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Ist unser Wille frei (II)

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  • Ist unser Wille frei (II)

    Fortsetzungsordner aus dem alten Forum - zum alten Ordner hier

    Las heute einen Text zum Fortschrittsglauben, den ein in die Schweiz ausgewanderter pommerscher Philosoph um 1950 schrieb: Hans Gebser.

    zitiert bei Gebser (Urspung und Gegenwart, S. 67/68.):
    Mit jeder enuen Bewußtseinsmutation entfaltet sich das BEWUßTSEIN stärker, während der Entwicklungsbegriff den Mutationscharakter ausschließt, da dieser im GEGENSATZ zur Kontinuierlichkeit der Entwicklung diskontinuierlich ist. Entfaltung ist in diesem Sinne eine Anreicherung, da sie jeweils mit einem Dimensionsgewinn verbunden ist; sie ist aber gleichzeitig auch eine Verarmung, da die Distanz zum Ursprung sich vergrößert.
    - Wir haben allen GRUND, sowohl den Fortschritt zu beargwöhnen, der uns die Fehlentwicklung der Technik brachte, also auch die Lehre von der Höherentwicklung und den VOLUNTARISMUS, der, von Duns Scotus ausgehend, jedenfalls aber seit VICO, die Sinngebungskraft aus einer mutmaßlich hinter allem SEIN liegenden Ursprünglichkeit in die Ratio und den Willen des Menschen verlegte, und den dann SPENGLER und selbst ein CROCE, als hoffentlich letzte Vertreter dieses hybriden Voluntarismus, entgültig vertreten haben.​
    Dieser Pessimismus in bezug auf den Fortschrittsglauben ist angebracht, vor allem dann, wenn man die Erfahrungen von zwei Weltkriegen in den Knochen hat. Für Gebser ist der freie Wille etwas Negatives, v.a. dann, wenn er sich anmaßt, Fortschritt erzeugen zu können. Vielleicht ist es nur die Anmaßung (Hybris) des Menschen, vielleicht sieht er es zu pessimistisch, denn wenn wir Menschen aufhören, etwas zu wollen, was/wer sind wir dann noch?

  • #2
    Fortschritt ist nach meinem Verständnis nichts, das man "erzeugt"...sondern etwas, das sich aus der Sehnsucht, der Fürsorge und ganz allgemein aus der Bewältigung des Alltages heraus zwangsläufig entwickelt. Würde Fleisch an Bäumen wachsen, hätten wir die Leiter früher erfunden...als den Speer.

    a.d.

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    • #3
      Was Herr Gebser da schreibt, ist - mit Verlaub - Philosophengeschwätz, willkürlich, beliebig, schwammig, Subjektives zu Faktischem stilisierend. Was eine Bewusstseinsmutation sein soll, bleibt er ebenso schuldig wie eine schlüssige Begründung dafür, dass sich Entwicklung und Entfaltung ganz oder teilweise ausschließen. Wie sich Bewusstsein entfaltet, ist mir ebenso schleierhaft, wie die behauptete Ausschließlichkeit von Entwicklung und Mutation. Natürlich hat sich Bewusstsein allmählich über Jahrmillionen 'entwickelt', ist also gewachsen, Stück um Stück. Wie kontinuierlich, das weiß heute wohl niemand. Dass aber eine kontinuierliche Entwicklung hin und wieder zu einem Sprung führen kann, ist vielfache Erfahrung. Einfachste Beispiele aus dem Alltag führen das vor Augen: ein Faß, das nur tropfenweise gefüllt wird, geht plötzlich über, ein Schneebrett, das über Wochen oder Monate 'gefüttert' wird, bricht plötzlich ab und löst eine Lawine aus usw.

      Mit dem Bewusstsein sollte man überhaupt vorsichtig hantieren. Wir wissen weder, wie es entsteht, wann und weshalb, wie es funktioniert, über nichts wissen wir weniger als über die Mechanik und Dynamik unseres Wissens.

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      • #4
        Ja das sind so „Experten“, die durch besonders hochtrabendes Fachchinesisch hochkompetent wirken wollen, aber meist selber nicht verstanden haben, was sie eigentlich labern. Wie heißt es so schön? „Jeder Idiot kann eine Sache kompliziert machen“. Echte Experten sind solche, die komplexe Dinge so einfach erklären können, dass sie selbst Kinder verstehen können. Die findet man aber recht selten unter Akademikern ?

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        • #5
          Zitat Wirbel

          Echte Experten sind solche, die komplexe Dinge so einfach erklären können, dass sie selbst Kinder verstehen können. Die findet man aber recht selten unter Akademikern ?

          Kopiert aus dem Wolkenstein Forum:https://forum.vonwolkenstein.de/foru...-wille-frei-ii

          Zitat Ende

          Die findest Du vor allem bei den Machern der Sesamstraße

          a.d.​

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          • #6
            Der freie Wille kann nur von Menschen ins Leben wirken, die gebildet sind, was heißt, die in der Lage, eine strittige Sache nicht nur aus einer Richtung zu betrachten, sondern idealerweise ganzheitlich. Für gebildete Menschen ist ein Wort wie "alternativlos" ein Armutszeugnis, ein auf begrenztes und auf Funktion orientiertes "Wissen" Entscheiden, was das eben nicht, denn es gibt keine Scheidung zwischen wenigstens zwei Möglichkeiten, sondern nur die Noth des Zwangs, eben das sog. "Alternativlose". Entsprechend wird jede Maßnahme als Willen deklariert, obgleich es eben nur der funktionable Willen war, der mit dem Diktat das aussprach, worauf er zielte. Und weil das Ziel eben den Willen bestimmte, darüberhinaus aber dem Willen nur ein eingeschränktes Blickfeld zur Vefügung stand oder zur Verfügung stehen sollte, kann hier nicht von einer Entscheidung des freien Willens gesprochen werden, sondern nur von einem Diktat des Zwanges.

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            • #7
              Da ist es wieder, das Bewußte und das Unbewußte. Der Neurotiker schwelgt in der Vergangenheit und will nicht davon ablassen, daß sein "schuldhaftes" Verhalten doch nur durch Kindheitsmuster veranlagt sei. Er erklärt alles mit eben dieser traumatischen Kindheit. Wie ungalant! Wir leben in einer solch neurotischen Zeit: Die offizielle BRD-Politik pflegt das Neurotische. Noch heutige Generationen sollen für die Schuld ihrer Väter aufkommen, klarerweise, weil sie die Schuld in sich tragen und deshalb sühnen müssen. Freien Willen gibt es nicht, alles ist für diese Schuldkultler eine Folge schuldhaften Verhaltens und kann nur durch den von ihnen nicht als Neurose wahrgenommenen schuldverquasten Blick auf die Schuld der Vergangenheit durch supergutes Verhalten gesühnt werden. Niemals gesühnt werden. Die Schuld bleibt.

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              • #8
                Die Schuld als Nachlass ist ein Erbe, das man von sich weisen...aber nicht ausschlagen kann. Die Schuld vererbt sich immer, der Ruhm hingegen nie.

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                • #9
                  Oh doch, Ruhm vererbt sich, allerdings als Hypothek an die Nachgeborenen. Da können die Kinder Goethes, Schilles oder Manns ein Lied singen. Sie sind alle daran zerbrochen, daß sie berühmte Eltern haben, die Söhne wohlgemerkt. Töchter gehen da anders mit um.

                  Ich lese zur Zeit eine gute Arbeit über Schiller. Der Autor, Rüdiger Safranski, dröselt mit einer angenehm ehrfurchtsvollen, zugleich aber auch sachlich-humoristischen Attitüde das Leben des Dichters und Philosophen auf. Mir gefällt das sehr gut. Zur Zeit befaßt er sich mit Schillers Dissertation, den Einflüssen Fergusons und Shatesbury und natürlich seines Lehrers Abel, der ihm nicht nur diese Philosophen, sondern auch die seinerzeit zeitgemäßen Literaten nahebrachte. Die Dissertation berührt einen Bereich, den ich als Willensfreiheitsproblem bezeichnen möchte. Das Problem ist bekanntlich bis heute nicht gelöst, was wohl daran liegt, daß sich hier zwei Bereiche begegnen, die den Kern des Menschseins ausmachen: seine biochemische und seine geistige Substanz. Willensfreiheit liegt im Bereich der Entscheidungen, also sucht man den Quellpunkt im Hirn, das als Nervenzentrum fungiert. Der springende Punkt ist folgendermaßen zu beschreiben:

                  Wie kann aus meßbaren materiellen Vorgängen (eben die Biochemie) Bewußtsein entstehen?

                  Das kann man bis heute nicht beantworten. Die einen sagen: "Alles ist Biochemie!" Aber sie können eben nicht erklären, wie aus Chemie ein Beußtsein entsteht.

                  Die anderen können nur behaupten, aber sie können nicht beweisen, daß der Wille mehr ist als die Folge von Ursachen, also mehr ist als Determinismus.

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                  • #10
                    Der Wille formt das Ziel, die Entscheidung den Weg. Wir "wollen" beide ein finanziell sorgenfreies Leben führen - ich entscheide mich dafür Lotto zu spielen, Du entscheidest dich dafür hart zu arbeiten...um ans Ziel zu kommen. In unserem Willen sind wir immer frei...in unserer Entscheidung nur selten...sie ist ein Mix aus Prägung, Erfahrung und Erwartung.

                    Du willst das Fußballspiel gewinnen und entscheidest dich dafür den Ball auf den linken statt auf den rechten Flügel zu spielen. Der Spieler auf dem linken Flügel will wie Du das Spiel gewinnen...trifft aber ebenfalls eine Entscheidung...ins Dribbling zu gehen...statt seine Schnelligkeit auszuspielen. Es gibt neben der Entscheidung, die ich für mich treffe...auch immer eine Entscheidung....die andere für sich selbst und für mich treffen. Hätten wir keinen Willen...würden wir auch nichts entscheiden. Der Entscheidung geht immer ein Wille voraus...während der Wille auch ohne Entscheidung Bestand haben kann.

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                    • #11
                      Die Behauptung, der Wille sei frei, ist weder philosophisch noch naturwissenschaftlich beweisbar. Das kann man postulieren, weil es ja der subjektiven Erfahrung entspricht, doch objektiv ist diese Frage nicht zu entscheiden. Wenn wir davon ausgehen, dass das menschliche - auch alles tierische inclusive - Bewusstsein ein physiologisches Phänomen ist, kann man nicht von Freiheit reden. Die Unterscheidung in Willensfreiheit und Wahlfreiheit, die du triffst, ist eher scholastisch. Letztlich ist alles eine Frage der Wahl, die ich treffe. Auch die übergeordneten Ziele. Du entscheidest dich für Familie, ich nicht, du entscheidest dich für ein Eigenheim, ich nicht .....

                      Eine Freiheit des Willens ist nur denkbar, wenn man einen von der physiologischen Bedingtheit unabhängigen Geist voraussetzt. Was immer das sei. Aber selbst dann wird es schwierig, die Freiheit des Geistes zu formulieren. Was ist denn diese Freiheit überhaupt? Auch ein Geist muß seine Entscheidungen nach irgendwas auch immer treffen.

                      Am besten hat es da wohl noch Schopenhauer getroffen: Ich kann zwar tun, was ich will aber nicht wollen, was ich will.

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                      • #12
                        Da man nicht weiß wie Bewusstsein entsteht...halten es einige Wissenschaftler für möglich, dass auch eine Künstliche Intelligenz Bewusstsein entwickeln könnte. Man kann das Stand heute zumindest nicht ausschließen. Ein gruseliger Gedanke...wie ich meine.

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                        • #13
                          Bewusstein ist in der Tat eines der großen, scheinbar unlösbaren Rätsel. Es ist fraglich, ob das Bewusstsein sich selbst begreifen, verstehen, erklären kann. Ebenso ist fraglich, ob eine KI oder andere künstlich erzeugte Maschine Bewusstsein erlangen kann. Ich glaube das nicht, aber ich habe mich schon öfter geirrt. Letztlich wird es auch schwer bis kaum beweisbar sein, ob eine Maschine ein (Selbst)Bewusstsein hat oder nicht. Denn ich kann auch nicht beweisen, dass es noch andere Wesen gibt, die ein Bewusstsein haben wie ich. Auch wenn das sehr, sehr wahrscheinlich ist. Es ist das alte Problem des Solipsismus. Ich halte diesen für falsch, er ist aber nicht zu widerlegen.

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                          • #14
                            Naja, selbst WENN KI irgendwann ein eigenes Bewußtsein entwickeln würde, so halte ich es noch für fraglich, ob das zwingend von Nachteil wäre. Grundsätzlich müßte eine KI ziemlich dumm sein, wenn sie den Menschen als Feind ausmachen und deshalb vernichten sollte, wie das im Terminator-Universum war. Andererseits glaube ich, dass eine KI die wesentlich bessere „Politik“ machen würde als die, die es heuer tun. Ob ich das Ergebnis dieser Theorie noch erleben werde? Vielleicht. Vermutlich. Wahrscheinlich, aber ich werde dann in einem Alter sein, wo es mir im Grunde egal ist.

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                            • #15
                              Mal angenommen so eine "Super-KI" wäre darauf programmiert das Klima zu retten - koste es...was es wolle. Eine solche KI würde doch den Menschen als Klima-Feind Nr.1 identifizieren...und versuchen ihn auszulöschen. Mal angenommen wir alle hätten bis ins Detail die gleiche Vergangenheit gehabt...identische Erfahrungen gemacht...dann würde trotz gleicher Prägung jeder von uns ein ganz eigenes Bewusstsein entwickeln. Es sind also viele Faktoren mehr...die unser Bewusstsein formen - manche kennen...manche erahnen wir....aber es gibt vermutlich auch viele Faktoren...die uns verborgen bleiben. Ich meine eine KI müsste zB auch Schmerz, Freude, Liebe empfinden können...um ein Bewusstsein zu entwickeln. Da dreht man sich aber im Kreis, denn ohne Bewusstsein kann die KI auch nichts empfinden.

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