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Weimarer Klassik (II)

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  • #16
    Die Entdeckung des Unbewußten wird gemeiniglich den Romantikern zugeschrieben. Diese Entdeckung bildet einen Teil ihres Ruhms, ihres Reizes und ihrer obwaltenden Bedeutung für die Nachgekommenen. Allerdings gibt es einen Brief Goethes an Schiller, in dem dieser schreibt:

    Ich glaube, daß alles, was das Genie als Genie tut, unbewußt geschieht.

    Tja. Damit läßt sich das mit dem Alleinstellungsmerkmal der Romantiker in puncto "Unbewußtes" wohl nicht länger behaupten.

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    • #17
      Schöne Seite gefunden. Lotte, Brot schneidend. Einer der rührendsten Momente aus dem "Werther". Werther begegnet Lotte das erste Mal.

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Name: lotte_brot schneidend.jpg
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      • #18
        typisches Klassikerdilemma: "Wie ist es denkbar, daß alles ewig ist und immer erst wird?" (Georg Maurer)

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        • #19
          Zitat von Gast Beitrag anzeigen
          typisches Klassikerdilemma: "Wie ist es denkbar, daß alles ewig ist und immer erst wird?" (Georg Maurer)
          Gibt es auch als Physiker-Dilemma. Als Blockun​iversum.

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          • #20
            Merkwürdige Parallelen: In Halle nutzten Gefängniswärter den Kantschu (eine eher kurzgriffige Riemenpeitsche) im 18. Jahrhundert zum "Willkommen und Abschied". Ein neuer Häftling wurde damit begrüßt. Das nannte man "Willkommen". Wurde er entlassen, gab es den "Abschied", also eine letzte Prügelorgie mit dem Kantschu.
            Da das Wort im polnisch-russisch-deutschen Grenzgebiet zu Hause ist, sollte es mich nicht wundern, wenn unser aller Kant seinen Familiennamen darauf zurückführen darf. Zwar geistert da eine Herkunft Kants aus dem Schottischen nach, auch auf ein cant zu beziehen, das wenig schmeichelhafte "thieves' cant" (Diebesgeschwätz), aber das will ich nicht so recht glauben, denn Schotten zog es nun mal nicht nach Ostpreußen. Und unser aller Goethe durfte wohl bei seinem Aufenthalt in Leipzig und Halle 1765 Kenntnis von dieser hallischen Sitte bekommen haben, denn auch zahlreiche Studenten durften sie kennenlernen. Damit bekömmt die Interpretation von "Willkommen und Abschied" doch gleich mal ein neues Geschmäckle.

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            • #21
              Ich habe mich oft gefragt, warum Leute wie Sudermann, Holz, Kotzebue, Wedekind, Brahm oder Grillparzer, die zu ihrer Zeit berühmt, vielgelesen und -gespielt waren, heute nicht die Aufmerksamkeit genießen wie Schiller, Goethe, Lessing, Lenz oder Büchner. Die Antwort ist überraschend: weil die Erstgenannten Kinder ihrer Zeit waren, die Letztgenannten aber ewig Problematisches im Gewand des Zeitlosen aufbereiteten. Das bedeutet u.a., daß die Erstgenannten mitunter psychologische Zustände und ontogenetische Stadien in Figuren legten, die diesen Zustand schlichtweg nicht besaßen. Zudem, benutzten sie eine Sprache, die wenig geeignet war, Authentizität herzustellen, sondern interpolierte.
              Sudermann, dessen Einakter "Teja" ich bis eben las, ist ein gutes Beispiel. Das Drama erlebte zu Lebzeiten Sudermanns mehrere Auflagen (heute undenkbar, daß ein Lesedrama mehrere Auflagen erfordert), liest sich gut, ist spannend, aber fürchterlich hinsichtlich grundlegender psychologischer Tatbestände. Da werden den Figuren Worte wie "Bresche" in den Mund gelegt, da begreifen sich die Figuren perspektivisch, stehen in Ram und Zeit und bilden ein Nicht-Ich neben ihrem Ich. Die Geschichte wird so zur Staffage, zum Rahmen, wird benutzt, um Aufmerksamkeit zu heischen. Das gelang, bedeutet aber auch, daß die Texte heute kaum mehr spielbar sind.
              Anders dagegen die Klassiker. Sie legen ihren Figuren keine zeitgemäßen Inhalte in den Mund, sondern ergreifen sie aus ihrer Zeit heraus. Das ist etwas ganz anderes.Das beläßt dem Leser die Möglichkeit, seine Zeit in die Konflikte der Figuren zu legen. Das Ewige trifft das Moderne.

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              • #22
                Diese Fixierung der Systemparteien auf das Grundgesetz ist übel. Verfassungen sind politsiche Momentaufnahmen. Sie dienen dem Wohl des Volkes. Das Volk muß durch eine Verfassung nicht erzogen werden. Ändern sich die Verhältnisse und erweist sich eine Verfassung als schlecht fürs Volk, jedenfalls den größten Teil, muß die Verfassung geändert werden.

                Daß Goethe diesen Gedanken ausgerechnet Alba in seinem Frühwerk "Egmont" aussprechen läßt, ist sehr merkwürdig. Alba war ein Schlächter, dem Volkes Meinung offensichtlich wenig galt, wohl aber die Auffassung seiner Majestät. Andererseits war Goethe in politischer Hinsicht ein aufgeklärter Absolutist, stellte also den Herrscher unter das Diktat der Aufklärung, des Verstandes.​

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                • #23
                  Hölderlin besaß einen thüringischen Großvater. Wie Goethe. Beide zog es nach Thüringen. Der eien blieb und wurde glücklich, der andere floh und landete im Turm.
                  Ich fühlte mich vier Jahre sehr glücklich in Thüringen, dann griffen die tieferliegenden bösartigen Grundinstinkte, die viele Mensschen in diesem Land besitzen: Heimtücke, Eigennutz und Paranoia. Goethe paßte in dieses Land, Schiller überspielte, Hölderlin konnte nicht überspielen, er nahm alles in allem - und mußte fliehen.
                  Auch das gehört zur Wirklichkeit der Weimarer Klassik.

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                  • #24
                    Die vier wichtigsten Leute unserer Klassik wohnten in Weimar eng beinander und schauten aus den Fenstern ihres Arbeitszimmers doch in verschiedene Richtungen:
                    • Schiller schaute nach Süden;
                    • Goethe schaute nach Norden;
                    • Herder schaute nach Westen und
                    • Wieland schaute nach Osten.

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                    • #25
                      Ich habe eben Wieland erwähnt. Der Mann kömmt bei der Bewertung der Klassiker meist ein wenig schlechter weg als die anderen. Das ist wahrscheinlich auch richtig so, aber nichtsdestotrotz muß der Mann gewürdigt werden, zumal sein politischer Grundansatz gerade heute große Bedeutung besitzen sollte. Mein einstiger Freund und Weggefährte Nowitzki gibt seine Werke heraus. Darin finde ich zum Beispiel eine Anmerkung über die Funktion des Staates:

                      Der Staat hat dem Einzelnen Schutz zu gewähren. Dieser Schutz gilt sowohl in Hinsicht auf die Unversehrtheit des Körpers als auch des Eigentums des Einzelnen. Vor das Haus (Wieland begreift hier immer den Bürger und nicht alle Menschen im Staate) des Staatsbürgers darf der Staat keine Mauer stellen, die das Haus ins Dunkle bringt und er darf auch keinen Wachtposten vors Haus stellen, um irgendwelche Kontrollmaßnahmen durchzuführen. - Man muß dazu wissen, daß es seinerzeit üblich war, daß Eintreffende in Weimar dem Hofe gemeldet werden mußten. Gelegentlich wurde der eine oder andere auch des Städtchens verwiesen oder gar nicht erst eingelassen.

                      Übertrage ich Wielands Worte auf die heutige Zeit, dann bedeutet das nichts weniger, als daß der Staat sich aus allem heraushalten solle, was über den Schutz von Leben und Eigentum seiner Staatsbürger hinausreicht. Es gibt in Wielands Idealvorstellung KEINEN Staatsschutz, keinen Eingriff des Staates in irgendeinen Bereich: Medizin, Bildung, Wirtschaft, Juristerei, Politik... Wahrlich, d.i. ein Utopia.

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                      • #26
                        Zitat von aerolith Beitrag anzeigen
                        Die vier wichtigsten Leute unserer Klassik wohnten in Weimar eng beinander und schauten aus den Fenstern ihres Arbeitszimmers doch in verschiedene Richtungen:
                        • Schiller schaute nach Süden;
                        • Goethe schaute nach Norden;
                        • Herder schaute nach Westen und
                        • Wieland schaute nach Osten.
                        Klingt nach militärischer Strategie. Späherhorst 😁

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