Redensarten bestätigten nur meine Besorgnisse. "Oh ja,
                            Kaufmann warst Du", sagte sie, "da wird's hagern, da wird's stark hagern" - kalter Schauer lief mir über den Rücken. Der Alte jedoch meinte, es sei ganz gleich was man in Europa gewesen sei, in diesem Lande müsse doch jeder von Neuen in die Lehre gehen. Sie schien damit zufrieden zu sein und wartete uns Schinken, Butter, Whisky u.s.w. auf.~

                            Nach dem Lunch entfernten wir uns wieder und ich versprach Müller morgen oder übermorgen sobald ich mein Gepäck aus Chicago herausgebracht hätte, bei ihm in Arbeit treten zu wollen.- Ferdinand trennte sich von mir um nach Anweisung des Alten auf seines Bruders Farm zu gehen und dort wegen Arbeit nachzufragen.

                            Ich wanderte also allein nach Patricks Farm zurück und kam dort gerade zur Mittags-Zeit an. -

                            Cornél war damit, daß wir bei einem Deutschen Dienst genommen hatten, nicht zufrieden, denn Alles was in America "dutch" sei, da sei nicht viel Werth. -

                            Er führte mich nun den Ladies und seinem "Bars" (Boss?) als einen guten Freund aus der Heimath auf,- doch wie sehr erstaunte ich, als ich in Letzterem den schäbig aussehenden, Holz schnitzenden Mann von heute Morgen erkannte. Also dies war der Besitzer eines Vermögens von über 1oo.ooo Doll. ! ? Ja, und trotz dieses Vermögens arbeitet dieser Mann gerade so wie seine Farmarbeiter selbst mit und zwar ganz gehórig und tüchtig. Er ist nicht mehr jung und doch leistet er mehr als mancher Junge. Dies zog mich mächtig an: ein demokratisches Prinzip! Hier war es Wirklichkeit! -

                            Mr.Patrick schüttelte lachend meine Hand und meinte, wo beim Teufel ich mein Englisch erlernt hätte. Zum Mittagessen lud er mich nicht erst ein, denn dies verstand sich ganz von selbst, und wird in diesem Lande über solche Dinge auf


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                            den Farmen kein Wort verloren. Der amerikanische Farmer ist als ungastfreundlıch verschrien; jedoeh mit Unrecht. Ich hatte mich mehrmals vom Gegentheıl überzeugt.-

                            Nach dem vielen Marschieren mundete mir das Mittagessen herrlich. Es bestand aus gebratenen Scnweınfleisch, geschmorten Kartoffeln, gekochten Fisch, Bohnen, zweierlei Kuchen, "Toast", d. h. gebächtem Weißbrod, Butter usw. Als Getränk war Thee servirt wie dies in allen "Temperance-Familien" der Fall ist. Wasser kommt gar kein's auf den Tisch aber noch weniger Wein oder Whisky. Ist man einmal an den Thee, der jedoch ohne Rum und von vielen auch ohne Zucker getrunken wird, gewohnt, so schmekt es sehr gut und ersetzt vollkommen den Wein.

                            Nach dem Dinner wurde sogleich wieder an die Arbeit gegangen; was mir nicht ganz recht war. Dieser Mangel aller Siesta war unangenehm.

                            Ich half so gut ich konnte beim Heu-Einfahren und Abends traf wieder Ferdinand gerade zum Supper zurecht bei Patrick ein. Er war bei Franz Müller mit 9 Dollar monatl. amptırt. Man zahlte in dieser Gegend zur dieser Zeit auch 18 Doll., allein für uns Anfänger war auch dies schön genug. /Giebt es doch in Europa Commis die jahrelang nicht mehr als F 16,- also nicht einmal 8 Doll. Salär haben. /

                            Ich und Ferdinand erhielten im ersten Stock ein großes zweischläfriges Bett angewiesen. Wir besprechen noch bis tief in die Nacht hinein unsere Pläne für die Zukunft.- Cornél entwickelte in langer Auseinandersetzung seine Ansichten und Erfiahrungen in Anwendung auf unser Ansiedlungs-Projekt. Er versicherte uns, daß dasselbe mehrfach abgeändert und den amerikanischen Verhältnissen die von den europaischen himmelweit verschieden sind, angepaßt, sehr gut ausführbar ist.

                            Der Staat wo unsere Niederlassung gegründet werden solle, ist jedenfalls Iowa, welches er von vielen Seiten als ein fruchtbares, gesegnetes Land schildern hörte. Wisconsin, der ausgewählte Staat unserer früheren Pläne, ist im Süden schon zu dicht besiedelt, im Norden aber zu kalt und ohne Prairien blos mit dichten Urwäldern bedeckt. Eine Rodung auf Waldboden ist zu anstrengend und bezahlt selten Zeit und Mühe. /Über Theodor Wettstein unserem Carrespondenter in Milwaukee hat Cornél viel Übles gehört, er sei ein Schwindler und Humbugger, und habe sein Weib davon gejagt.- Später habe ich übrigens von anderer Seite gerade das Gegentheil gehört und zwar von achtbahrer Seite; von amerikan. Standpunkt kann man ihn nur als Ehrenmann betrachten, und seine Frau habe er nur deshalb fortgejagt, weil sie nichts nutz war. /


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                            In Iowa berichtete Cornél weiter, ist noch genug billiges Land vorhanden, und zwar leicht zu bearbeitendes Prairie-Land. Pfeifer und Hefter farmen nun in diesem Staate - in Dixon, Scott County - und studieren die Verhältnisse und Farmerei-Weise desselben. Was unser Project selbst betrifft, so muß dieses sehr abgeändert werden, wenn man mit der Ausführung desselben auf Rentabilität rechnen will, und dabei sowohl unsere körperlichen als auch pecuniären Kräfte schonen will. Das leitende Prinzip soll nicht so sehr Farmerei und körperliche Arbeit sein, sondern vielmehr spekulative Ausnutzung der obwaltenden amer. Verhältnisse, wobei uns unsere Intelligenz und erworbenen Kaufmännischen Kenntnisse sehr zu Nutzen kommen werden. Wir sollten nicht so sehr eigentliche Farmer, sondern vielmehr commercielle und industrielle Unternehmer sein.-

                            Bis zum Frühjahr werden wir drei /Schweikëls Tod hatte Cornél bereits von Kölber in New York erfahren, welcher Verlust ihm auch große Trauer verursachte/ hier in Illinois farmen, dann aber auch nach Iowa gehen und dort im Verein mit Pfeifer und Hefter uns nach einem passenden Ort für unsere Ansiedlung umsehen. Im Herbst, bis wann wir von Europa aus noch einige Nachzügler erhalten haben durften, wird diese(s) stattfinden. Pfeifer wird sein Capital aus Europa kommen lassen, Cornél auch einige Geld von dort erhalten, und wir anderen werden die mittlerweile gemachten Ersparnisse einschießen. /Dabei war es freilich sehr zu bedauern daß Cornél, Hefter und Pfeifer bisher nicht in Stande waren solche zu machen./

                            Mit dem größten Theil dieses Grundfondes wird dann an einem schiffbaren Fluß ein möglichst großer Complex guter Prairielandes angekauft, von dem wir jedoch nur so_viel cultiviren, als wir für die Erzeugung unserer Lebensmittel benöthigen. Dagegen errichten wir einen Seed Store, etwas das was man in Europa Granarium nennt, und übernehmen von den Farmern der ganzen Umgebung ihre Erzeugnisse - die in solcher Entfernung vom Markte froh sind, sie an den Mann zu bringen, - entweder zum commissionsweisen Verkauf oder auf feste Rechnung in Tausch gegen Bedürfnisse der Industrie u.s.w. die wir auf Credit aus der nächsten großen Stadt beziehen können. Ist auf diese Weise die ganze Ernte der Gegend beisammen so lassen wir ein Dampfschiff herauf kommen, welches, wenn diese erste Expedition gelingt, im zweiten Jahre freiwillig kommt; /so entsteht die Dampfschiffstation/ und bringen die Vorräthe auf den convenirendsten Markt.-

                            Unweit des Seed Stores wird eine Tavern, die später zum Hotel wird, erbaut und ein Wirthsgeschäft etablirt, welches in America sehr einträglich ist. An Sonntagen werden hier kleine Picniks, Tänze u.s.w. gegeben, die Allen etwas eintragen. Verbunden mit diesem Geschäfte wird ein Grocerie Store etablirt, der den Farmern Specereywaren, Kurzwaren u.s.w. in Tausch gegen ihre Producte liefert. Diese Tauschgeschäfte sind die einträglichsten in Westen der Verein.


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                            Staaten. Ferner braucht die Gegend auch eine Apotheke und einen Doctor. Wie wenig hier zu einer solchen gehört und wie leicht ein sogenannter Doctor hier zu haben ist, ist bekannt.~ Doch wir müssen auch für die moralischen Bedürfnisse unserer Nachbarn sorgen und schenken Grund und Material für eine Singig und Spelling School und lassen diese mit großer Ostentation und gehörigen Reclamen bauen.~ Noch mehr! Die Umgegend ist schon dicht besiedelt und hat lebhaft das Bedürfniß einer Kirche. Wir sind großmüthig und lassen diese, gleichviel, ob die Bevölkerung nun methodistisch oder mormoniscn ist, mit gleich großem Spektakel bauen und mit Pomp einreichen. Wir werden von der ganzen Gegend gesegnet als Wohlthäter betrachtet. Aber auch in der Entfernung werden wir berühmt und alle Zeitungen des Staates berichten über unsere "Settlement" - später "Village" und endlich - "Town". Wir sind natürlich auch Correspondenten von mehreren Blättern. Wir haben nun einen Seed Store, Hotel, Drugstore, Grocerieshop, School und eine Church, Steamboat-Station, und die Village ist fertig. Diese Gebäude bilden mit unserem Wohnhaus und Scheunen u.s.w. schon zwei Gassen die sich in rechtem Winkel schneiden. An einem Ende derselben steht ein Pfosten der auf einer großen Tafel mit Riesenlettern den hoch und wohlklingenden Namen der Village trägt. Im nächsten Jahre erscheint dieser stolze Name schon auf jeder Landkarte, und in den Zeitungen ist es ein häufig gelesener Ort. - Doch noch lange nicht genug. Wir machen Wege und erhalten in unserem Ort eine "Post-Office". Wieder liest man in den Zeitungen, daß jene berühmte Village ein Postamt erhalten hat. Nun spricht schon Jedermann weit und breit von unserer Ansiedlung wie von einer Stadt. Unsere Agenten in den östlichen Städten an Mississippi machen auch gehörigen Lärm und fangen nun an, unser Land das früher rohe Prairie war, als Stadtgründe auszubieten. Die Zeitungen machen dazu gehörige Reclamen. Die in diesen Städten ankommenden grünen Einwanderer wissen daher auch nichts Besseres zu thun, als von uns Land zu kaufen. Dieses ist in "Lots" von einigen hundert Quadratklaftern abgestreckt und kostet ein solches "Lot" je nach der Situation lo-loo Doll.- Nun siedeln sich verschiedene Handwerker an, ein Schuster und Schneiderschild prangt bald auf der Strasse; Schmied, Schlosser und eine Sägemühle machen gehôrigen Lärm dazu, und sind die Farmer in der Umgegend "Dutchmans" so wird schon allgemein von der Errichtung einer "Bräuerei" gesprochen. Unser Land steigt mittlerweile immer mehr im Preise, gerade in dem Verhältniß als mehr Hausstellen verkauft worden sind. Das umliegende Farmland kostet nun 20-5o Doll. der Acre, das wir vielleicht mit 2-5 Dollar gekauft haben.- Wir gehen noch weiter. Die ganze Gegend ist nun schon so dicht besiedelt, daß eine geordnete "Regierung", "Verfassung", Gerichte" und all die


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                            staatlichen Einrichtungen als unabweisbares Bedurfniß erscheint. Wieder machen wir Wege und es kann nicht fehlen, unsere Stadt wird zum "County-Sitz" erhoben. In der Mitte derselben steht binnen kurzen das "Courthouse" der stolze Sitz der Behörden fix und fertig da. Mit der Errichtung einer Zeitung von der wir natürlich "Chefredacteure" sind, ist der Gipfelpunkt unseres Ehrgeizes. Es fehlt nur noch die "Railroad-Station" und die läßt auch nicht lange auf sich warten, denn wir waren schon im Anfang bei der Wahl des zu kaufenden Landes auf diesen wichtigen Umstand bedacht. Im Übrigen wird in America eher eine Eisenbahn als in Europa ein "Feldweg" gebaut. - Nun lässt's sich denken, welchen enormen Werth unsere Ländereien haben, wir sind gemachte Leute und sind nun sehr reich. -----

                            Dieser Plan entsprang nicht aus Cornéls Phantasie, sondern bildet im Westen der Verein. Staaten einen häufigen Fall, der meist gelingt. Alle Städte im Westen sind auf diese Weise entstanden. Es gehört freilich auch etwas Glück dazu, die Hauptsache bleibt jedoch die gute Wahl des Ansiedlungsortes und Kenntniß der eigenthümlichen Verhältnisse. Das Andere findet sich von selbst. Die größere Intelligenz bildet einen mächtigen Facktor, und außerdem werden alle Unternehmungen von den eigenen Interesse der benachbarten Farmer getragen. Dies ist die beste Bürgerschaft für das sichere Gedeihen. ------

                            Es schauderte mich freilich vor den vielen Schwindel und Humbug der in dem Plane lag, später jedoch kam ich zur Genüge zur Überzeugung, daß ohne dem nichts in America ausführbar sei. Humbug ist hier der mächtigste Regent, die höchste angebetete Majestät. ---


                            25. July 1861


                            Morgens stand Ferdinand bei F. Müller in Arbeit ein, während ich und Cornél am Nachmittag uns in die Stadt begaben, mit der Absicht mein Gepäck und auch Ferdinands von dort herauszubringen. Der Billigkeit wegen und weil des Wetter herrlich und wir Zeit genug hatten, gingen wir zu Fuß. Patricks Pferde, die wir sonst leicht hätten haben können, waren zu sehr beschäftigt.

                            Wir marschirten in fortwährenden Genplauder vertieft so langsam, und hielten so oft Absteigsquartier, daß, als es anfing zu dunkeln, wir lange die Stadt noch nicht erreicht hatten.


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                            • #15
                              Köstlich zu lesen. Landnahme, Siedlungspolitik, Bodenspekulation - und das alles ganz ehrenwert, legal und so weiter. Interessant! Im Prinzip läuft's ja heute auch noch so.

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                              Wie heißt die größte deutsche Insel?

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