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Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht (II)

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  • Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht (II)

    Fortsetzung der Befasse mit dem Werk Fischers zur Schuldfrage im ersten Weltkrieg

    These CXXIV: Die OHL verzichtete im Baltikum auf das Anstacheln nationalistischer Gefühle, weil es die deutsche Oberschicht im Baltikum nicht gefährden wollte.

    Blödsinn. Sie verzichtete deshalb darauf, weil die Balten eher den Deutschen als den Russen zuneigten und im ganzen gesehen sehr unterentwickelt und wenig zahlreich waren. Fischer und Bauern. Warum offene Türen einrennen?

  • #2
    These CXXV: Der Erfolg bei der Aufstellung einer finnischen Legion innert des deutschen Heeres blieb übersichtlich.

    stimme zu
    Da wäre sicher mehr zu erreichen gewesen, wenn man in Bärlin erkannt hätte, daß die Finnen mit den Hufen scharrten, man ihnen klarerweise einen eigenen Staat hätte zusichern müssen. Bethmann Holweg erkannte das nur im Ansatz. Die OHL erkannte nicht, daß man St. Petersburg auch von Norden hätte nehmen können - oder sie glaubte nicht an eine Umsetzbarkeit dieses Manövers..

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    • #3
      These CXXVI: Helphand machte 1914 Bethmann Holweg darauf aufmerksam, daß man in Rußland die nationale und soziale Revolution miteinander verbinden müsse. Als nationale Revolution verstand Helphand insbesondere das Anstacheln des ukrainischen Nationalismus, ein Feld, in dem er schon seit 1905 arbeitete.

      Stimme zu. Ergänzen möchte ich, daß die Idee eines nationalen Sozialismus in Deutschland schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt war. Allerdings fehlte diesen Sozialismus die rassische Komponente, die erst durch Hitler nach dem Weltkrieg hinzugefügt wurde.

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      • #4
        These CXXVII: Reichsregierung und Sozialdemokratie arbeiteten spätestens seit 1915 vertrauensvoll zusammen, um über Helphand in Rußland eine Revolution vorzubereiten.

        stimme nicht zu
        Die Sozialdemokratie hatte zwar einen Burgfrieden mit der Reichsregierung 1914 geschlossen, war aber nicht nur zerstritten, sondern auch nicht bereit, ihre Ziele mit denen des von ihnen als kapitalistisch wahrgenommenen Staates zu verschmelzen. Nicht 1915.

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        • #5
          These CXXVIII: Helphand beschrieb die innerrussische Situation in der Ukraine 1915 so, daß dort Autonomiebestrebungen (schwach und bürgerlich) mit Agrarunruhen (bäuerlich, stark und gegen die meist russischen Großgrundbesitzer) zusammenfielen, man von deutscher Seite aus also nur zweierlei verstärken müsse:
          1. die nationalen Autonomiebestrebungen des in den Städten konzentrierten ukrainischen liberal denkenden Bürgertums und
          2. die urkommunistisch affizierten ukrainischen Bauern auf dem Lande, die sich gegen die meist russischen Großgrundbesitzer wehrten.

          An dieser Grunstruktur änderte sich auch in der UdSSR wenig. Nunmehr wurden die russischen Großbauern enteignet und die ukrainischen Kleinbauern in Kolchosen vereinigt. An der Spitze saß meist ein russischer Bolschewik. In den Städten wurde eine russische Oberschicht eingesetzt, die an den Schaltstellen der Macht saß, was sich erst 1991 änderte, als die Ukrainer ihrerseits die Russen durch vermehrt Ukrainer austauschten. Nur im Osten der Ukraine war das nicht möglich, weil dort zumeist Russen angesiedelt worden waren, die dort auch eindeutig die Bevölkerungsmehrheit stellen.

          Ich stimme Helphands Bestandsaufmnahme 1915 zu und verweise erschreckt auf 2022.

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          • #6
            These CXXIX: Fischer glaubt, daß Helphands Memorandum zwei grundsätzliche Fehler besessen haben soll:
            1. der Glaube an eine revolutionäre Situation in Rußland und
            2. die Bereitschaft bei den Menschewiki zu einem schnellen Frieden.
            Ich sehe das geteilt. In Rußland bestand eine revolutionäre Situation seit spätestens 1905. Die mißglückte Revolution von 1905 hatte die Ursachen derselben nicht beseitigt. Der vom Zaren gesuchte Krieg hatte nach einer anfänglichen Begeisterung im russischen Volk nunmehr deutlich gemacht, daß Rußland keineswegs die Großmacht war, als die die russische Elite im Verbund mit dem Zarentum das eigene Land darstellte. Das Bürgertum verdiente zwar gut im Krieg, aber das Volk blutete und sah kein Ende des Leidens. Außerdem spitzten sich die ethnischen Konflikte zu, zumal die Deutschen sehr bewußt diese Karte spielten: im Baltikum gab es sowieso eine deutschfreundliche Stimmung, auch in der Ukraine, sogar in den Städten, hier aber nur bei den Bolschewiken, die sich über einen schnellen Frieden mit dem Reich ihren politischen Zielen einen Schritt näher gesehen hätten.
            Es gab also eine revolutionäre Situation in Rußland.
            Die zweite Einschätzung Helphands ist interessant. Fischer glaubt, daß sowohl deutsche als auch russische Sozialdemokraten Kriegspartei waren. Da ist etwas dran. Dieses Kriegsreüssieren teilte die Sozialdemokratie sowohl im Reich als auch in Rußland. Die Kommunisten (damals noch linke Sozialdemokraten) wollten Frieden, aber nicht um des Friedens willen, sondern weil sie glaubten, so eine kommunistische Weltrevolution anzetteln zu können, die die Besitz- und Lebensverhältnisse nachhaltig ändern würde. Der Frieden war ihnen nur ein Zwischenschritt. Etliche rechte Sozialdemokraten dagegen begriffen sich als staatstragend, gleichwohl sie sich an die repressive Politik ihrer Regierungen gegenüber der Sozialdemokratie noch erinnerten. Aber sie sagten nun ja zum Krieg, weil die Alternative ihnen schrecklicher anmutete. - Ist ein bißchen wie heute im Ukrainekonflikt.

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            • #7
              These CXXX: Die russische Menschewiki versuchte, "die deutschen Sozialdemokraten zu spalten und für den Frieden zu gewinnen". (S. 128.)

              Grundfalsch. Die Menschwewiki wollten gerade den Krieg. Das unterschied sie u.a. von den Bolschewiki, die als einzige Friedenspartei in Rußland auftraten. Grober Fehler von Fischer. Wie sehr die Menschewiki für den krieg waren, läßt sich daran erkennen, daß die Februarrevolution, die maßgeblich von der Menschewiki mit geplant udn durchgeführt worden war, nichts eiligeres zu tun hatte, als den Westmächten einen Verbleib Rußlands auf Seiten der Entente zu versichern. Bei wikipedia steht etwas von "höchst umstritten", was die Position der Menschewiki zum Krieg betrifft. Die Menschewiki war schon deshalb für die Krieg, weil sie als "orthodox-sozialistische" Parteigruppierung glaubte, daß ein Krieg die inneren Konflikte im Kapitalismus zuspitzen müßte, was dann für eine sozialistische Revolution positive Auswirkungen haben müßte.
              Die deutschen Sozialdemokraten spalteten sich. Es entstand die Spartakus-Gruppe (Rosa L. und Karl L.), die konsequent für einen schnellen Friedensschluß eintrat. Das lag aber an keinem Zutun der Menschewiki, sondern schlichtweg daran, daß Kommunisten niemals für einen imperialistischen raubkrieg zu gewinnen waren. Wenn es Krieg geben sollte, dann nur im Kontext einer kommunistischen Weltrevolution. Doch genau die wollte die Menschewiki nicht, sie wollte nur ein lokal begrenzbares sozialistisches Revolutiönchen.

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              • #8
                These CXXXI: Ein Friedensvertrag zwischen den an die Macht gekommenen Bolschewiken und dem Reich hätte dasselbe zwar gezwungen, auf Annexionen und Kriegsentschädigung zu verzichten, zugleich aber auch nationale Pufferstaaten von Finnland bis zur Ukraine ermöglicht.

                Das ist eine sehr wichtige These. Ich stimme ihr zu.
                Zur Erklärung: Wie allgemein bekannt ist, ermöglichte das Reich Lenin die Reise im plombierten Wagen durchs Reich, im Gepäck genug Geld, um eine Revolte in Rußland gegen die herrschende bürgerliche Regierung um Kerenski (bezahlt von der Entente, nicht aber den USA) anzubahnen. Das Geld für Lenin kam von amerikanischen Instituten und war ganz im Sinne der USA und des Reiches, die zwar Kriegsgegner waren, aber jeweils hofften, daß ein Ausscheiden Rußlands ihnen den Sieg im kontinentalen Krieg ermöglichen würde.
                Die These ist deshalb so interessant, weil heute gilt, daß der diesem Plan folgende Frieden von Brest-Litowsk ein "Raubfrieden" des Reiches gewesen sei, geschlossen, um Rußland Gebiete zu entreißen. Allerdings stimmt das nicht, denn die im Frieden von Brest-Litowsk avisierten Pufferstaaten waren eben genau das: eigene Nationalstaaten, die der Sicherheit des Reiches und Rußlands gleichermaßen dienen sollten.
                Im Kontext heutiger Gebietsansprüche Rußlands stellt sich nun die Frage, wie groß der Pufferstaat "Ukraine" geplant war. Nun, höchstwahrscheinlich im Osten bis etwa Kiew, im Süden bis Odessa und im Westen bis kurz vor Lwow. Die Krim und Donezk jedenfalls sollten nicht zur Ukraine gehören.

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                • #9
                  Die Leute, die den Vertrag von B-L als „Raubfrieden“ bezeichnen, sind übrigens die gleichen, die den Vertrg von Versailles als Friedensvertrag bezeichnen ☝️

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                  • #10
                    These CXXXII: Der Ausbruch der Februarrevolution 1917 gestattete es der deutschen Reichsleitung, die Früchte ihrer jahrelangen vorbereitenden Arbeit zu ernten.

                    Falsch. In dieser These Fischers zeigt sich das völlige Unverständnis historischer Zusammenhänge, seine Unfähigkeit, historische Zusammenhänge plausibel und logisch zu deuten. Das dürfte an seiner Kernthese liegen, die im Reich den Hauptschuldigen des Krieges auszumachen glaubt.
                    Die Februarrevolution hatte mit deutschen Bemühungen schlichtweg gar nichts zu tun. Sie war u.a. das Ergebnis französisch-englischer Bemühungen. Der Zar hatte seit 1914 kein gutes Gefühl bei diesem Krieg, denn er wollte nicht gegen seinen Vetter fechten. Er wollte schon 1916 Frieden machen, zumindest war er kriegsmüde geworden. Das war eine große Gefahr für Briten und Franzosen, die befürchten mußten, daß im Falle eines Friedensschlusses die deutschen Ostheere nach Westen geworfen würden und vor dem Eintreffen der Amerikaner die Entscheidung zugunsten des Reiches würden erzwingen können. Das mußte verhindert werden. Also wurde eine bürgerliche Revolution im zerrißnen Rußland initiiert, die einerseits die Kriegstüchtigkeit Rußlands gewährleisten und andererseits die Bolschewiken politisch kaltstellen sollten, indem westliche Modernisierungen Rußland neue Perspektiven geben könnten. Deshalb wurde Kerenski, ein Politiker aus dem Sozialrevolutionäre-Lager, mit reichlich Geld ausgestattet. Er hatte den Plan, nach einem Sieg über das Reich in Rußland westliche Strukturen zu implementieren. NACH einem Sieg. Das ist entscheidend. Dem Reich war mit der Februarrevolution überhaupt nichts gelungen, im Gegenteil. Die desolate Moral der russischen Soldaten war durch die Februarrevolution verbessert worden, denn den Soldaten standen eben diese sozialen Verbesserungen vor Augen. Das war der Plan. Das Reich hätte nur dann einen Vorteil erringen können, wenn Rußland Frieden machen würde. Mit Kerenski war das nicht möglich.

                    P.S. Die Februarrevolution paßte übrigens auch etlichen Politikern in den USA nicht, denn die waren nun nicht mehr (sehr) erforderlich, um das Reich zu besiegen. Aber dazu später.

                    These CXXXIII: Der Frieden von Brest-Litowsk erfüllte die deutschen Kriegsziele im Osten.

                    Korrekt.
                    Hätte er heute noch Gültigkeit, gäbe es keinen Ukraine-Krieg 2024.

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