Götzen übernahm 1901 als vom Kaiser eingesetzter Gouverneur mit Verordnungsrecht die Leitung der Kolonialverwaltung und war zugleich auch der militärische Befehlshaber der Kolonialtruppen, ein paar Hundert Mann samt afrikanischer Hilfskontingente. Deshalb sind seine Beobachtungen der Verhältnisse in Ostafrika und seine Anmerkungen von doppelter Bedeutung. Bevor er die administrative Leitung übernahm, war er Reisender durch Ostafrika, kannte das Land im Norden, weit über den Viktoriasee hinaus, als er Teil einer Expedition um 1880 (er wurde 1866 geboren) war, die seinerzeit eine Verbindung nach Westafrika suchte und fand. Diese Kenntnisse stellen seine Kritik an der deutschen Kolonialpolitik in ein besonderes Licht. Götzen monierte, daß es der deutschen Kolonialpolitik daran mangele, sich mit den örtlichen Häuptlingen gutzustellen. Statt dessen werde eine zentralistische Politik betrieben, die auf strikte Durchführung behördlicher Anordnungen zurückgreife und darüber das Potential einer auch inneren Erschließung Ostafrikas für das Reich außen vor lasse. Man setze zu sehr auf die Segnungen der deutschen Zivilisation und deren allmähliche Erschaffung in Ostafrika. Die Eingeborenen hätten sich dieser Segnungen zu erfreuen, weil sie nur Vorteile für sie ergäben.
Die Kritik spricht einen Webfehler des ZDR an. Der jahrhundertelange Föderalismus des alten Reiches hatte 1871 u.a. dazu geführt, daß statt eines Zentralstaates ein Staatenbund entstanden war. Das Reich war der Kostgänger der einzelnen Staaten, die zum Teil so frei waren, daß sie eigene Botschaften im Ausland unterhielten. Man denke nur an Bayern! Die dialektische Gegenbewegung des Reiches bestand darin, ein Gegengewicht zu diesem Konföderalgebilde aufzubauen, das Reich allmählich zu einem eigenen Machtkonstrukt zu modeln, also letztlich war das eine Gegenbewegung zum Föderalismus. Kulturkampf!
Diese Sichtweise wendete das Reich auch in Elsaß-Lothringen und in den Kolonien an. Es gab hier keine politischen Gegenspieler, keine Fürsten oder flächendeckenden Herrschaftsstrukturen. Zwar beherrschten manche Häuptlinge Gebiete in Ostafrika, die größer als manche Fürstentümer im Reich waren, allerdings gab es in Ostafrika keine Staatlichkeit. Die Deutschen stießen sozusagen in ein administratives Nichts. Aber es war kein Nichts, wie sie glaubten. Afrikanische Herrschaftsausübung funktioniert anders als die deutsche. Das nicht erkannt zu haben, monierte Götzen.
Anders gesagt, Götzen versuchte ab 1901 die Sultanate (muslimisch geprägte Landstriche in Küstennähe und im Norden der Kolonie) und Stammesfürsten (heidnisch oder schon christlich geprägte Gegenden im Süden der Kolonie) als selbständige politische Einheiten zu behandeln und schlug vor, diese allmählich mit kleineren Leitungsfunktionen zu versehen, was dann im Laufe der Jahrzehnte (!) dazu führen müsse, diese Stammesfürsten als Beamte zu bezahlen, also zu vollwertigen Gliedern der Kolonialverwaltung zu modeln. Götzen betonte, daß er in seiner fünfjährigen Amtszeit Akidas eingesetzt habe, Mischlinge oder Araber, die deutsche Schulen besucht haben und in die Prinzipien deutscher Verwaltung eingeweiht worden seien und als Verwalter einiger Dörfer oder Landschaften fungierten.
Leider mußte Götzen wegen Krankheit (wahrscheinlich Malaria) Ostafrika schon bald wieder verlassen (kurz nach Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands, zu dem ich bald kommen werde) und starb 1910 in Deutschland einen ziemlich jungen Tod mit 44.
Die Kritik spricht einen Webfehler des ZDR an. Der jahrhundertelange Föderalismus des alten Reiches hatte 1871 u.a. dazu geführt, daß statt eines Zentralstaates ein Staatenbund entstanden war. Das Reich war der Kostgänger der einzelnen Staaten, die zum Teil so frei waren, daß sie eigene Botschaften im Ausland unterhielten. Man denke nur an Bayern! Die dialektische Gegenbewegung des Reiches bestand darin, ein Gegengewicht zu diesem Konföderalgebilde aufzubauen, das Reich allmählich zu einem eigenen Machtkonstrukt zu modeln, also letztlich war das eine Gegenbewegung zum Föderalismus. Kulturkampf!
Diese Sichtweise wendete das Reich auch in Elsaß-Lothringen und in den Kolonien an. Es gab hier keine politischen Gegenspieler, keine Fürsten oder flächendeckenden Herrschaftsstrukturen. Zwar beherrschten manche Häuptlinge Gebiete in Ostafrika, die größer als manche Fürstentümer im Reich waren, allerdings gab es in Ostafrika keine Staatlichkeit. Die Deutschen stießen sozusagen in ein administratives Nichts. Aber es war kein Nichts, wie sie glaubten. Afrikanische Herrschaftsausübung funktioniert anders als die deutsche. Das nicht erkannt zu haben, monierte Götzen.
Götzen, S. 33.
Diese Verhältnisse [ungenaue territoriale Abgrenzungen zu den Nachbarn] nahmen der deutschen regierung von vornherein die Möglichkeit, die eigene staatliche Autorität ohne weiteres an die Stelle einer im ganzen Land anerkannten einheimischen Gewalt zu setzen, wie es im Interesse einer sparsamen Politik und eines ruhigen Einwirkens auf die Bevölkerung bei Okkupationen fremder Gebiete im allgemeinen ratsam ist. Es blieb nur übrig, entweder das Land allmählich ganz in direkte Verwaltung zu nehmen [also zentralistisch vorzugehen] oder die staatlichen Formen wenigstens der größeren Volksstämme und Sultanate bestehen zu lassen und in den Organismus des Gouvernements einzugliedern [also die föderative Methode].
Daß die [koloniale Verwaltung, die ihre Weisung allerdings aus Bärlin erhielt] Regierung lange Zeit [vor Götzens Regierungsantritt 1901] fast ausschließlich den ersteren Weg eingeschlagen hat, betrachte ich als einen Fehler ihrer Politik.
Diese Verhältnisse [ungenaue territoriale Abgrenzungen zu den Nachbarn] nahmen der deutschen regierung von vornherein die Möglichkeit, die eigene staatliche Autorität ohne weiteres an die Stelle einer im ganzen Land anerkannten einheimischen Gewalt zu setzen, wie es im Interesse einer sparsamen Politik und eines ruhigen Einwirkens auf die Bevölkerung bei Okkupationen fremder Gebiete im allgemeinen ratsam ist. Es blieb nur übrig, entweder das Land allmählich ganz in direkte Verwaltung zu nehmen [also zentralistisch vorzugehen] oder die staatlichen Formen wenigstens der größeren Volksstämme und Sultanate bestehen zu lassen und in den Organismus des Gouvernements einzugliedern [also die föderative Methode].
Daß die [koloniale Verwaltung, die ihre Weisung allerdings aus Bärlin erhielt] Regierung lange Zeit [vor Götzens Regierungsantritt 1901] fast ausschließlich den ersteren Weg eingeschlagen hat, betrachte ich als einen Fehler ihrer Politik.
Leider mußte Götzen wegen Krankheit (wahrscheinlich Malaria) Ostafrika schon bald wieder verlassen (kurz nach Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands, zu dem ich bald kommen werde) und starb 1910 in Deutschland einen ziemlich jungen Tod mit 44.
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