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Krieg in der Ukraine II (Vertiefungsordner, Hintergründe, Aussichten)

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  • aerolith
    antwortet
    Roger Waters (Pink Floyd) in einem Interview mit CNN:

    erstellt von RW

    Jeder Kriegsbeginn hat eine Geschichte. Sie können sagen, der Krieg begann an jenem Tag, oder auch schon 2008. Es geht in diesem Krieg im Grundsatz um Aktion und Reaktion auf das Vorrücken der NATO bis zur russischen Grenze.“
    So mote I do.

    Ich verurteile immer noch den Angriff Putins. Es ist allerdings eine Eigenart westlicher Kriegsführung, daß sie nur dann aggrediert, wenn sie sich überlegen fühlt. Fühlt sie das nicht, bringt sie den Gegner in eine Position, aus der er nur den Angriff wählen kann, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Raubkrieg bleibt Raubkrieg. Andererseits gibt es gute Gründe auf der separatistischen Seite, den haltlosen Zustand (2014-22) irgendwie zu beenden. Man darf nicht verrgessen, daß die ukrainische Zentralregierung schon sehr lange gegen die mehrheitsrussischen Gebiete Bürgerkrieg führt.
    Oskar Spengler entwickelte um 1918 die These von der Aktion, die vor der Reaktion liegt. Das tat er im Kontext der Relativitätstheorie. Ein erstaunlicher Purzelbaum, der aber vieles in der Weltgeschichte erklärt. Im Ukraine-Krieg feiert der Lebensraum-Gedanke traurige Urständ.

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  • Streusalzwiese
    antwortet
    Verpflichtungen entstehen durch Einmischung. Deutschland war Kriegspartei in Afghanistan und hat gegenüber Ortskräften Zusagen abgegeben, die es nicht eingehalten hat. Dabei ist unerheblich, wie viele Afghanen Deutschland aufgenommen hat. Der entscheidende Punkt ist, dass Deutschland die Leute, denen es Zusagen machte, im Stich ließ.
    Andererseits hatten wir der Ukraine gegenüber keine Verpflichtungen. Und dennoch hat man hier einen auf moralisch dicke Hose gemacht und Sanktionen beschlossen, die Deutschland massiv Schaden. Deutschland, das von russischen Energielieferungen abhängig ist, war nie verpflichtet einen Wirtschaftskrieg gegen Russland zu führen. Aber es hat sich von Joe Biden in eine miserable Position bringen lassen.

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  • aerolith
    antwortet
    Würde mich interessieren, was Dir an diesem Artikel gefällt. Ich kann angesichts von fast 100000 Afghanen (bei etwa 5000 Helfern, die es hätte betreffen können), die nach dem Abzug der bundesdeutschen Armee in die BRD geholt worden sind, kaum erkennen, warum hier ein Versprechen gebrochen worden sein soll. Abgesehen davon war es grundsätzlich falsch, unsere Soldaten in diese Weltgegend zu schicken. Es wird auch nicht mit zweierlei Maß gemessen: Afghanistan ist nicht die Ukraine. Also, das war itzt mißverständlich. Afghanistan ist nicht die Ukraine, also gelten in Afghanistan andere Regeln als in der Ukraine, also muß es Ungleichbehandlung geben. Das ist das Problem der "Linken", daß sie glauben, man müsse jeden Menschen resp. jedes Land gleich behandeln. Das ist nicht nur der Anfang von Faschismus, weil er eigene Werte anderen überhilft, sondern letztlich ein völliges Verkennen historischer, religiöser und sozialer Tatbestände.
    Mich würde interessieren, wie sich Afghanistan im vergangenen Jahr entwickelte. Ist es sicherer geworden? Geht es den Leuten besser oder schlechter als vor Jahresfrist? Gibt es Unruhe und Bürgerkrieg?
    Aber das hier ist der Ukraine-Vertiefungsordner. Darum noch ein paar Worte zur Lage dort: Die Russen kommen im Donbaß weiter langsam voran, jede Woche etwa 300 km², wenn ich das richtig einschätze. Die großangekündigte ukrainische Offensive im Süden fiel wohl ins Wasser. Außer dem Beschuß einer (zivil genutzten) Brücke bei Cherson und winzigen Geländegewinnen am nördlichsten Punkt der Südukraine (wobei die Russen ihrerseits an anderer Stelle dieses Gebiets auch Gewinne erzielten) gibt es nichts Erwähnenswertes für die ukrainische Regierung. Doch, die Russen richten sich ein, werden diese Gebiete nicht zurückgeben, es sei denn, die anstehenden Referenden fallen gegen sie aus. Im Westen beeilt man sich, diese schon a priori als Betrug zu bezeichnen. Dabei könnte man doch international glaubhafte Beobachter und Kontrolleure in die betroffenen Gebiete schicken. Will man nicht, weil für den Westen zu befürchten ist, daß die Mehrzahl der Südukrainer nicht länger von Kiew aus regiert werden möchte.

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  • Streusalzwiese
    antwortet
    Mal wieder eine lesenswerte Kolumne von Thomas Fischer über Afghanistan und die Ukraine.
    https://www.spiegel.de/kultur/afghan...c-821270877cfc
    Im August 2021 gab die Bundesregierung das Versprechen, die vom Tod bedrohten Menschen in Afghanistan zu retten, die für sie gearbeitet hatten. Die Versprechen wurden gebrochen.

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  • aerolith
    antwortet
    Die SPD verläßt ihre traditionelle Ost-Politik zugunsten der MIK-Falken aus USA. Der außenpolitische Sprecher der Partei im Reichstag, Roth, will eine Sicherheitsarchitektur in Europa gegen Rußland auf den Weg bringen. So spricht und denkt jemand, dem Frieden nur ein Mittel ist, um politische und wirtschaftliche Ziele durchzusetzen, der aber nicht begriffen, daß Frieden gleich nach Freiheit kömmt, wenn es um die Hierarchisierung von Gütern geht.
    Europa hört nicht am Nemec auf, sondern reicht bis zum Ural. Rußlands westlicher Teil gehört zu Europa. Eine Sicherheitsarchitektur errichtet sich nicht in ein paar Monaten, so etwas ist eine Grundsatzentscheidung für Jahrzehnte. NImmt man Rußland aus den Planungen und erklärt es sogar zum Feind, so verzichtet man nicht nur auf das, was Rußland auszeichnet, sondern begibt sich in gefährliches Fahrwasser.
    Der Vorschlag ist dennoch demokratisch, denn der Großteil der Deutschen will das auch. Im Osten sieht es eine Mehrheit nicht so, im Westen will es die übergroße Mehrheit, also den Krieg gegen Rußland. Das ist das Problem Europas, daß Deutschland zu weit nach Westen gerückt ist.

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  • aerolith
    antwortet
    Die Angst vor Putin wird historisch begründet. Rußland zog es immer nach Westen, wenngleich sie nie das Reich angriffen, vom Siebenjährigen Krieg einmal abgesehen, als sie gegen Preußen standen - nicht aber gegen das Reich. Wir (Deutschen) dagegen führten auch nie Krieg gegen Rußland. Bis 1914. Aber da griffen uns die Russen nur deshalb zuerst an (derweil wir in Frankreich den Schlieffen-Plan durchführten), weil die Franzosen es verlangt hatten - schließlich hatten sie jahrzehntelang Geld in den Aufbau der russischen Infrastruktur gesteckt und wollten nun die Zinsen einfordern. Aber Hindenburg warf die Russen wieder aus Ostpreußen heraus (Tannenberg). Der Angriff 1941 brach mit dieser Tradition - also dem Nichtkrieg gegen Rußland.
    Die Russen ihrerseits breiteten sich von Moskau aus immer weiter nach Osten, Westen, Süden und Norden aus, bis natürliche Grenzen sie am Weitervordringen daran hinderten. Ausnahme: der Nemec. Dieses Flüßchen war so eine Art Grenze für sie, alle dahinter waren die Nemetzki, die Deutschen. Daran hielten sie sich bis 1945. Sie verlangten auch 1945 keine deutschen Gebiete, nur Königsberg. Aber das wollten sie uns 1989 zurückgeben. Kohl schlug aus. Der Oimel.
    Anders verhält sich das Verhältnis der Russen zu den anderen Völkern, von den Finnen im Norden über die Balten im Westen über die Ruthenen (Ukrainer) im Südwesten bis zu den Kaukasusvölkern und den Turkvölkern im Süden. Dort standen die Russen immer auf Angriff und Ausdehnung.

    In diesem Krieg wollen sie die Ukraine als Bedrohung ausschalten. Das ist das Ziel. Sie planen keinen Angriff auf Polen oder das Baltikum oder Finnland. Das zu glauben, ist Unsinn. Ich frage mich allerdings, wie weit sie gehen, um die Ukraine zu neutralisieren. Ich glaube, in Rußland wird darüber diskutiert. Mich würde interessieren, wie da inzwischen der Stand ist.

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  • eulenspiegel
    antwortet
    Ich las irgendwo, dass die Ukraine fertige Pläne für eine Gegenoffensive in der Tasche hat und diese noch im Juli anrollen soll. Natürlich unter massivster Unterstützung durch westliche Berater, Logistik, IT, Waffen, Personal usw. In Wahrheit befinden wir uns längst im Krieg mit Putin. Es liegt allein an ihm, ob und wann er das zum Anlaß nimmt, den Krieg auf andere Territorien als UKR auszuweiten. Die Frage bleibt, ob Russland dazu die Mittel, die Kraft hat. Ich glaube, nicht. Aber wie gesagt, nix genaues, weiß ich nicht.

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  • Streusalzwiese
    antwortet
    Langsam wird klarer, wer alles mitmischt.

    https://www.fr.de/panorama/ukraine-k...-91631708.html
    Kiew – Immer wieder betonen die Nato-Staaten, dass sie keine Soldaten in die Ukraine schicken. Einem Bericht der New York Times zufolge sind allerdings Geheimkommandos der westlichen Unterstützerstaaten in der Ukraine tätig. Sie sollen das ukrainische Militär, das nach wie vor waffentechnisch unterlegen ist, um Ukraine-Krieg unterstützen – mit der Beschaffung von Informationen, bei Waffentransporten sowie beim Training. Insgesamt 20 Staaten sind laut Times-Bericht daran beteiligt.

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  • aerolith
    antwortet
    Ein Experte von der Global AG (mit weitreichenden Geschäftsbeziehungen in die Ukraine) kommt zu dem Urteil, daß die Ukraine den Krieg gegen Rußland gewinnen werde, weil Rußland
    a) schlechte Moral,
    b) die Ukraine eine bessere Taktik besäße und
    c) die Russen allmählich materiell in Nachteil kämen (Auswirkungen der westlichen Sanktionen seit 2014).

    Ich sehe das als Nichtexperte anders und verweise auf den kontinuierlich sich nach Westen und Norden verschiebenden Frontverlauf.
    Allerdings wundert mich auch, daß die Russen ihre T-14 nicht einsetzen. An einen Mangel an Präzisionswaffen will ich nicht glauben. Wie Jag sagt, würden Halbleiter auch in China hergestellt. Dort dürften sich die Russen in den letzten Jahren eingedeckt haben. Mich wundert hier allerdings, daß sie nicht selber Halbleiter herstellen. Das paßt so gar nicht in Putins Konzept einer autarken Wirtschaft.

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  • aerolith
    antwortet
    eine umfangreiche Befragung von 8000 Europäern; das wichtigste Ergebnis für mich liegt darin, daß offenbar die Anhänger rechter Parteien mehrheitlich Frieden wollen, die linker Parteien dagegen wollen eine Fortsetzung des Krieges

    Bizarr! (es gab Zeiten, da war das genau andersherum; vielleicht ist an meiner These, daß das gegenwärtige Rechts tatsächlich das alte LINKS ist, mehr dran, als man glauben mag)

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  • aerolith
    antwortet
    In den USA mehren sich die Stimmen, die den Krieg beenden wollen. Nach Kissinger, der seit den 1970ern davor warnt, daß Amerika eine Annäherung Rußlands an China nicht zulassen dürfe, melden sich nun auch Vertreter aus sogenannten think tanks zu Wort, die glauben, es sei an der Zeit, den Krieg zu beenden.

    erstellt von https://www.americanthinker.com/arti...e_settled.html
    Die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten müssen ein besseres Verständnis für die Verteidigungsanliegen Rußlands gewinnen. In bezug auf die Ukraine sollten die Vereinigten Staaten Präsident Selenski nachdrücklich drängen, eine Einigung zu akzeptieren, die es den russischsprachigen Gebieten im Süden und Osten der Ukraine ermöglicht, sich abzutrennen und unter der Kontrolle Rußlands zu bleiben und auch zuzustimmen, daß die Ukraine in dem geopolitischen Konflikt neutral bleibt. Es sollten keine weiteren Lieferungen von militärischer Ausrüstung an die Ukraine erfolgen, die die russischen Seestreitkräfte im Schwarzen Meer bedrohen könnten. Es sollten auch keine Waffenlieferungen an die Ukraine erfolgen, die Ziele in Rußland ernsthaft bedrohen könnten.
    Eine Fortsetzung des Krieges oder eine mögliche Ausweitung des derzeitigen Krieges liegt weder im Interesse der Vereinigten Staaten noch des ukrainischen oder russischen Volkes.
    .

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  • aerolith
    antwortet
    Ich kann inzwischen verstehen, was ukrainische Nationalisten gegen Tolstoi haben. Tolstoi nahm am Krimkrieg (1853-56) teil. Er schrieb u.a. eine Erzählung über seine Erlebnisse: Sewastopol, im August 1855. Darin beschreibt er die Kriesgreuel. Die Botschaft des Textes ist: Nie wieder Krieg! Junge Leute ziehen aus ganz Rußland herbei, um gegen den Westen russische Erde zu verteidigen. Sie erleben die Unorganisiertheit der russischen Armee und die Torturen, die Artilleriebeschuß nun einmal mit sich bringen. Die Darstellung ist beinahe naturalistisch zu nennen.

    Das war auch die Intention Tolstois. Es gibt aber auch Textstellen wie:

    erstellt von Leo T.:
    Diese feuchte Finsternis, diese verschiedenen Geräusche, besonders das griesgrämige Plätschern der Wellen [Schwarzes Meer] -alles schien ihm zu sagen, daß er nicht weitergehen solle, seiner harre hier nichts Gutes, daß sein Fuß nie wieder russische Erde DIESSEITS der Bucht betreten werde und daß er sofort zurückkehren und irgendwohin eilen müsse, möglichst weit weg von dieser furchbaren Stätte des Todes.
    Es ist für Tolstoi ganz selbstverständlich, daß die Krim russische Erde sei. Er reiste schließlich freiwillig von weit her, um diese Erde gegen Franzosen und Briten zu verteidigen, die schon Mitte des 19. Jahrhunderts dort ihre Interessen zu vertreten glaubten. Es ist übrigens sehr interessant, daß sich die deutschen Mächte Preußen und Österreich auch in diesem Krieg zurückhielten. Das tun sie trotz aller öffentlichen Beteuerungen gegenüber ihren Bündnispartnern auch heute.

    Zur Erinnerung hefte ich hier mal meine Sicht auf den Krimkrieg hier an:

    erstellt aus Kursbuch "Geschichte I"

    Seit dem Wiener Kongreß fühlte sich die französische Bourgeoisie im europäischen Mächtekonzert ohne Soloauftritt. Dominanz auf dem europäischen Festland nahm weitgehend Rußland wahr, das seine Funktion jedoch eher als Ordnungsmacht denn als Eroberer verstand. Innenpolitische Veränderungen der Franzosen, die Monarchie, sozialistische Republik, Kaisertum und Oligarchie gleichermaßen versuchten, hatten es nicht vermocht, die französische Hegemonie von 1810 wiederherzustellen. Mit dem Kaisertum Napoleons III. wurde aggressiv Außenpolitik betrieben, zumal Rußland um 1850 schwächelte.

    Der Zar hatte es versäumt, in den Auseinandersetzungen mit Polen klare Akzente der Stärke zu setzen. Seine Herrschaft in Polen stand auf schwachen Füßen, gleichzeitig drohte den Russen der Verlust ihrer seit dem Wiener Kongreß bestehenden Hegemonie in Europa für den Fall der deutschen Vereinigung, so daß sie ihre Kräfte bereithalten mußten, um gegebenenfalls in Deutschland einzurücken. Preußen und Österreich ihrerseits waren weitgehend einig in der Unterstützung des russischen Teils Polens, denn sie wußten, daß die Schaffung eines polnischen Nationalstaats auch ihre eigenen Ansprüche darauf stärken würde und zudem Rußland schwächen mußte, was nicht nur den Deutschen nützen mußte, sondern auch Preußen und Österreich jeweils, falls es nicht zu einem Nationalstaat kommen würde. Die Russen ihrerseits waren zwar eher gegen ein neues deutsches Reich, schließlich aber stand für sie das strategische Ziel der Eroberung Konstantinopels an erster Stelle, nicht die Verhinderung eines deutschen oder polnischen Nationalstaats. Nach 1849 wendete der Zar seine Aufmerksamkeit wieder ganz dem wichtigsten außenpolitischen Ziel Rußlands, der Eroberung Konstantinopels (das heutige Istanbul), zu und zog Truppenverbände von der polnischen Grenze nach Süden. Und dann fand sich auch ein Anlaß, der die Situation eskalieren ließ: ein Schlüssel für eine Kirchentür.
    Die christlichen Konfessionen beanspruchten jeweils den Schlüssel für die christlichen Kultstätten in Jerusalem. Der Zar protektionierte die griechisch-orthodoxe Kirche, die Franzosen die römisch-katholische. Nun forderte der Zar die Anerkennung seines Anspruchs vom türkischen Sultan. Der Sultan lehnte ab. Der Zar sprach mit den Briten. Er bot ihnen Kreta und Ägypten als Anteil an der Beute des osmanischen Imperiums für den Fall, daß sie gemeinsam mit Rußland gegen die Türken vorgingen. 1853. Er rechnete fest mit dem englisch-französischen Antagonismus, zumal mit Napoleons III. Machtzuwachs England ins Hintertreffen zu geraten drohte. Und richtig, in Frankreich erhoben sich nicht wenige, die ein Bündnis mit Rußland vorschlugen, um England zu besiegen. Aber Napoleon III. entschied sich dann doch anders, er wollte die Hegemonie über das europäische Festland und die Rheingrenze, also mußte Rußland besiegt werden, dann könnte auch ein Vorstoß über den Rhein gelingen. Die Briten ihrerseits mißtrauten dem russischen Plan und konnten sich an Ägypten und Kreta nicht sehr erfreuen, zu unsicher war dort die Lage. Also verhandelten sie mit Frankreich, um sich Indien offenzuhalten und von dort aus Rußland zurückzudrängen. Rußland indes handelte und fiel zugleich in die Moldau und die Walachei ein. Der Sultan erklärte den Russen den Krieg. Eine russische Flottille versenkte türkische Schiffe. Am 12.3.1854 folgte die Kriegserklärung der Franzosen und Briten an die Russen.
    Die Russen marschierten auf Bukarest in Rumänien vor, während im Juni 1854 die ersten Westeuropäer bei Warna in Bulgarien landeten. Die Türken überschritten die Donau in Rumänien und marschierten nach Norden. Erst allmählich verlagerte sich das Kriegsgeschehen Richtung Krim. Die Österreicher benutzten den Rückzug der Russen, um in die Moldau einzumarschieren. Preußen erklärte sich neutral. Zehntausende Franzosen und Briten starben bei dem Versuch, die russische Festung Sewastopol auf der Krim zu stürmen. 1855 gelang der Sturm. Die Trikolore wehte. Die Friedenskonferenz in Paris brachte Frankreich als Großmacht zurück; die Russen verloren ihre Hegemonie über Europa, mußten ihre Arsenale am Schwarzen Meer räumen und durften dort auch keine Kriegsschiffe stationieren. Damit war die Nachkriegsordnung von 1815 ausgehebelt, die Franzosen endgültig restauriert. Die Russen hingegen befanden sich nunmehr in der französischen Position von vor dem Krimkrieg, sie fühlten sich gedemütigt.
    Der Friedensschluß von Paris, 1856, modifizierte das System von 1815:
    • Rußland trat die Donaumündungen und die Moldau an die Donaufürstentümer ab, die zwar unter osmanischer Oberherrschaft blieben, gleichzeitig aber für neutral erklärt und zum Fürstentum Rumänien vereinigt wurden;
    • der Dardanellen-Vertrag (Meerengenvertrag) von 1841 wurde im Sinne des osmanischen Imperiums bestätigt, was bedeutete, daß das Schwarze Meer zu einem Binnensee wurde, den russische Kriegsschiffe nicht verlassen konnten, ohne diesen Vertrag zu brechen;
    • der Sultan sicherte die Gleichberechtigung von Christen und Muslimen in seinem Herrschaftsgebiet zu, was die Aufnahme des osmanischen Imperiums in die europäische Staatengemeinschaft zuließ;
    • Sardinien wurde als eigenständige Macht zum Nachkriegskongreß zugelassen und respektiert;
    • Frankreich wurde zur europäischen Hegemonialmacht;
    • Rußland und Österreich sind fortan Feinde, da Rußland zur Deckung seiner westlichen grenze gegen aufmarschierte österreichische Bataillone viele Truppen mobilisieren mußte, die dann auf der Krim gegen die anstürmenden Briten und Franzosen fehlten.
    Die hohen Kosten des Krieges führten zu einer Überflutung der Märkte mit russischen Rohstoffen, die dort verkauft werden sollten, um die Kriegskosten begleichen zu können. Dies wiederum ließ die Preise sinken, da nunmehr die Kriegführenden für die zum Krieg notwendigen Rohstoffe nicht jede Summe zu zahlen bereit waren. Das wiederum führte zur Wirtschaftskrise von Petersburg über Hamburg bis nach London. Und diese Krise wiederum brachte neue Kräfte ins Spiel, z.B. die jüdischen Bankiers der Warburgs aus Hamburg, die durch Vermittlung des Silberzugs von 1857 nicht nur Hamburgs Finanzen retteten, sondern gleichsam das Scharnier im Ost-West-Handel ölten.


    Die Ukrainer nannte man damals in der Monarchie Ruthenen. Sie besaßen nicht einmal einen eigenen Namen, viele Russen nannten sie "Chochol", was so etwas wie "Barbar" bedeutet.

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  • aerolith
    antwortet
    Völkerrecht in Kriegszeiten
    Darüber wird in diesen Tagen viel diskutiert. beide Seiten nehmen ein Verteidigungsrecht für sich in Anspruch. Die eine Seite (Ukraine) scheint hier stärkere Argumente zu besitzen, schließlich ist sie angegriffen worden. Die andere Seite (Rußland) behauptet, daß die politischen Wege ausgeschöpft gewesen seien und der Zustand im Donbaß unerträglich für die Zivilbevölkerung gewesen sei, die Tag für Tag Tote durch Fernbeschuß zu ertragen hatte.
    Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Darf ein kriegerisches Mittel benutzt werden, um einen als unerträglich-wahrgenommenen Alltag zu beenden?
    Das 19. Jahrhundert würde behaupten, ja. In unserer Zeit sagt man nein. Ich sage das auch. Doch es gibt auch die Macht des Faktischen, die meiner schönen Welt oft genug Tatsachen vorsetzt, die ich wahrnehmen muß.
    Das Völkerrecht existiert in zweierlei Gestalt:
    1. Es gibt ein Recht zum Krieg, das ius ad bellum.
    2. Es gibt ein Recht im Krieg, das ius in bello.
    Nach heutigem Verständnis darf man nur dann Krieg führen, wenn man angegriffen wird. Da liegt schon mal der Hase im Pfeffer. Wer darf wann behaupten, er sei angegriffen worden? Im Falle des Donbaß machen die Separatisten für sich geltend, daß ihr Territorium von ukrainischen Truppen seit 2014 angegriffen werde, was 14000 Tote zur Folge hatte. Nach ihrem Verständnis wehren sie sich nur, fühlen sich als die Angegriffenen, die nun zum Gegenschlag ausholen - mit Hilfe ihrer Landsleute aus Rußland. - Die Ukrainer dagegen sagen, daß sie die Abspaltung der Donbaß-Republiken nicht anerkennten, es also keinen Krieg gegen jemanden gäbe, sondern nur Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das umstrittene Gebiet sei Staatsgebiet der Ukraine, auch wenn dort Russen lebten.
    Will man diese Frage klären, so müßten erst einmal die Waffen schweigen. Dann müßte man klären, wer wo welches Recht habe. Solange müßte das Gebiet international geschützt werden. Am Ende müßte das Volk selber entscheiden, was es will.
    Und damit bin ich wieder bei der Macht des Faktischen. Von welchem Gebiet reden wir hier? Der Krieg schafft neue Grenzen.

    Das Recht im Krieg lassen wir mal außen vor. Am Ende tötet noch jeder jeden, wie er es vermag. Das ist Kriegshandwerk udn eben der Grund, warum es nirgendwo Krieg geben dürfte. Gibt es aber.

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  • aerolith
    antwortet
    Europol-Chefin de Bolle äußerte sich besorgt über die Zeit nach dem Krieg. Das vom Westen und Deutschland in die Ukraine gelieferte Kriegsmaterial könne nach dem Krieg in die Hände von (anderen) Kriminellen gelangen. Das sei nach dem Balkankrieg geschehen. Noch heute agierten Balkan-Kriminelle mit Waffen, die seinerzeit in den Balken geliefert worden seien.

    Tja, Leute... Das ist wohl einer der Gründe, warum man niemals Waffen in ein Kriegsgebiet schicken darf. Ich vertiefe das itzt nicht, hab aber schon wieder so 'nen Hals.

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  • aerolith
    antwortet
    erstellt von Peter Vonnahme


    Der russische Völkerrechtsbruch schließt jedoch nicht aus, daß die Ukraine im Vorfeld des Krieges berechtigte Interessen Rußlands verletzt hat. Rußland erhebt insbesondere folgende Vorwürfe: verstärkte Bemühungen der ukrainischen Staatsführung um Aufnahme in die Nato ohne Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen; Inszenierung des „Maidan-Putsches“ von 2014 mit politischer und militärischer Unterstützung des Westens; Duldung eines extremen Nationalismus in der Ukraine; Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung im Donbaß; Einsatz von „Nazi-Bataillonen“; „Bürgerkrieg“ im Donbaß mit bisher 14.000 Toten; verweigerte Umsetzung des Minsk-II-Abkommens; geplante Offensive gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

    Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wollte man untersuchen, ob und inwieweit die Vorwürfe gegen die Ukraine, die USA und die EU begründet sind. Eine Klärung ist auch nicht erforderlich. Denn selbst wenn die Vorwürfe zuträfen, könnte hieraus kein Recht Rußlands abgeleitet werden, die Ukraine militärisch anzugreifen. Politische Provokationen rechtfertigen keinen Angriffskrieg. Dieses Ergebnis mag aus russischer Sicht unbefriedigend sein, das ändert aber nichts an der völkerrechtlichen Bewertung.

    Wir leben in keiner idealen – gerechten – Welt. Die letzten Jahrzehnte haben wiederholt gezeigt, dass selbst massive Völkerrechtsbrüche (zum Beispiel Jugoslawien, Irak, Syrien, Libyen, Palästina) ungeahndet geblieben sind. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Recht ist das eine, Macht ist das andere. Nicht immer siegt die Stärke des Rechts, manchmal triumphiert leider die Macht des Stärkeren. Gleichwohl darf die Welt nicht müde werden, immer wieder Gerechtigkeit einzufordern. Alle Staaten der Welt sind aufgerufen, auf staatliches Fehlverhalten mit politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Maßnahmen zu reagieren und die Täter einer (völker-)strafrechtlichen Verurteilung zuzuführen.
    Den für mich wichtigsten Satz hob ich hervor. Es stellt sich da allerdings die Frage, wie man mit politischen Provokationen umgehen soll, wenn man selber keine (politischen) Mittel kennt, um dem zu begegnen?
    Ich will die Hoffnung äußern, daß nach einem hoffentlich schnellen Sieg Rußlands politische Lösungen gefunden werden, die dieses Gebiet nicht zum nächsten Afghanistan/Syrien machen. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, skizzierte ich weiter oben.

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