Im Jahre 1921 wurde im Londoner Zahlungsplan die Höhe der Reparationsleistungen festgelegt: 132 Milliarden Goldmark in 43 Jahren.[1] Der Reichstag nahm an und legte damit eine Regierungskrise bei, die entstanden war, weil im Reichshaushalt keine genaue Bezifferung der zu zahlenden Leistungen an die Entente-Sieger fixiert werden konnte, diese zugleich auf Milliardenzahlungen bestanden und Amerika als Vermittler nicht zur Verfügung stehen wollte, also die Deutschen mehr oder weniger ihren Feinden ausgeliefert waren, ohne zu wissen, woher sie Gelder nehmen konnten, um deren Ansprüche zu erfüllen. Die SPD verlor an Glaubwürdigkeit, als sie dem Londoner Zahlungsplan zustimmte und so den Reparationen eine moralische Berechtigung gab. Sie betonte bei der Sozialistischen Internationale 1922, daß sie die Revolution vier Jahre zu spät gemacht und den Krieg nicht verhindert habe, der deutscher Schuld entsprang. - 1919 hatte Scheidemann noch betont, daß die Hand verdorren müsse, die Versailles unterschriebe.
Im ersten Jahr erfüllte das Reich seine Zahlungspflicht mit Mitteln, die es ihm Reich akquirieren konnte (auswärtige Anleihen durften nicht aufgenommen werden), 1922 war das nicht mehr möglich. Frankreich wollte repressiv reagieren, also im Reich einmarschieren, aber die britische Regierung blickte weiter und konnte die französische bei einem Treffen in Cannes überzeugen, daß auch Frankreich daran gelegen sein müsse, daß das Reich solvent werde, also mehr Freiraum benötigte. Dazu benötigte man Konferenzen, die Verträge inaugurieren (vorbereiten helfen) sollten. Eine erste dies ins Auge fassende Konferenz fand in Genua statt; sie sollte unter dem Deckmantel einer europäischen Lösung wirtschaftliche Fragen des Kontinents besprechen und Voraussetzungen dafür schaffen, die allgemein schlechte Wirtschaftslage zu beenden, zugleich aus der moralisch fixierten Schuld des Reiches am Weltkrieg (Versailler Vertrag) eine politische erzeugen, woraus dann finanzielle Wiedergutmachungsforderungen (Anleihen des Staates, die dieser auf seine Bürger umlegen würde) folgen würden. Der Plan ging in Genua nur partiell auf, denn während der Konferenz gelang es Rathenau als Vertreter des Reiches, mit Sowjet-Rußland in Rapallo ein deutsch-russisches Handelsabkommen zu unterzeichnen, das Rußland aus der internationalen Isolierung holte, dem Reich einen Wirtschaftspartner verschaffte und zugleich der Reichswehr die Möglichkeit bot, in Rußland, fernab der Argusaugen der Entente, Reserveübungen abzuhalten, die es dem Reich erlaubten, seine Wehrkraft zu erhöhen, ohne das Versailler Diktat zu brechen.[2] (Gleichwohl darf man sich fragen, wie die Reservistenausbildung in Rußland organisiert werden konnte, denn ist kaum anzunehmen, daß Polen den Transport von tausenden jungen Deutschen durch sein Staatsgebiet anstandslos wird hingenommen haben.) Die Westmächte mußten umdenken, denn wenn das Reich mit Rußland diese begonnene Zusammenarbeit vertiefen würde, bestand die Gefahr des Erstarkens sowohl Sowjet-Rußlands als auch des Reiches - und zwar unabhängig von westlichen Geldern und damit Abhängigkeiten.
Rathenau konnte die in Rapallo beschlossene Verständigung mit Sowjet-Rußland nicht mehr ausgestalten, denn kurz nach Rapallo wurde er auf dem Wege zur Arbeit von zwei Angehörigen der Organisation Consul getötet. Das Attentat führte zur verfassungsändernden Durchsetzung des Republikschutzgesetzes, mit dem die Konstituierung eines Staatsgerichtshofs in Leipzig einherging. Der Widerstand gegen dieses Freiheitsrechte beraubende Schutzgesetz kam von rechts, nicht von links, denn die Machtverhältnisse hatten sich umgekehrt: Die Mächtigen saßen links, taten also alles, um den von ihnen errungenen Staat zu schützen, auch auf Kosten persönlicher Freiheitsrechte. Mit der Durchsetzung des Gesetzes erwiesen sich seine Verfechter als Totengräber der Weimarer Republik. Zwar wurde das Gesetz am 21. Dezember 1932 außer Kraft gesetzt, allerdings hatte es Rechtsgrundsätze gebeugt und somit den im Januar 1933 an die Macht kommenden Nationalsozialisten die Handlungsrichtung vorgegeben, wie sie im Kontext einer bürgerlichen Zivilordnung ihre Macht statuieren könnten. 1922 machte der deutschnationale Politiker Bazille deutlich, welche Rechtsgrundsätze die Parteien von der USPD bis zur DVP ausgehebelt hatten, um ihren Staat fortan schützen zu können.
[1] alias 23200 t Gold: 809 Milliarden € (Stand Februar 2015)
[2] Bizarre Nebenwirkung: Während im Reichstag Groener (Reichswehrminister) und die bürgerlichen Parteien samt SPD behaupteten, es gäbe keine geheime Aufrüstung (im Grunde richtig, aber es gab eine verschleierte Mannschaftsstärkenhebung), wußten dies die Kommunisten durch ihre Kontakte zur Sowjetmacht besser (wie hier der 1937 von den Bolschewiken ermordete Kippenberger, KPD, ausführt) und brachten die in Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee erzielte Wehrkrafterhöhung zwar nicht zur Sprache, behaupteten aber, daß die Reichswehr letztlich als Handlanger imperialistischer Bestrebungen gegen die Kommunisten gerichtet sein müsse - früher oder später. Bizarr, da es doch die Bolschewiken waren, die der Reichswehr Ertüchtigungsmöglichkeiten boten!
Brüning bestätigte in seinen Memoiren, daß Wirth (Zentrum/CDU) 1921 Borsig zur Investition von 120 Millionen RM (etwa 1,3 Milliarden €) in Sowjet-Rußland veranlaßt habe; imgleichen Krupp zur gleichen Zeit. Beide verloren ihre Einsätze um 1931. (Brüning, S. 482.)
Lenin und Genossen sahen keinen Sinn darin, der anderslautenden Märchengeschichte einer alleinigen deutschen Kriegsverantwortung durch den Beitritt zu „Versailles“ Glaubwürdigkeit zu verleihen. Zwar wollten die Sowjets gerne wieder am westlichen Kapitalmarkt einsteigen, aber nicht zu diesem politischen Preis. Da schien das Angebot aus Berlin doch eine wesentlich günstigere Gelegenheit zu sein, finanziell wie eben auch politisch. Schließlich lief die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit hinter den Kulissen bereits nicht schlecht. So gut hatten sich diese Kontakte entwickelt, daß in Deutschland bei Teilen der Reichswehrführung und Wirtschaft und Gesellschaft von einer aktiven sowjetisch-deutschen Zusammenarbeit bei der Überwindung der Versailler Vertragsbestimmungen geträumt wurde. Allen voran stand einmal mehr die Republik Polen im Fokus, deren Existenz nicht nur in deutschen Militärkreisen vielen ein Dorn im Auge war. Auch in Moskau konnte man sich vorstellen, Polen demnächst als neue Sowjetrepublik zu begrüßen. Der in Genua ebenfalls anwesende Reichskanzler Joesph Wirth und die ihn begleitenden Repräsentanten der Reichswehr hatten jedoch Tatsachen geschaffen. Ihnen lag vor allem an den informellen Beziehungen mit dem revolutionären Rußland, von denen man sich im Rahmen der „Schwarzen Reichswehr“ die militärische Zusammenarbeit in jenen Bereichen versprach, die Deutschland eigentlich durch den Versailler Vertrag verboten waren, der Fliegerei etwa, oder auch dem Umgang mit gepanzerten Fahrzeugen. (Scheil) |
Rathenau konnte die in Rapallo beschlossene Verständigung mit Sowjet-Rußland nicht mehr ausgestalten, denn kurz nach Rapallo wurde er auf dem Wege zur Arbeit von zwei Angehörigen der Organisation Consul getötet. Das Attentat führte zur verfassungsändernden Durchsetzung des Republikschutzgesetzes, mit dem die Konstituierung eines Staatsgerichtshofs in Leipzig einherging. Der Widerstand gegen dieses Freiheitsrechte beraubende Schutzgesetz kam von rechts, nicht von links, denn die Machtverhältnisse hatten sich umgekehrt: Die Mächtigen saßen links, taten also alles, um den von ihnen errungenen Staat zu schützen, auch auf Kosten persönlicher Freiheitsrechte. Mit der Durchsetzung des Gesetzes erwiesen sich seine Verfechter als Totengräber der Weimarer Republik. Zwar wurde das Gesetz am 21. Dezember 1932 außer Kraft gesetzt, allerdings hatte es Rechtsgrundsätze gebeugt und somit den im Januar 1933 an die Macht kommenden Nationalsozialisten die Handlungsrichtung vorgegeben, wie sie im Kontext einer bürgerlichen Zivilordnung ihre Macht statuieren könnten. 1922 machte der deutschnationale Politiker Bazille deutlich, welche Rechtsgrundsätze die Parteien von der USPD bis zur DVP ausgehebelt hatten, um ihren Staat fortan schützen zu können.
[1] alias 23200 t Gold: 809 Milliarden € (Stand Februar 2015)
[2] Bizarre Nebenwirkung: Während im Reichstag Groener (Reichswehrminister) und die bürgerlichen Parteien samt SPD behaupteten, es gäbe keine geheime Aufrüstung (im Grunde richtig, aber es gab eine verschleierte Mannschaftsstärkenhebung), wußten dies die Kommunisten durch ihre Kontakte zur Sowjetmacht besser (wie hier der 1937 von den Bolschewiken ermordete Kippenberger, KPD, ausführt) und brachten die in Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee erzielte Wehrkrafterhöhung zwar nicht zur Sprache, behaupteten aber, daß die Reichswehr letztlich als Handlanger imperialistischer Bestrebungen gegen die Kommunisten gerichtet sein müsse - früher oder später. Bizarr, da es doch die Bolschewiken waren, die der Reichswehr Ertüchtigungsmöglichkeiten boten!
Brüning bestätigte in seinen Memoiren, daß Wirth (Zentrum/CDU) 1921 Borsig zur Investition von 120 Millionen RM (etwa 1,3 Milliarden €) in Sowjet-Rußland veranlaßt habe; imgleichen Krupp zur gleichen Zeit. Beide verloren ihre Einsätze um 1931. (Brüning, S. 482.)
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