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Deutsch-Südwest - deutsche Kolonien

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  • Deutsch-Südwest - deutsche Kolonien

    Fortsetzung des Ordners aus dem alten Forum

    Das Thema köchelt immer mal wieder hoch. Klar, die Hottentotten/Herero glauben, sie könnten sich hier leicht ein paar Euro verdienen. Sie wären dumm, wenn sie es nicht versuchen würden. In diesem Ordner geht es allerdings nicht so sehr um den bundesdeutschen Schuldkult, sondern vielmehr um historische Tatsachen.
    Jürgen Leskien schrieb ein Buch namens "Orlog" (Krieg), in dem er sich mit der Landnahme in Südwest befaßt und einen fiktiven Gerichtsprozeß ablaufen läßt, der zugleich Lösungsmodell für Südwest sein könnte. Die jw interviewte ihn, was ich zum Anlaß nehme, hier ein paar Anmerkungen zum Thema zu machen.
    In Südwest arbeitete seit den 1960er Jahren (da war Südwest durch das seinerzeit apartheidaffine Südafrika beansprucht und weitgehend verwaltet worden) eine von der DDR unterstützte Bewegung an der Unabhängigkeit, die SWAPO. An deren Programm arbeiteten zahlreiche Marxisten mit; es ging hauptsächlich um den Aufbau eines Staates nach dem Sieg, also um die Verteilung der Bodenschätze und die Struktur des Staates, auch die Besitz- und Produktionsverhältnisse, die für den Marxismus elementar sind. Die SWAPO bediente sich der schuldkompensierenden Deutschen aus der DDR, die etwas Gutes zu tun glaubten, wenn sie die SWAPO in ihrem Kampf um die Macht unterstützten.
    Die Wünsche der Hottentotten (Namas) waren einfach: sie wollten ein festes Dach über dem Kopf und freien Zugang zu sauberem Wasser. Klingt nach wenig, ist in Südwest aber viel, denn das Land ist weitgehend eine Wüste und für die Landwirtschaft kaum geeignet, bestenfalls Viehzucht in einigen Gegenden..Ein dritter Wunsch soll nach Leskien "Arbeit" geheißen haben, wobei nicht klar wird, welche Arbeit gemeint ist und wie die Besitzverhältnisse aussehen sollten, die Arbeit erst zu einem sinnvollen Begriff machen. Etwas wird dann doch klarer: Die Grundstücke der Weißen sollen enteignet und neu verteilt werden.
    Als Südwest seine Unabhängigkeit von Südafrika feierte und fortan Namibia hieß, gab es auch Hoffnung für die Unterprivilegierten, daß sich für sie etwas bessern würde. Das tat es aber nicht. Im Gegenteil: Zwar haben einige Namas/Hereros nun Land erhalten und lassen es bewirtschaften, aber die meisten Schwarzen leben immer noch oder sogar schlechter als vor 1990. So sollen nur 25% des Landes von Schwarzen bewirtschaftet werden. Allerdings erwirtschaften diese Farmen sehr viel weniger als vergleichbare weiße Farmen, die es immer noch gibt, die bei allem Gewinn Steuern zahlen, die an die schwarze Oberschicht verteilt werden, die so partizipieren und kein Interesse daran haben, an diesem Geschäftsmodell etwas zu ändern. Die Namas ohne Einfluß verlangen nun eine Enteignung, allerdings nur der weißen Landbesitzer. Die schwarze Oberschicht will das aber nicht, weil sie genau weiß, daß das ihre Einkünfte mindern würde. Die Weißen sitzen dennoch im Spannungsfeld zwischen den verfeindeten Namas und anderen Stämmen. Es ist wie zur Zeit des Krieges von 1905, nur daß diesmal keine deutschen Kolonialtruppen vor Ort sind, um die Sicherheit der weißen Siedler zu gewährleisten, sondern Söldner gekauft werden, die die schwarze und weiße Oberschicht schützen sollen.
    Die Herero haben derweil einen Mentalitätswechsel vollziehen: Bis Anfang 1900 waren sie ein nomadisches Volk ohne festen Landbesitz, ohne Staatlichkeit und ohne all das, was man Kultur nennt. Nun sind sie seit etwa 150 Jahren in Südwest beheimatet und seßhaft geworden, ziehen nicht mehr umher, zumal diese Zeiten wohl weitgehend vorbei sind. Also müssen sie versorgt werden. Da das Land nicht fruchtbar ist, müßten sie bäuerlich hart arbeiten. Dazu sind sie eher weniger bereit. Aber so etwas kann man ja lernen. Die Juden kannten bis vor 100 Jahren auch kaum landwirtschaftliche Tätigkeiten, nun sind sie beinahe Selbstversorger bei sehr viel weniger Land und einer viel größeren Bevölkerungszahl. Und genau da sollte man ansetzen: Man muß die Leute ausbilden und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten geben, aber nicht glauben, die Probleme würden sich lösen, indem man wie in Simbabwe den Weißen schlichtweg das Land wegnimmt. Wenn Deutschland hier in Südwest etwas Gutes tun will, dann sollten wir dort eine funktionierende Infrastruktur aufbauen, eine gerechte Steuergesetzgebung einrichten und das Land beim Handel bevorzugt behandeln. Dann wird das schon.

    pathetisch-einseitiger Bericht der Aufstände-Geschichte Südwests, mit sehr knapper Ursachenbeschreibung: hier

  • #2

    Ich lese hier immer Raubkunst. Jeder Händler wäre demnach ein Räuber. Sagte schon Marx. Der hatte das mit dem Mehrwert nicht wirklich begriffen, aber er hatte einen Standpunkt. Raub bedeutet gewaltsamer Diebstahl, also Diebstahl unter Androhung oder Anwendung von Gewalt. Davon kann bei deutschen Kunstsammlern aus dem 19. Jahrhundert wohl kaum die Rede sein. Und wer sich heute hinstellt und behauptet, er wisse, was damals in Afrika oder sonstwo auf der Welt an brutalen Methoden durch deutsche Kolonisatoren begangen worden sei, der lügt schlichtweg. Im Unterschied zu amerikanischen, britischen, spanischen, russischen oder französischen Kolonisatoren hatten unsere Ahnen einen völlig anderen Ansatz, der nicht auf Ermordung oder Einverleibung der Einheimischen zielte, sondern auf Ansiedlung deutscher Siedler, Ausbau der Infrastruktur und Vorbereitung zur wirtschaftlichen Expansion. Aber zu dieser kam es nicht mehr, weil wir den Weltkrieg verloren und uns zurückziehen mußten - sehr zum Leidwesen der damaligen Kolonien. Die deutschen Kolonien waren keine Reichsterritorien, sondern bestenfalls Schutzgebiete, dies aber freiwillig, also auf Anfrage im Reich. Nicht immer wurde dieser Schutz gewährt. Bismarck beispielsweise war ein strikter Gegner der Erwerbung von Kolonien und bezeichnete sie als Schwindel, womit er die von Imperialisten geprisenen wirtschaftlichen Vorteile meinte. Sein Umdenken 1884 war taktischer Natur und führte keineswegs zu einer aggressiven Expansionspolitik. Die Verträge mit den Einheimischen waren privatrechtlich, egal ob sie Lüderitz oder Koch oder Schmidt hießen. Leute wie Schweitzer sind typisch für die deutsche Kolonialpolitik. Wer baut schon Krankenstationen im Urwald? Vor Schweitzer keiner. So was wäre Amerikanern im Wilden Westen oder Russen in Sibirien, Engländern in Indien oder Franzosen in Nordafrika nie eingefallen.

    Das vielen im Hirn wabernde Auftreten General von Trothas in Südwest war eine Reaktion, keine Handlung aus einem Muster. Auf Nachfrage erkläre ich das gern näher.

    Kurz gefaßt: Es gibt keine deutsche Raubkunst im Kontext der Kolonialpolitik.




    P.S. Die zurückgegeben Benin-Büsten sind aus dem Museum in Nigeria verschwunden. Sie wurden an Privatinteressierte verkauft. Das Geld dafür hat wohl irgendwer. Toll gelaufen! Aber vorhersehbar, denn in Afrika gibt es kein Bewußtsein für Geschichte, das auch nur den Aufbau einer musealen Struktur in irgendweinem Land bewirken könnte. Klarerweise verschwinden dann zurückgegebene "Raubkunstwerke".

    Danke, Baerbock und Roth.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: beninbuesten.png Ansichten: 8 Größe: 876,9 KB ID: 1847

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    • #3
      Ja das bestätigen auch meine Recherchen dazu, dass die deutschen Kolonialisten deutlich beliebter waren als die Konkurrenz aus Spanien, Frankreich, England, Holland & Co.

      in einem muß ich Dir allerdings widersprechen: die deutschen Kolonien galten sehr wohl offiziell als Reichsgebiet. So konnten die dortigen Ureinwohner sogar die Reichsangehörigkeit beantragen. Grundsätzlich gab es drei Formen der Reichsangehörigkeit: die durch Abstammung (also Nationalität durch deutsche Vorfahren), die durch Beheimatung im Reich und die durch die Zugehörigkeit zu einer deutschen Kolonie (im Original hieß das glaub ich mittelbare und unmittelbare Reichszugehörigkeit). Mal im RuStAG von 1912 nachschlagen.

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      • #4
        Zitat von WirbelFCM Beitrag anzeigen

        in einem muß ich Dir allerdings widersprechen: die deutschen Kolonien galten sehr wohl offiziell als Reichsgebiet.
        Deswegen war auch der Kilimandscharo von 1885 bis 1918 der höchste Berg Deutschlands.


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        • #5
          1912 änderte sich vieles in der deutschen Kolonialpolitik. Ich glaube, ab diesem Zeitpunkt begann man, auch an den wirtschaftlichen (zukünftigen) Nutzen der mittenmang erworbenen Schutzgebiete zu denken. Vorher nur sehr zaghaft udn unsystematisch.

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          • #6
            Ich habe das rustag von 1913 gelesen. In Betracht kommen zwei §§: 2 und 8:

            § 2
            [1] Elsaß-Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
            [2] Die Schutzgebiete gelten im Sinne dieses Gesetzes als Inland.
            [3] Deutschösterreich gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.


            § 8
            [1] Ein Ausländer, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaat, in dessen Gebiete der Niederlassung erfolgt ist, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er
            1. nach den Gesetzen seiner bisherigen Heimat unbeschränkt geschäftsfähig ist oder nach den deutschen Gesetzen unbeschränkt geschäftsfähig sein würde oder der Antrag in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gestellt wird,
            2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat,
            3. an dem Orte seiner Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und
            4. an diesem Orte sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.


            Sehr interessant. Demnach sind alle in Deutsch-Österreich Lebenden Deutsche im Sine des Gesetzes. Anders gesagt: Der Krieg gegen Serbien 1914 war kein Bündnisfall, sondern eine Sache Deutschlands (unter Einschluß Östreichs) gegen Serbien. Das bringt neue Perspektiven.
            Andererseits wird hier auch zwischen Bundesstaat (das Reich war eine Konföderation mehrerer souveräner Staaten und kein Nationalstaat) und Inland unterschieden. Für die im "Inland" Afrikas lebenden Nichtdeutschen bedeutet das, daß sie das Recht besaßen, nach einem Zeitraum X (acht Jahre) einen Antrag auf die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft zu stellen. Das wurde nicht erreicht, weil der Krieg dazwischenkam. Interessant ist auch, daß im Gesetzestext das Wort "Kolonie" vermieden wird. Wie ich bereits sagte: Wir hatten gar keine Kolonien, sondern nur Schutzgebiete. Anders gesagt: jede Überführung von irgendeinem Stück "Kunst" erfolgte privatrechtlich und inhämisch. Der "Schutz" des Reiches bezog sich auf die Schutzpflicht des Reiches gegenüber seinen Staatsbürgern, nicht auf irgendwas anderes. Es war rechtlich gesehen kein Unterschied, ob das Reich diesen Schutz in Magdeburg, Wien oder Windhuk ausübte. Alles war Bundesstaat oder Inland.
            Ein Aufbau staatlicher Strukturen in den Schuitzgebieten war erst im Entstehen. In Deutsch-Österreich gab es wohl eigene Strukturen. 😁

            Andererseits besaß KEINER der Afrikaner überhaupt irgendeine Staatsbürgerschaft, weil es in Afrika zu dieser Zeit keine eigenständigen Staaten gab, geschweige überhaupt eine Vorstellung über die Bedeutung und Funktion einer Nationalstaatlichkeit gab. Diese Glücklichen! ich bin selber Anarchist genug, um jedwede Staatsbürgerschaft als einen Anfang von vielen Übeln zu betrachten. Bestenfalls akzeptiere ich Indigenat.

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            • #7
              Dann ändere doch im thementitel mal in deutsche kolonien in deutsche schutzgebiete 😎

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              • #8
                Könnte ich, vielleicht mache ich das auch, also eine Umbenennung. Landläufig ist aber "Kolonie" üblich, daher bleibe ich aus pragmatischen Gründen vorerst dabei.

                Stichwort "Benin-Büsten", weil die so einen guten Anlaß schaffen, über die chose mal zu radebrechen:
                1. Kauf mehrerer Bronzen/Büsten im internationalen Handel (meist von britischen Anbietern) durch deutsche Privatleute und Museen um 1900, die die Büsten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten.
                2. 2022 Übereignung der mehrere hundert Millionen € wertvollen Büsten an den Staat Nigeria mit der Auflage, es dem nigerianischen Volk zugute kommen zu lassen. Große Feier 2022.
                3. Nigeria hielt sich nicht an diese Abmachung und verschenkte die Büsten an den König von Benin. Damit kamen die Büsten in private Hand.
                4. Bekanntwerden des maroden Zustandes der "restituierten" Büsten resp. des Verschwindens zahlreicher Restitutionsobjekte. Korruptionsverdacht.
                5. Es gibt KEINE Öffentlichkeit für die restituierten Bronzen. Bis zur "Rückgabe", besser Übereignung aus schuldkultischen Gründen gab es eine Öffentlichkeit für diese Bronzen.
                6. Das Reich war kein Kolonialland, im Benin gab es auch keine Schutzgebiete.
                7. Das Geld für den Museumsbau, 5 Mill. €, in Benin ist versickert. Die Bundesregierung kümmert das nicht.
                8. Andererseits könnte behauptet werden, daß die Büsten gestohlen worden seien und somit die deutschen Käufer seinerzeit als Hehler handelten. Damit aber haben sie kein Eigentum erworben, denn gekauftes Diebesgut macht den Käufer nicht zum Eigentümer.
                9. Gegen 8. läßt sich einwenden, daß die deutschen Käufer seinerzeit in ihrem Rechtsverständnis handelten, nicht im heutigen, und die aus britischem Kolonialbesitz stammenden Kunstgegenstände rechtmäßig erwarben. Die Briten hatten die Bronzen in einem Krieg gegen Benin/Frankreich 1897 erworben. Kriegsbeute.
                10. Man könnte einmal untersuchen, wie viel Blut an den Bronzen klebt, wie oft der Besitzer derselben wechselte, lange vor dem Krieg von 1897.
                11. Grundsätzlich wird unterschieden in a) brutale und rechtswidrige Aneignung afrikanischer Güter durch Europäer und b) rechtmäßigen Sklavenhandel afrikanischer Fürsten und damit verbundenen Reichtum. Der Sklavenhandel hat zur Entstehung der Benin-Bronzen maßgeblich beigetragen, wird aber nicht gebrandmarkt. Statt dessen wird durch die Rückgabe an den Oba (beninischer Titel) dieses Handeln sanktioniert, aber wehe, ein deutscher Kaufmann kauft eine Bronze, um sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und ermöglicht Forschungen daran, die allen zugute kommen. Das ist dann Neokolonailismus oder Beutekunst oder was anderes Böses.

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                • #9
                  Nachdem ich ein bißchen recherchierte, verändert sich das Bild. Aber irgendwie hatte ich das auch erwartet.

                  Britannien und der König von Benin schließen einen Freihandelsvertrag. Etwa 1892. Benin ist politisch selbständig. Benin bricht den Vertrag, als es britische Kaufleute an der Ausübung ihrer Tätigkeit hindert. Vergessen wir aber zugunsten der Beniner nicht, daß die Briten ihren Handel aus einer Position der Stärke heraus betrieben und mit ihrem Kreditwesen zahlreiche Beniner in Schulden stürzten. Das ist aber egal. Benin hätte das Abkommen kündigen können. Hat es nicht. Statt dessen wurde den Briten der Freihandel untersagt. Das paßte denen nicht. Klarerweise. Nachdem dann auch noch etliche Briten von beninischen Soldaten und Heckenschützen getötet worden waren, erklärte das Empire Benin den Krieg und schickte eine Kompanie Soldaten. 120 sollen es gewesen sein. Diese Soldaten gingen nun gegen den beninischen König und seine Soldaten vor. Erstaunlich genug, aber im Benin gab es starke Sympathien für die Briten, also boten sich zahlreiche Stammeshäuptlinge an, wollten Unterstützung geben. Der König von Benin (Oba) sah seine Macht schwinden. Er verwischte Spuren, ließ die Sklaven, die ihm dienen mußten, töten und verschwand aus seiner Hauptstadt, die von den Briten ohne großen Widerstand eingenommen werden konnte. Augenzeugen berichten von bestialischem Gestank in der Hauptstadt (Leichenberge), die seinerzeit etwa 15000 Menschen beherbergte. Benin wurde zur Kolonie erklärt. Ende.
                  Die heute als Benin-Bronzen bezeichneten Beutestücke fanden einige Soldaten im Müll. Sie nahmen sie als Andenken mit und verscherbelten sie an interessierte Händler aus der ganzen Welt. Ja, Beute. Zugleich aber auch wieder nicht, denn in Benin fanden sie damals keine Beachtung. Man könnte auch sagen, die beutegierigen britischen Soldaten nahmen Andenken aus Benin mit, die sich heute als Weltkulturerbe bezeichnen lassen.

                  Nachwort: Unsere Kolonialgeschichte! Ja, wir Briten sind schon wer. Unsere Außenministerin und Kulturbeauftragte machten das Unrecht wieder gut. Sie gaben dem sklavenhaltenden König von Benin seine wertvollen Büsten zurück, zugleich noch ein paar Milliönchen für den Ausbau seines Kulturgeschichtsmuseums. Äh, was? Ach ja, das gab und gibt es ja nicht in Benin. Und Deutsche gab es dort auch nicht. Das "Verbrechen" deutscher Kunstsammler bestand darin, daß sie erkannten, daß es sich bei den Fundstücken aus dem Müll um künstlerische Arbeiten handelte. Sie erwarben sie und stellten sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Ein paar wenige Forscher befaßten sich in den letzten Jahrzehnten damit. Nun, im linkswoken metoo-Zeitalter werden sie als Weltkulturerbe bezeichnet. Meinetwegen. Aber mit deutscher Schuld hat das nun gar nichts zu tun. Und die Briten? Denen ist das wurscht. Sie geben grundsätzlich nichts zurück.

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                  • #10
                    Die jüngsten beschämenden Äußerungen unseres Bundespräsidenten in Hinsicht auf behauptete deutsche Verbrechen in Deutsch-Ostafrika haben mich veranlaßt, die Dinge für mich zu erschließen, also Quellenstudium zu betreiben. In den Reichstagsprotokollen finden sich aus allen politischen Lagern 935 Erwähnungen von Deutsch-Ostafrika. Ich wudele mich da gerade durch. Sehr viele Einzelheiten, aber auch grobe Schnitte der deutschen Kolonialpolitik. 1905 referierte Dr. Stübel, ein Verantwortlicher der Reichsregierung für Kolonialbelange. (Ich wünschte mir, in heutigen Parlamentssitzungen würde so offen über die Politik und die Probleme der Regierung im jeweiligen Sachbereich gesprochen.) In seinem Beitrag wird das Bemühen der Reichsregierung um gleiche Rechtsverhältnisse in den Kolonien deutlich, zugleich wird dessen Schwierigkeit zugegeben. In typisch deutscher Manier erhofft sich die Reichsregierung, daß wissenschaftliche Erforschung der Wirtschafts- und Sozialverhältnisse in den Kolonien dazu beitragen möge, die Verhältnisse systematisch zu verbessern.

                    Zu Deutsch-Ostafrika: Das Gebiet (etwa drei Mal so groß wie die BRD), in dem seinerzeit etwa 7,5 Millionen Nicht-Deutsche (Inder, Portugiesen, Schwarze, Araber) und wenige Tausend Deutsche lebten, wurde mit Hilfe eines Eisenbahnbaus erschlossen, eine Nord-Süd-Linie, die die Weiten des Landes weitgehend sich selber überließ. Man glaubte an wenige Rohstoffe, wohl aber an die Möglichkeit intensiver Landwirtschaft. Der gesamte Geldverkehr soll 1905 bei etwa 18 Millionen Reichsmark gelegen haben. Bei einem Gesamtvolumen des Geldflusses von 18 MIllionen Reichsmark von einer systematischen Ausbeutung in Deutsch-Ostafrika zu sprechen, ist sehr übertrieben. Dieser Vorwurf des salonlinken Establishments an die Reichsregierung von 1905 oder an die Deutschen überhaupt wird um so absurder, wenn man den Ausführungen Helfferichs (Beauftragter der Reichsregierung für wirtschaftliche Fragen in Deutsch-Ostafrika) im Reichstag folgt, wo dieser die Schwierigkeiten bei der Einführung deutscher Zahlungsmittel beschreibt und zugleich Prinzipien der deutschen Kolonialpolitik erkennen läßt, die nicht auf Ausbeutung ausgerichtet war: Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: deutsche_rupie_1905.jpg Ansichten: 0 Größe: 148,0 KB ID: 2673
                    Quelle
                    Die von Erzberger kolportierten 18 Millionen für den gesamten Zahlungsverkehr in Deutsch-Ostafrika sind nicht eben viel, wenn man dagegen vergleicht, daß die Briten in diesen Jahren in Afrika weit über 100 Millionen Reichsmark (umgerechnet) allein in den Eisenbahnbau investiert haben sollen. Es gab Probleme mit der wirtschaftlichen Einbindung des Gebietes in den deutschen Wirtschaftsraum, denn das Gebiet wurde von Indien wirtschaftlich erschlossen, so daß die Rupie (!) in Deutsch-Ostafrika die bevorzugte Währung abgab. Ein geldpolitischer Hybrid aus einer Kolonialbank und der Reichsbank sollte währungspolitische Übergänge schaffen (das forderte jedenfalls der Zentrumspolitiker Erzberger), aber bei den geringen Geldumlaufmengen ergaben sich wenige Gewinnchancen. Die gesamte deutsche Politik war langfristig angelegt, nicht auf schnellen Gewinn aus.

                    sehr lesenswert: Deutsch-Ostafrikanische Zeitung von 1907. Insbesondere empfehle ich die Lektüre ab Seite 9. Hier wird mit der Politik der Reichsregierung sehr kritisch umgegangen, allerdings nicht in dem moralinen Sinne, wie das heutzutage von öffentlichen Stellen gemacht wird. Ein Auszug soll deutlich machen, daß dioe deutschen Kolonien noch weit entfernt davon waren, für den deutschen Markt interessant zu werden, eine Ausbeutung derselben, wie von Salonlinken behauptet, also nicht stattfand.

                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: frachtkosten_ostafrika_1907.jpg Ansichten: 0 Größe: 181,4 KB ID: 2674
                    Die Diskussion nahm Fahrt auf. Der SPD-Mann Paaschen machte darauf aufmerksam, daß man Aufständen vorbeugen müsse und nicht erst reagieren dürfe, wenn sie ausgebrochen seien. Er stellte in seiner Rede auch die Ursächlichkeit dar.
                    Der Bau von Eisenbahnen unterband den üblichen Transport in Afrika zugunsten der effizienteren Eisenbahn. Etliche afrikanische Fuhrunternehmen (Pferde-, Kamele-, Ochsengefährte) verloren ihre Existenzgrundlage. Es wäre Aufgabe der Kolonialverwaltungen gewesen, diese Arbeitslosen für die neuen Chancen zu gewinnen, was z.T. nur sehr mühsam gelang. Die Gebiete an den Eisenbahnen florierten, aber viele Afrikaner waren nicht sehr mobil, sondern seßhaft und wollten ihre Heimat nicht verlassen, um in den prosperierenden Gebieten Arbeit zu finden. Setzten sie sich dann doch in Bewegung, dann meist als Stamm, was eine Kettenreaktion nach sich zog. Der SPD-Mann vermutet, daß dann früher oder später auch deutsche Siedler angegriffen werden würden, was dann die deutsche Regierung zwänge, diese zu beschützen.
                    Und genau so fand es dann auch statt. Die Deutschen benutzten die Zerstrittenheit der Afrikaner untereinander. Ein Verbrechen? Wohl kaum,. Selbstschutz.
                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: paaschen_unruhevorbeugung_ostafrika.jpg Ansichten: 0 Größe: 185,1 KB ID: 2678
                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: paaschen_unruhevorbeugung_ostafrika2.jpg Ansichten: 0 Größe: 66,6 KB ID: 2677Quelle
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                    • #11
                      Von den Goldförderungen, die die „westliche Welt“ heuer in Afrika tätigt, verbleiben ungefähr 3-5% in Afrika, der Rest der Erlöse geht in den Westen (genau: an kapitalistische Konzerne). Von solchen Leuten lass ich mir eh nix vorwerfen. Doppelmoral nennt man sowas 🤷‍♂️ Und Doppelmoral ist widerlicher als gar keine Moral 🤢

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                      • #12
                        Zu Ost-Afrika: Habe mir ein Buch besorgt, das ich lesen und dessen wichtigste Gedanken und Bemerkungen ich hier einstellen werde.

                        Zu Süd-West: Wir hatten hier im Wolkenstein-Forum dazu schon mal eine Diskussion, ungefähr 2004. Irgendwann werde ich diese Diskussion hier einstellen. Eben las ich einen Artikel in der jf, in dem einige mir bereits bekannte Aspekte zusammengetragen wurden, die ich sortiere:
                        • Die "Schlacht am Wasserberg" war keine. Es gab im Umfeld dieses Berges etliche Scharmützel zwischen den deutschen Schutztruppen (etwa 5000 Deutsche und ebensoviele Hilfstruppen von mit den Herero verfeindeten Afrikanern - insgesamt waren beim Krieg gegen die Herero zwischen 1904 und 7 zirka 20000 deutsche Soldaten im Einsatz, davon 13000 getötet oder als Kranke/Verwundete zurück nach Deutschland gebracht) und den Herero (bei der "Schlacht am Wasserberg" standen etwa 6000 von England ausgerüstete Krieger im Einsatz). Die Herero beabsichtigten, sich nach Südosten abzusetzen, in englische Hoheitsgebiete. Dazu wollten sie eine Savannelandschaft durchqueren, etwa 84000 km² groß, in der es einige Wasserlöcher gab, die sie kannten. (Das Gebiet wird heute als Heimatland der Herero bezeichnet, was aber nicht korrekt ist, denn die Herero wanderten im 18. Jahrhundert aus Angola ein und blieben nomadisch.) Die Briten hatten den Herero versprochen, daß sie nach ihrem Aufstand gegen die Deutschen im sehr dünn besiedelten Betschuanaland und in Südafrika würden heimisch werden dürfen (eine Form des geplanten Exodus), nicht seßhaft, denn die Herero waren zu dieser Zeit nicht seßhaft, sondern nomadisch, was bedeutet, daß sie mit Frauen und Kindern unterwegs waren, sich in einem Gebiet niederließen und dort so lange verblieben, bis alle Ressourcen aufgebraucht waren. Dann zogen sie weiter. Das Land war groß, es erholte sich nach ihrem Abzug wieder, imgleichen das Wild und domestizierte Tiere bei den Seßhaften: Afrikanern und deutschen Siedlern gleichermaßen. - Die "Schlacht am Wasserberg" war notwendig geworden, weil die Herero, von Briten und eigenem Machtstreben angestachelt, deutsche Siedler wahllos getötet hatten, Überlebende baten daraufhin im Reich um Schutz, den sie auch erhielten, was dann in der Dynamik des Krieges begründbar, dazu führte, daß eine endgültige Lösung her sollte, ganz ähnlich dem Vorgehen der Israelis heutzutage im Gaza-Streifen gegen die Hamas, wobei es hier drei grundlegende Unterschiede gibt: 1. die Hamas wurden von dem israelischen Geheimdienst selber gegründet, um sie gegen die PLO einzusetzen (behauptet jedenfalls Gysi); 2. die Herero waren ein nomadisches Volk, das in Südwest nur einige Jahre vor den Deutschen angekommen war und nicht, wie die Palästinenser in Palästina, lange Zeit vor Ort lebte und 3. die Herero traten einheitlich und vollständig als Stamm auf und nicht wie die Hamas, die nur einen Bruchteil der Palästinenser abbilden.
                        • Es war den Deutschen unmöglich, das riesige Gebiet der Omaheke-Savanne (wird irrtümlich als Wüste bezeichnet) zu umstellen, wie immer wieder fälschlich behauptet wird. Die Herero wollten durch dieses Gebiet abziehen. Sie hatten die Wasserstellen vergiftet (mit Hilfe von verendetem Vieh), um den Deutschen das Nachrücken so schwer wie möglich zu machen und darüber offenbar vergessen, daß sie dadurch selber keine Mögklichkeit mehr besaßen, taktisch zu agieren. Die Deutschen taten den Herero nicht den Gefallen und stellten Trinkwasser bereit, zumal sie selber kaum welches besaßen. Statt dessen gab es für die abziehenden Herero nur die Möglichkeit, sich zu ergeben, was sie nicht taten. Die Deutschen konnten die Verfolgung der abziehenden Herero nach zwei Tagen Verfolgung durch die Omaheke wegen Krankheit (Ruhr, Typhus und Erschöpfung) selber nicht mehr vornehmen und kehrten um.
                        • Der berühmte Befehl des deutschen Generals von Trotha (der Mann heißt tatsächlich wie ein Stadtteil von Halle/Saale) erfolgte am 2. Oktober 1904. Er ließ diesen Befehl an einer Eingangsstraße zur Omaheke anbringen und gab etwa 30 Herero (höchstwahrscheinlich Frauen) diese Order mit auf den Weg in die Omaheke. Der Befehl lautete: "Das Volk der Herero muß das Land verlassen. Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen." - Das klingt hart. Man muß hier aber folgendes bedenken: Der General und die deutschen Truppen befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Rückweg nach Windhuk. Die Schlacht war geschlagen, der Krieg aus seiner Sicht entschieden, denn die Herero hatten den Weg durch die Omaheke gewählt. Ihr Anführer Maherero war schon längst bei den Briten, ein paar Hundert Kilometer weg von dem Ort des Befehls. Es gab aber noch etliche Krieger und deren Angehörige, die irgendwo in der Omaheke auf Hilfe warteten, zugleich aber sich selber jeden Rückweg nach Südwest verbaut hatten oder deutsche Soldaten an den Zugangswegen vermuten mußten. Allerdings gab es kaum noch kampftüchtige deutsche Truppen, denn, wie bereits oben beschrieben, waren die erschöpft, krank und ohne notwendige Mittel, um den Krieg in die Omaheke zu tragen.
                        Anhand dieser Tatsachen wird deutlich, daß von einem Genozid nicht gesprochen werden kann. Allerdings ließe sich darüber diskutieren, ob Deutsche in Afrika siedeln dürfen/durften.

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                        • #13
                          Das Buch über Ost-Afrika stammt von dem deutschen Verwaltungschef in jenen Jahren des Aufstandes, Graf von Götzen. Im Vorwort schreibt er resümierend über seine Erfahrungen in den Jahren um 1905:
                          ...die Summe aller Erscheinungen, die während der Rebellion von 1905 zutage traten, zwingt uns, heute [1909] schon an die Anfänge eines Solidaritätsgefühls der Negerrasse gegenüber den fremden, kolonisierenden Völkern zu glauben. Der Aufstand muß zweifellos als ein Symptom der großen, auf Selbständigkeit gerichteten Bewegung angesehen werden, die seit Beginn des zwangigsten Jahrhunderts sich unter den farbigen, außerhalb der christlichen Kultur stehenden Menschheit offensichtlich geltend macht.
                          Ein Mann, der so reflektiert, sollte es wohl wert sein, gelesen zu werden.

                          Kolonialgeschichte beginnt immer mit den Zielstellungen der Kolonisten. Auf welcher weltanschaulichen Grundlage steht ihr Kolonialvorhaben? Natürlich soll Gewinn erzielt werden. Das steht außer Frage, aber was treibt die Kolonisten an? Welche Widerstände müssen sie überwinden? Wie wird das Verhältnis zu den Eingeborenen bestimmt? Wehren die sich gegen die Kolonisation? Ist es ihnen gleichgültig?

                          Prämisse der deutschen Kolonialpolitik aus einer Denkschrift von 1903 (ab dieser Zeit nahm man im Reich die Kolonialpolitik ernst):
                          Die Kolonialverwaltung ist sich bewußt, daß ihr zur Befestigung der deutschen Herrschaft und gleichzeitig zur wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonien kein wirksameres Mittel zur Verfügung steht, als die Hebung des Kulturstandes der Eingeborenen.
                          Das bedeutet:
                          1. Ziel ist die Ausübung der Herrschaft, also Imperialismus;
                          2. der Zweck der Herrschaft, dieser also untergeordnet, ist die wirtschaftliche Entwicklung, also die Erzeugung von Mehrwert, d.i. Profitstreben und
                          3. das Mittel zur Erreichung dieser beiden Ziele soll die Hebung des Kulturstandes sein, also Kolonialismus.
                          Konkrete Mittel:
                          • Hebung der afrikanischen Vieh- und Bodenwirtschaft, Viehseuchenbelämpfung;
                          • Forstschutz;
                          • Verbesserung der sanitären Verhältnisse;
                          • Förderung des Unterrichtswesens: Schul- und Missionstätigkeit;
                          • Verteilung von Saatgut durch Beamte;
                          • Bekämpfung der Heuschrecken- und Wildschweinplage,
                          • Straßen- und Eisenbahnbau.
                          Götzen betont, daß es zwischen dem afrikanischen und amerikanischen oder australischen Ureinwohner einen substantiellen Unterschied gebe, daß nämlich der afrikanische Eingeborene nicht vor dem weißen Mann weiche, es sei "eine Rasse, die keinesfalls vor uns vom tropisch-afrikanischen Boden verschwinden wird" (S. 17).
                          Die weltanschauliche Basis für den deutschen Kolonialismus bildete die Kulturstufentheorie, wie sie Vico und Humboldt vertreten hatten. Diese Theorie besagt in etwa, daß jedes Volk eine bestimmbare Stufe der Kultur im Laufe seiner Entwicklung erklomm, die durch Leistungen in Wissenschaft, Sprache, Kunst, Hygiene und (politischer) Freiheit meßbar sei. Heutige Linksgrüne assoziieren hier oft Rassismus, zumal auch deutsche Kolonialisten sehr oft den Begriff "Rasse" benutzten, um äußere, innere und kulturelle Unterschiede schlagwortartig zu fixieren.
                          Allerdings wird "Rasse" hier nicht dazu benutzt, um, wie bei den Nazis, der (mutmaßlich) überlegenen Rasse im Weltenkampf das Recht des Stärkeren zuzuschanzen, um niedere Rassen auszumerzen. Zwar werden die Afrikaner als minderwertig betrachtet, was aber kein ewiges Diktum abgab. Nein. Deutscher Kolonialismus verstand sich in jenen Jahren als Aufbauhelfer - dem heutigen Neo-Kolonialismus ganz ähnlich. Götzen warnt davor, die gleichen Fehler zu machen, die in den Südstaaten Nordamerikas begangen worden sind. Götzen formuliert das Problem als eine Frage des Tempos, in dem die Afrikaner die Segnungen der deutschen Leitkultur lernen und dann nutzen sollen:

                          Götzen, S. 17.
                          Was das Tempo anbelangt, in dem wir das, was wir unsere Kultur nennen, den Eingeborenen beibringen sollen, so mahnt die Geschichte gewisser älterer Kolonien [gemeint ist Südwest, aber auch Südafrika und Indien] und besonders die der Südstaaten der nordamerikanischen Union zur Vorsicht und Bedächtigkeit. Wir können dort lernen, wie wenig es einer Rasse zum Heile gereicht, wenn sie mühelos große Kulturstufen überspringen durfte, und wie die Segnungen jeder Kultur durch angestrengte Arbeit zahlreicher Generationen erworben sein müssen, wenn sie etwas anderes bedeuten sollen als ein äußerer Anstrich, der weder Glück, noch Achtung einflößen kann.
                          Also Hilfe zur Selbsthilfe! Allerdings stellt sich die Frage, ob den Afrikanern gehelfen werden soll, weil sie es selber wollen oder ob eine Pflicht besteht, Schwächeren zu helfen oder ob es nicht besser wäre, wenn man jedem Volk, jeder Rasse es zubilligen sollte, daß sie zu sich selber kömmt. Diesen Gedanken nimmt Götzen kurz darauf noch einmal auf: Er fragt, ob sich der "Kulturgang" der Afrikaner nicht auf anderen Wegen ereigne, ob sie vielleicht nicht dazu bestimmt/befähigt seien, den intellektuellen und ethischen Kulturstand der Weißen zu erreichen oder ob ihnen nicht von vorneherein "engere Grenzen gezogen sind"?
                          Götzen fordert daher, daß die deutsche Kolonialpolitik auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Eingeborenen Rücksicht nehmen müsse, man sie nicht überfordern dürfe, indem man Dinge von ihnen verlange, die sich die Deutschen in einer mehrtausendjährigen Kulturgeschichte mühsam hätten aneignen müssen. Rücksicht zu nehmen, sei das eine, das andere aber liege darin, die deutsche Machtstellung in Ostafrika zu erhalten. (S. 18.)

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                          • #14
                            Die deutsche Kolonialpolitik praktizierte im Spannungsfeld zweier grundsätzlich verschiedener Auffassungen:
                            1. die Selbstentwicklung der Afrikaner vorantreiben, sie zur Kultur befähigen, damit zum effizienteren Wirtschaften und zur Zivilisation - deutsche Kolonialpolitik als eine Art Entwicklungshilfe, die letztlich deutschen Interessen diene;
                            2. das Überstülpen deutscher Wertvorstellungen gegenüber den als minderwertig angesehen Afrikanern, wobei deutsche Investitionen in erster Linie dazu dienen sollten, die Weiten des Landes für deutsche Siedler und die reichsdeutsche Wirtschaft vorzubereiten, die Afrikaner dabei vorrangig als mögliche, aber nicht notwendige Geschäftspartner begreifend.
                            Neben dieser Dichotomie, die eine einheitliche Kolonialpolitik verhinderte, trat in Ostafrika der Zwiespalt auf, der überall auf der Welt zu finden ist: der Kampf zwischen seßhafter und nomadischer Bevölkerung. Die Ostafrikaner zerteilten sich seinerzeit in mehrere Bevölkerungsgruppen, Stämme, die sich untereinander bekriegten:
                            • Bantu: seßhaft, rückständig, wenig aufgeschlossen, verschiedene Stämme mit eigenen Rechtsbezirken (Wasaramo, Kilwa, Wadonde, Wagindo, Lindi, Wajao, Makua, Wabena, Waporogo, Wabunga u.a.);
                            • Watussi: hellhäutigere Einwanderer aus nördlichen Gebieten, große Krieger, den Bantu überlegen und diese versklavend, aber selbstzerstörerisch, wobei staatenbildend;
                            • Massai: ähnlich wie die Watussi, aber negrid und schlanker, nicht staatenbildend: ziehen mit ihren Rinderherden durchs Land, plündern und rauben Vieh;
                            • Wanjamwesi: bewohnen den fruchtbaren Teil zwischen Küste und Viktoriasee, seßhaft, aufgeschlossen und treu;
                            • Wasuaheli: die zahlreichen und relativ wohlhabenden Bewohner der Küstenregion, ein arrogantes Mischvolk aus Eingeborenen und Arabern, die seit Jahrhunderten dieses Gebiet anfahren, um dort Sklaven zu kaufen und die Küstenregion islamisierten;
                            • Waschensi: naturverbundenes Bergvolk, rückständig, arm und archaisch lebend;
                            • Wangoni: ein Zulustamm, der ungefähr um 1850 aus Süden kommend, in Ostafrika einfiel und dort raubend und plündernd durchs Land zog, ohne staatliche Strukturen auszuprägen (manche vermuten, daß die Wangoni eine kriegerische Spielart der Bantu seien);
                            • Wahehe: ein kriegerischer Stamm aus dem Militärbezirk Iringa (mittleres Ostafrika), trinkfest, nomadisch lebend wie die Massai (12000 Krieger, 2000 Vorderlader);
                            Die Bezeichnung "Schutzgebiet" erhält angesichts dieser Verhältnisse eine andere Bedeutung als gegenwärtig. Die Afrikaner waren keineswegs ein einheitlicher Block, der sich gegen die Deutschen stellte. Neben friedlichen Stämmen existierten kriegerische, die raubend und plündernd durchs Land zogen. Ab und zu kamen Araber vorbei, Elfenbein und Sklaven suchend. Das war seit etwa 950 so. 1500 kamen die Portugiesen, konnten sich gegen die Araber nicht durchsetzen. 1880 kamen die Deutschen. Die Schutztruppe für ein paar Kaufleute (Peters), die sich in ostafrikanischen Hafenstädten ansiedelten und allmählich im Hinterland nach kaufbaren Produkten suchten, agierte keineswegs nur für Deutsche, von denen es in Ostafrika 1905 nur wenige Tausend gab, sondern für all jene, die friedlich ihrem Tageswerk nachgingen. Die Deutschen unterbanden den Sklavenhandel, die plündernden Streifzüge der Massai und Wahehe, sie bauten Straßen, Schulen, sie gaben kostenlos Saatgut aus und sorgten für bessere Hygiene. Die Araber verließen in Scharen Ostafrika, zumal sie auch als Zwischenhändler gegenüber Indern unterlagen.
                            Aber so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht. Bei den Deutschen gab es eben auch friedliche und kriegerische Strömungen, die sich nicht auf Parteienzugehörigkeit reduzieren lassen. Vor allem aber stellt sich die Frage nach der Berechtigung deutschen Tuns in Ostafrika.

                            Das liest sich so weg: Sklavenhandel. Aber was bedeutet das? Die Araber zogen ins Land, plünderten, raubten, erschlugen, verschleppten. Sie brannten Dörfer nieder, meist starben etliche andere, Angehörige oder Freunde, um nur einen Sklaven dem Sultan von Sansibar zuzuführen. Jahr für Jahr für Jahr. Es dürfte Millionen Opfer in Ostafrika gegeben haben, bis die Deutschen kamen und das unterbanden. Von diesem Morden erzählt heute keiner etwas, es gibt keine Entschädigungsforderungen an irgendeinen arabischen Staat. Aber der gegenwärtige Bundespräsident glaubt, Verbrechen seiner Vorfahren ausfindig gemacht zu haben, schlägt sich auf die Brust und beteuert Schuld.

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                            • #15
                              Die deutsche Kolonialpolitik zog Schlüsse aus der verfehlten Kolonialpolitik ihrer Konkurrenten USA, Britannien oder Frankreich. So stellte sie ein Verkaufs- und Herstellungsverbot europäischer Spirituosen für die EIngeborenen auf. Diese stellten in Ostafrika ihr eigenes Bier her, Pombe, auch andere alkoholische Getränke. Das durften sie weiterhin trinken, aber die Kolonialbehörden meinten, es sei besser, Afrikanern den Genuß von Whisky, Branntwein oder Likören zu verbieten. Schlechte Erfahrungen mit Indianern in Amerika oder Arabern in Nordafrika verböten es Afrikanern, europäische Alkoholika zu erwerben.
                              Die deutsche Kolonialverwaltung nahm das Viehsterben um 1904 sehr ernst. Seuchen (Küstenfieber, Texasfieber und die Surrahkrankheit) hatten sehr viele Rinder in Ostafrika sterben lassen. Schlimme Folgen, vielleicht sogar einer der Gründe für die Erhebung 1905, denn das Rind war für viele Ostafrikaner eine wichtige Einkommensquelle, sowohl als Milchproduzent als auch als Transportmittel. Allerdings war die einheimische Bevölkerung mit dem Vorgehen der deutschen Kolonialbehörden meist aus Unwissenheit (fehlende Kommunikation, fehlende Bildung) nicht immer einverstanden (Seuchenschutz, Vorbeugung von Krankheiten, Impfung etc.) und übte Widerstand. Auch gab es erhebliche Vorbehalte gegen den Eisenbahnbau, da viele Kleintransportunternehmen ihre Existenz bedroht sahen. (Der Eisenbahnbau wurde von Deutschen vorgenommen. Afrikaner eigneten sich nicht für diese Art Arbeit.) Die Einheimischen nahmen die Eisenbahnen nach ihrer Fertigstellung schnell an, denn sie erkannten die Vorteile auch für sich. Lerneffekt!
                              Dieser Effekt schließt auf die Frage, wie lernfähig die Ostafrikaner sind, welche geistig-spirituellen Fähigkeiten sie besitzen, wie sie sich zeigen und wo die Grenzen liegen. Götzen stellt fest, daß die Ostafrikaner große Zurückhaltung bei metaphysischen Fragen zeigen, ihre Sprachen nicht abstrahieren (so haben sie kein Wort für bringen) und eine riesige Vielfalt an religiösen Vorstellungen vorherrscht - jeder Stamm besitzt seine eigenen Vorstellungen.
                              • Bantu: Glaube an ein höheres Wesen, das die Natur beeinflußt, sich aber nicht um den Menschen kümmert (!?), der offenbar nicht als Teil der Natur begriffen wird, zugleich aber kann durch Opfer die Stimmung des höchsten Wesens wachsen, damit Heuschrecken und andere Plagen unterbleiben; Gestorbene leben als Geister weiter, die auf die Lebenden einwirken und immer deren Tod verschulden (es gibt keinen natürlichen Tod), was Ahnenkult bedeutet, der sehr gepflegt wird, was oft über Zauberer geschieht, die dafür gut bezahlt werden; die christliche Missionstätigkeit wird von diesen Zauberern zurecht als Bedrohung empfunden und bekämpft
                              Sprache: Jeder Stamm pflegt seine eigene Sprache, die für deutsche Ohren sehr schwer zu verstehen ist; auch verstehen sich die einzelnen Stämme kaum untereinander. Als eine Art lingua franca setzt sich mehr und mehr das Suaheli der Küstenregion durch, das für Deutsche nicht schwer zu erlernen ist. Neben dieser Sprache wird zunehmend auch ein abgewandeltes Englisch benutzt, Pidginenglisch, das für Ostafrikaner, Inder und handelnde Chinesen als der Inbegriff europäischer Sprachen verstanden wird. Das Deutsche wird nur von wenigen Ostafrikanern angenommen.
                              Götzen schlägt vor, gute Erfahrungen seines Freundes Kersting aus Togo (deutsche Kolonie in Westafrika) anzuwenden, der den Afrikanern vermittelte, daß die Eingeborenenidiome fürs einfache Volk seien, das Pidginenenglisch für die mittlere Klasse geeignet sei, das Deutsche aber von der Oberklasse gesprochen werde. Damit wuchs in Togo die Bereitschaft der Stammesältesten, das Deutsche zu erlernen.

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